Notfallseelsorge Bonn/Rhein-Sieg Pfarrer und Feuerwehr wollen das Miteinander verbessern

RHEIN-SIEG-KREIS · Deformierte Autos, schwerst verletzte Menschen, die noch in den Wracks behandelt oder auf dem Asphalt reanimiert werden müssen - es sind oft verstörende Bilder, mit denen Retter an Unfallstellen konfrontiert werden. Auch bei unverletzten Beteiligten löst das Erlebte oft einen Schock aus. Wenn Seelen "Erste Hilfe" brauchen, stehen im Rhein-Sieg-Kreis zwei Organisationen zur Verfügung.

 Notfallseelsorger Pater Langer (2.v.r.) trifft am Einsatzort ein: Ein junger Mann hatte sich am 20. Oktober 2013 in der Hertzstraße in Menden verschanzt und drohte, in einem Haus Feuer zu legen.

Notfallseelsorger Pater Langer (2.v.r.) trifft am Einsatzort ein: Ein junger Mann hatte sich am 20. Oktober 2013 in der Hertzstraße in Menden verschanzt und drohte, in einem Haus Feuer zu legen.

Foto: Axel Vogel

Sind Einsatzkräfte betroffen, ist das ein Fall für die "Psycho-Soziale-Unterstützung Bonn/Rhein-Sieg" (PSU). Leiter ist seit einem Jahr der Sankt Augustiner Feuerwehrmann Frank Pütz.

Geht es aber darum, geschockten Unfallopfern und Angehörigen zu helfen, wird das Team der Notfallseelsorge Bonn/Rhein-Sieg alarmiert. Das leiten Pater Jürgen Langer und Pfarrer Albrecht Roebke, der Koordinator für den Rhein-Sieg-Kreis ist. Nicht selten kommt es bei Einsätzen zu Überschneidungen - und unterschwellig zu Missklängen. Insider sagen: Beide Organisationen arbeiten eher neben- als miteinander.

Probleme ergaben sich mitunter dann, wenn Unfallbeteiligte betreut werden mussten. Wenn also im Prinzip die Notfallseelsorger gefragt waren. Eigentlich vorgesehen ist ein Miteinander bei einem Notfall wie etwa auf der A 3 Ende 2013, als ein mit jungen Leuten besetzter Bus einen Fußgänger erfasste.

"Das ist schon der Einsatzrealität geschuldet", erklärt Kreisbrandmeister Walter Jonas. Zwar entscheidet grundsätzlich die Leitstelle der Polizei beziehungsweise der Feuerwehr, wer alarmiert wird. Aber oft können PSU-Leute zeitnaher am Unglücksort eintreffen, "weil der Draht zur Feuerwehr kürzer ist", erklärt Jonas.

PSU-Leiter Frank Pütz stellt auch klar, dass seine Kräfte ausgebildet sind, "in einer solchen Lage geschockte Unfallopfer so lange zu betreuen, bis ein Notfallseelsorger eintrifft und den Fall übernimmt".

"Die Frage, wer wann am Einsatzort ist, hängt wesentlich vom Alarmierungszeitpunkt ab", relativiert Pater Langer. Aber für ihn ist klar, "dass derjenige, der als erster vor Ort ist, schon mit den ersten Maßnahmen beginnt". Dass Mitglieder des PSU-Teams Unfallopfer betreuen bis Notfallseelsorger eintreffen, ist sogar "wünschenswert", ergänzt Pfarrer Roebke. Zumal alle Helfer schnell einen Überblick bekommen müssen, "wer in welchem Umfang Betreuung braucht und will". Nach Langers Erfahrungen klappt dieses Hand-in-Hand-Arbeiten "in der Praxis in fast allen Fällen".

Dennoch scheinen die Schnittstellen ausbaufähig zu sein. So sieht es PSU-Leiter Frank Pütz. "Aber eine bessere Abstimmung gestaltet sich schwierig, weil uns von Seiten der Notfallseelsorger die Zusammenarbeit aufgekündigt wurde", so Pütz. Dazu sagt Pater Langer: "Wir haben vor Jahren den Versuch gemacht, in einem großen Team zu arbeiten." Das hat sich für Pfarrer Roebke aber nicht bewährt, "weil die Arbeitsweisen und Handlungsstandards zu unterschiedlich waren". Die Zusammenarbeit habe man jedoch nicht aufgekündigt.

Für Kreisbrandmeister Jonas ist das Miteinander ebenfalls manchmal schwierig, "etwa weil uns die Strukturen der Notfallseelsorge nicht hinreichend bekannt sind". Pater Langer ist das unverständlich: "Die Strukturen der Notfallseelsorge sind seit über zehn Jahren unverändert." Auch verlaufe die Alarmierung des Systems mittels Mobiltelefon "fast durchgängig störungsfrei". Daher sei es Aufgabe der Feuerwehren, sich über die Angebote der Psycho-soziale Hilfen "upzudaten". Zwar könne es im Zuge eines Einsatzes zu Informationslücken kommen, räumt er ein. Diese sollten aber "durch einen intensiveren Austausch vermieden werden".

Unterm Strich hat für Kreisbrandmeister Jonas Priorität, "dass überhaupt Hilfe in der erforderlichen Zeit eintrifft". Aber für ihn besteht kein Zweifel, "dass das Miteinander verbesserungsfähig ist". Auch er wünsche sich, "dass durch einen regelmäßigen Meinungs- und Erfahrungsaustausch entstandene Probleme und Irritationen zeitnah beseitigt und zukünftige Vorgehensweisen verlässlich abgesprochen werden".

Notfallseelsorge

Etwa 30 Freiwillige und Hauptamtliche stellen die 24-Stunden-Bereitschaft des Notfallseelsorge-Teams Bonn/Rhein-Sieg sicher. Dabei ist das Notfallseelsorge-Team, dessen Mitglieder hauptberuflich etwa als Therapeuten und Seelsorger arbeiten, ökumenisch besetzt. Die Notfallseelsorger sind für fast 900.000 Menschen zuständig und wurden 2012 zu 289 Einsätzen gerufen - das ist der Höchststand seit der Gründung 1998. Zu ihren Aufgaben zählt das Überbringen von Todesnachrichten ebenso wie die Betreuung von Angehörigen. In Bonn betreuen die Notfallseelsorger zudem noch Feuerwehr- und Rettungsdienstkräfte. Im Einsatz waren Notfallseelsorger etwa bei der gewalttätigen Salafisten-Demonstration in Lannesdorf 2012.

PSU

PSU steht für "Psycho-Soziale-Unterstützung" und ist ein Angebot, das sich an Einsatzkräfte richtet. Seit 2005 gibt es das PSU-Team Bonn-Rhein-Sieg, das aus 34 Kräften besteht. Aufklärung und Schulungen in den Feuerwehr-Einheiten haben die Einsätze in den vergangenen Jahren verringert: Von 24 Einsätzen 2009 auf zehn im Jahr 2013.

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