Serie "Eine Stunde mit..." Peter und Heike Esser vom Bestattungshaus Esser

SIEGBURG · Was bei vielen Menschen Unwohlsein auslöst, ist für Peter Esser und seine Frau Heike Alltag: der Umgang mit Toten und dem Tod. Gemeinsam führen sie den Familienbetrieb, der seit 1919 bereits in der dritten Generation besteht.

Ein dumpfes Geräusch hallt durch den Innenhof, als Peter und Heike Esser den schweren Eichensarg die Rampe hinunter zum Bestattungswagen rollen. Dann ertönt ein Schubgeräusch und ein Keuchen. Kurz darauf ist der rund 120 Kilogramm schwere Sarg verladen. Die Fahrt hinüber zum Nordfriedhof kann beginnen. Nur rund 500 Meter beträgt die Strecke, die Peter Esser im Bestattungsfahrzeug und seine Frau Heike im Kleintransporter, der voll beladen mit Dekorationsartikeln ist, zurücklegen müssen. Trotzdem lässt das Ehepaar keine Zeit liegen. Jeder Handgriff sitzt. Im Nu steht der Sarg in der noch sehr beklemmend und leer wirkenden Trauerhalle.

Was bei vielen Menschen Unwohlsein auslöst, ist für Peter Esser und seine Frau Heike Alltag: der Umgang mit Toten und dem Tod. Gemeinsam führen sie den Familienbetrieb, der seit 1919 bereits in der dritten Generation besteht. "Eigentlich habe ich Groß- und Außenhandelskaufmann gelernt, aber als mein Vater 1993 schwer erkrankte, war für mich klar, dass ich meiner Mutter dabei helfen würde, das Unternehmen fortzuführen", berichtet der 45-Jährige.

Schwer fiel ihm das nicht, denn Esser hatte von klein auf den Arbeitsalltag des Bestatters kennengelernt. "Als Kind war ich neugierig und habe meinem Vater viel zugesehen. Später fing ich an, einzelne Tätigkeiten zu übernehmen, wie die Abholung von Toten in Krankenhäusern und Hospizen." Für seine Frau war die Eingewöhnung schwieriger. "Ich habe eine Ausbildung zur Erzieherin gemacht. An die Arbeit meines Mannes musste ich mich erst gewöhnen", erklärt Heike Esser. Zu Beginn half sie parallel zu ihrem Job bei einzelnen Arbeitsschritten mit, wie etwa dem Ausschlagen des Sarges. Seit zwei Jahren arbeitet sie im Betrieb mit ihrem Mann Seite an Seite.

Bis zum Beginn der Trauerfeier in der Halle bleibt nun noch gut eine Stunde. Nach und nach tragen Peter und Heike Esser die Dekoration in die Halle. "Wir versuchen für die Trauergäste einen Rahmen zu schaffen, in dem sie vom Verstorbenen gebührend Abschied nehmen können", sagt Heike Esser, während sie Kerzen auf die Ständer aufspießt, die den Sarg umsäumen. Ihr Mann dekoriert währenddessen eine Staffelei mit Samttüchern. Dort wird später das Porträt des Verstorbenen stehen, so wie die Trauergäste ihn in Erinnerung behalten sollen.

Auch die Floristen kommen nach und nach zur Trauerhalle, um die Gestecke zu liefern, die das Ehepaar auf und um den Sarg legt. "Die Kunden haben spezielle Ansprüche bei der Gestaltung. Oft werden Lieblingsblumen des Verstorbenen gewählt", erzählt Heike Esser. Sie habe aber auch schon außergewöhnliche Dekorationen erlebt, erinnert sich die 37-Jährige.

"Eine meiner ersten Beerdigungen, die ich mit meinem Mann ausrichtete, war die einer Künstlerin. Rund um ihren Sarg standen ihre Bilder. Das wirkte sehr schön und individuell." Auch ihr Mann kann sich an solche ungewöhnlichen Dekorationen gut erinnern. "Ein verstorbener Herr spielte in einem Club leidenschaftlich gern Billard. Wir haben also auf Wunsch des Kunden an den Sarg ein Queue gelehnt und auf den Boden ein Dreieck mit Billardkugeln gestellt", so Peter Esser.

Viel Zeit zum Erzählen bleibt nicht. In einer halben Stunde - um 10 Uhr - beginnt jetzt die Feier. Das Ehepaar überprüft noch einmal alles. Peter Esser geht durch die Sitzreihen und rückt jeden der Holzstühle zurecht. Seine Frau legt einige Trauerblumen auf die Sitzflächen der Stühle in der vorderen Reihe. Dann beginnen die beiden die Kerzen anzuzünden und verleihen dem Raum damit eine angenehme Atmosphäre. Kurz bevor die ersten Trauergäste vor der Halle eintreffen, kommt der Organist. "Im Regelfall kümmern wir uns um die Beschaffung und das Abspielen der Musik von einer CD. Bei dieser Beerdigung ist das nicht möglich. Die Kunden haben sich moderne christliche Lieder gewünscht, die im Internet nicht verfügbar sind. Daher wird der Organist diese später live spielen", sagt Heike Esser.

Mit der Vorbereitung der Halle ist die Arbeit für das Ehepaar sowie die Schwester und die Tante, die ebenfalls in dem Familienunternehmen arbeiten, nicht getan. Bereits im Vorfeld fallen viele Arbeiten an, die sich die Familie untereinander aufteilt: das Beratungsgespräch, die Behördengänge, Blumenbestellungen, die Aufgabe der Traueranzeige, die Abholung sowie die Reinigung des Toten. Und das sind nur einige wenige.

"Der Bestatter ist schon lange nicht mehr nur der Sarglieferant, wie es früher üblich war. Heute ist er ein vielseitiger Dienstleister: ein Kaufmann, Handwerker und Seelsorger - mit einer Verfügbarkeit von 24 Stunden an 365 Tagen im Jahr", erklärt Peter Esser. "Natürlich hat das viel mit Verzicht zu tun", ergänzt seine Frau. "Wenn wir einen Ausflug machen und jemand anruft, der einen Toten abholen lassen möchte, geht das vor. In diesem Metier kann niemand warten!" Auf die Frage, ob sie sich wünschen, dass ihre zwei Söhne das Unternehmen einmal übernehmen, antworten beide: "Wenn sie es von sich aus wollen, fänden wir das schön, aber wenn sie für sich eine andere Zukunft sehen, ist das in Ordnung!

Serie "Eine Stunde mit..."

In der GA-Serie "Eine Stunde mit..." begleiten wir Menschen bei der Ausübung ihres Berufs. Ob Bäcker, Model oder Tierpfleger - sie gewähren uns Einblick in ihren Alltag. Für genau eine Stunde

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