Mutanfall Spezial Performance zum Projekt „angekommen?“ sorgt für Beklemmung in Siegburg

SIEGBURG · Ungewöhnlich gestaltete sich der Auftakt von „Mutanfall Spezial“, einer Veranstaltung im Rahmen der gleichnamigen Poetry-Slam-Reihe und Teil des Kulturprojekts „angekommen?“. Die multiple Performance im Siegburger Stadtmuseum sorgte dabei für Beklemmungen beim Publikum.

„Bitte stellen Sie sich zügig im Transitbereich auf“, sagt der Mann mit gelber Sicherheitsweste bestimmt und treibt die Männer und Frauen zur Eile, dann ist die Gruppe verschwunden. „Bleiben Sie geschlossen zusammen, sprechen Sie nicht, fassen Sie nichts an“, fordert ein anderer die nächste Gruppe auf und zieht mit ihr los. Noch zwei weitere Menschentrauben machen sich dicht gedrängt mit ihren „Gruppenführern“ auf den Weg. Ungewöhnlich gestaltete sich der Auftakt von „Mutanfall Spezial“, einer Veranstaltung im Rahmen der gleichnamigen Poetry-Slam-Reihe und Teil des Kulturprojekts „angekommen?“, am Vorabend zum Tag der Deutschen Einheit im Stadtmuseum.

Insgesamt 100 Besucher, aufgeteilt in vier Gruppen, machten sich vom Forum aus auf eine interaktive Sprachreise, auf der an verschiedenen Stationen die Frage nach dem Ankommen verschiedenster Menschen in der Gesellschaft gestellt wurde. Einbezogen waren neben der Bühne im Forum das komplette Kulturhaus mit Museum und Bibliothek.

Bedrückende Stimmung

Kaltes blaues Licht sorgte für eine bedrückende Stimmung. Jeder, der an dem Zug durch das Kellergewölbe, über schmale Stiegen und das Treppenhaus teilnahm, war nur schemenhaft in der fast vollständigen Dunkelheit zu erkennen. Vorbei ging es an Installationen und Projektionen des Organisators und Moderators des Abends, Mario el toro.

Unter dem Titel „Human Rights“ hatte er beispielsweise ein ganzes Kriegswaffenarsenal aufgehäuft. Wenige Meter davon entfernt lief ein Filmzusammenschnitt von verschiedenen Veranstaltungen, auf denen Donald Trump den Zuhörern immer und immer wieder seine Standardphrase von den „Billions and Billions and Billions…“ buchstäblich entgegenbrüllte. Hinweisschilder zeigten den Weg nach „Greece“ oder zur „Balkan-Route“.

Perspektivwechsel

Die Menschen im Museum gelangten stets an andere Orte, auf eine Straße irgendwo, in eine Schule, auf ein Amt oder an einen Strand, wurden in die Rolle von Flüchtlingen und zum Perspektivwechsel gezwungen. Ein hoher Gitterzaun trennte die Passanten von Liegestühlen, in denen zwei gelangweilte, satte Bikinischönheiten Cocktails schlürften und von den schönsten Stränden der Welt schwärmten. Währenddessen reichten Helferinnen, ebenfalls in neonfarbenen Westen, Wasserbecher und kleine Brotstücke durch das Gitter an die Vorbeiziehenden, die vorher eine Registriernummer vorzeigen mussten. „Bitte beeilen Sie sich mit der Essensaufnahme“, ertönte eine schnarrende Stimme durch ein Megafon. Eine beklemmende Atmosphäre.

Überdeutlich nachempfinden konnten die Veranstaltungsbesucher die überforderte Bürokratie, bei der für Einzelschicksale keine Zeit ist und der Flüchtling zur Akte wird. „Unterschrieben, gestempelt, abgeheftet“ kommentierte das ein Beamter, der sich zwischen Sarkasmus und Hilflosigkeit bewegte und von Slammer Ingo Nordmann aus Bonn überzeugend gespielt wurde.

Appell an das Publikum

Perfekt abgerundet wurde der spannende Abend mit dem Appell an das Publikum, etwas zugunsten der Akteure zu spenden. Aber nicht nur Geld. „Trennen Sie sich von irgendetwas. Es gibt Menschen, die müssen sich von allem trennen“, forderte „el toro“ und ließ einen Beutel durch das Auditorium wandern.

Ein Abend, der unter die Haut ging, vor allem auch durch die aufwühlenden und nachdenklich machenden Texte der Slammer „Zwerg Riese“ aus Essen, Eric Bay aus Köln und Ella Anschein aus Siegburg sowie Schülerinnen eines Poetry-Slam-Workshops am Troisdorfer Gymnasium Zum Altenforst.

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