Neues Rettungssystem "EmergencyEye" Notfallhilfe im Rhein-Sieg-Kreis per Live-Video

Rhein-Sieg-Kreis · Die Rettungsleitstelle des Rhein-Sieg-Kreises setzt auf die Technik EmergencyEye. Damit kann der Verunglückte ein Kamerabild seines Handys direkt an die Leitstelle übertragen und so schnelle Hilfe bekommen.

Der Unfall ereignete sich Anfang April. Ein Wanderer war beim Spaziergang im Siebengebirge verunglückt und unter einem Baum eingeklemmt. Er alarmierte den Rettungsdienst. Doch bis die Helfer bei ihm am Fuße des Oelbergs angekommen waren, dauerte es lange 40 Minuten. In der Zeit verlor er mehrfach das Bewusstsein, während die Leitstelle telefonisch Kontakt mit ihm hielt. Das Problem: Der Wanderer konnte den Rettungskräften nicht genau sagen, wo er sich befand. Die Rettungskräfte mussten ihn im Wald erst einmal finden. In solchen Situationen soll im Rhein-Sieg-Kreis künftig die Notruf-Technik EmergencyEye helfen, langwierige Suchen zu vermeiden und dadurch wichtige Zeit zu gewinnen. Mit der neuen Software kann sich die Leitstelle nach Zustimmung des Anrufers per Fernzugriff auf dessen Smartphone aufschalten und den genauen Standort orten.

„Unser Bestreben ist, die neue Technik im Sommer in Betrieb zu nehmen“, sagt Martin Bertram, Leiter der Rettungsleitstelle des Rhein-Sieg-Kreises. „Wir haben regelmäßig Einsätze im Kottenforst, im Siebengebirge oder im Windecker Ländchen, bei denen der Anrufer nicht weiß, wo genau er ist.“ Bislang ist laut Bertram bei Anrufen aus dem Mobilfunknetz eine Standortbestimmung nur per Kreuzpeilung verschiedener Sendemasten möglich. „Das ist sehr ungenau.“ Anders sieht es aus dem Festnetz aus: „Da können wir genau sehen, wer Sie sind und wo Sie sind“, so der Leitstellenchef.

Die Notruf-Technik EmergencyEye funktioniert folgendermaßen: Der Anrufer wählt bei einem Notfall wie gewohnt die Notrufnummer 112 und landet bei einem Disponenten der Rettungsleitstelle. Dieser hat nun die Möglichkeit, dem Anrufer eine SMS auf sein Smartphone zu schicken. Über den darin enthaltenen Link muss der Anrufer dem Fernzugriff aktiv zustimmen, und die Leitstelle kann die Einsatzstelle per GPS-Daten lokalisieren. „Es wird bestimmt von hundert Fällen auch mal einen geben, bei dem es nicht funktioniert“, so Bertram. „Aber die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Es ist eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem heutigen Zustand.“

Zudem kann der Rettungsdienst die Kamera des Smartphones nutzen und eine Videoverbindung aufbauen. „Das ist ein gutes Feature, etwa um bei einem Feuer oder einem Verkehrsunfall zu sehen, wie die Ausmaße sind“, sagt Bertram. „Davon erhoffe ich mir schon eine gute Hilfestellung.“ Denn noch habe der Disponent in der Leitstelle nur die Wahrnehmung über das gesprochene Wort. Rainer Dahm, Leiter des Kreisamts für Bevölkerungsschutz, ergänzt dazu: „Ein Bild von vor Ort eröffnet weitere Möglichkeiten, um eine sachgerechte Entscheidung für den Einsatz zu treffen.“ Etwa bei der Frage, wie viele Rettungswagen benötigt werden.

Um die Technik zu nutzen, brauchen die Anrufer keine besondere Anwendung auf ihrem Smartphone. „Sie müssen mit dem Internet verbunden sein, aber es reicht eine Geschwindigkeit von 3G“, erläutert Bertram. „Es war uns wichtig, dass die Software auf dem Handy automatisiert funktioniert.“ Sollten die Ortungsdienste auf dem Handy ausgeschaltet sein, kann der Leitstellendisponent das sehen und den Anrufer beim weiteren Vorgehen anleiten.

„Wir stehen kurz vor der Beauftragung“, sagt Bertram. Seit dem Frühjahr liefen die Vorbereitungen, derzeit sei noch etwas Feinarbeit nötig. Die Lizenz gelte zunächst für fünf Jahre – mit der Option auf Verlängerung. Der Kreis wolle nun Erfahrung damit sammeln, ergänzt er. Er geht davon aus, dass die Handyortung bei zehn bis 20 Einsätzen im Jahr die Hilfsfrist deutlich verbessern kann. Hinzu komme die Nutzung der Videofunktion. Die Kosten belaufen sich laut dem Leitstellenleiter auf 18.000 Euro jährlich. Bertram: „Das sind pro Einwohner im Rhein-Sieg-Kreis ungefähr drei Cent im Jahr.“

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