Gericht verurteilte 54-Jährigen Neffe verursacht Vermögenschaden in Höhe von 173.000 Euro

SIEGBURG · Hätte das Siegburger Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Ulrich Wilbrand nicht Milde walten lassen, wäre der 54-jährige Neunkirchener in Haft gegangen.

Die Staatsanwaltschaft hatte den Mann wegen schwerer Veruntreuung in 22 Fällen angeklagt. Auf Veruntreuung steht Haft nicht unter sechs Monaten. Der Angeklagte hatte sich in den Jahren 2013 und 2014 als Bevollmächtigter seiner pflegebedürftigen Tante an deren Konto bedient und einen Vermögensschaden in Höhe von rund 173 000 Euro verursacht. Weil der arbeitslose Hartz-IV-Empfänger noch nicht straffällig geworden war, ein Geständnis ablegte und tatsächlich auch bei der Pflege der Tante mitgeholfen hat, verurteilte ihn das Gericht zu zwei Jahren Haft auf drei Jahre Bewährung.

Die Tante des Angeklagten war vor 13 Jahren nach einem Narkoseschaden schwer pflegebedürftig geworden. Zunächst kümmerte sich der Angeklagte mit seiner mittlerweile von ihm geschiedenen Frau um sie. Sie wurde zunächst in verschiedenen Pflegeeinrichtungen betreut, zuletzt durch den DRK-Pflegedienst. Im Dezember 2013 kaufte der Angeklagte vom Geld der Tante ein Haus zum Preis von rund 200 000 Euro, um die Frau dort zu betreuen und selbst darin zu wohnen.

Richter Wilbrand sprach von rund 500 000 Euro, die in den 13 Jahren verschwunden seien. Ihm sei es schleierhaft, wieso diese Summen aus dem Vermögen der Tante ohne Rechtsgrund herausgenommen wurden. Worin die pflegende Tätigkeit denn bestanden habe, wollte Wilbrand wissen. Schließlich habe der Angeklagte angegeben, rund 5,5 Stunden pro Woche für die Betreuung der Kranken aufgewandt zu haben. 3600 Euro habe er schließlich an sich selbst überwiesen, dazu noch 1200 Euro für seine Krankenversicherung.

Sichtlich sauer erläuterte Wilbrand die "Folterwerkzeuge", die das Gericht anwenden könne. Und die Staatsanwaltschaft ergänzte noch, dass der Kauf eines großvolumigen SUV vom Geld der Tante an Dreistigkeit nicht zu überbieten gewesen sei. Richter Wilbrand zum Angeklagten: "Sie haben ihre Vorsorgevollmacht ausgenutzt, um daraus einen Selbstbedienungsladen zu machen. Wo ist das Geld geblieben?" Und er gab die Antwort gleich selbst: "Futschikato."

Schließlich begab sich der Mann mit seinem Verteidiger aus dem Gerichtssaal zu einer Besprechung. Nach Rückkehr erinnerte Wilbrand noch einmal daran, dass ein Geständnis hilfreich sein könne, mit einer Bewährungsstrafe davon zu kommen, und daran, dass das Verfahren durch die Verwandtschaft angestoßen wurde. "Da sind wohl Tischtücher zerschnitten." Das Geständnis folgte dann.

Die Staatsanwaltschaft erinnerte noch einmal an die mindest mögliche Strafe, plädierte schließlich aber auf zwei Jahre zur Bewährung, die Verteidigung auf ein Jahr. Das Schöffengericht setzte dann die zwei Jahre auf drei Jahre Bewährung aus. Richter Wilbrand sagte schließlich in seinem Schlusswort, es gebe Dummheit und Dreistigkeit. Aber die Pflege von Familienangehörigen sei schließlich auch eine Herzensangelegenheit im Rahmen des Generationenvertrages. Sicher habe der Angeklagte auch jahrelang geackert und möglicherweise Ansprüche erworben, aber auf falscher rechtlicher Grundlage. Dazu sei die Altersvorsorgevollmacht nicht gedacht.

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