Zahlen vom Kreisgesundheitsamt Mehr Krätzefälle im Rhein-Sieg-Kreis

Rhein-Sieg-Kreis · Krätzemilben sind auf dem Vormarsch. Betroffen sind Einrichtungen wie Kindertagesstätten, Schulen und Pflegeheime.

 Bläschen und Pusteln, die einen quälenden Juckreiz auslösen, sind ein deutliches Zeichen für eine Krätze. Dem Rhein-Sieg-Kreis wurden bis Oktober 2017 148 Fälle gemeldet, 34 mehr als im gesamten Jahr 2016. FOTO: DPA

Bläschen und Pusteln, die einen quälenden Juckreiz auslösen, sind ein deutliches Zeichen für eine Krätze. Dem Rhein-Sieg-Kreis wurden bis Oktober 2017 148 Fälle gemeldet, 34 mehr als im gesamten Jahr 2016. FOTO: DPA

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Sie sind höchstens einen halben Millimeter groß, doch die Wirkung der Milbe, wenn sie einen Menschen befällt, ist riesig: kleine Bläschen und Pusteln, quälender Juckreiz bis hinzu schmerzhaftem Brennen. Schon der Gedanke an die sogenannte Krätze (Scabies) dürfte aber bei vielen bereits Ekel auslösen. Wenn die Diagnose getroffen ist, reagieren Betroffene daher häufig mit Scham. „Niemand will in diesem Zusammenhang seinen Namen in der Zeitung lesen“, teilte eine Betroffene anonym dem General-Anzeiger mit. Sie berichtete von unerträglichem Juckreiz. Die Erkrankung, so die Frau weiter, sei ekelig und sogar schmerzhaft gewesen. „Und man bleibt ratlos mit großem Misstrauen gegenüber seiner Umgebung zurück“.

Wie berichtet, legen aktuelle Zahlen des Kreisgesundheitsamtes nahe, dass die Erkrankung auch im Rhein-Sieg-Kreis auf dem Vormarsch ist. Der Behörde wurden im vergangenen Jahr im Zeitraum bis Oktober 148 Infektionen gemeldet. 2016 waren es im gesamten Jahr lediglich 114 Fälle. Erfasst sind dabei nur Fälle in Gemeinschaftseinrichtungen wie Kindergärten, Schulen oder Pflegeheimen. „Der Anstieg dürfte vor allem auf die im Juli 2017 bundesweit eingeführte Meldepflicht zurückgehen“, sagte Rainer Meilicke, Leiter des Kreisgesundheitsamtes. Auch in der Vergangenheit sei es immer mal wieder zu Ausbrüchen gekommen.

Dass die Krätze-Milben jedoch tatsächlich vermehrt ihr Unwesen treiben, darauf weist unter anderem die Zahl der verschriebenen Medikamente gegen die Erkrankung hin. Wie das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) auf GA-Anfrage mitteilte, hat die Zahl der von niedergelassenen Ärzten verordneten Arzneimittel seit 2012 um mehr als das Dreifache zugenommen. Rechneten die gesetzlichen Krankenkassen vor sechs Jahren noch rund 79 000 Packungen der verschiedenen Scabies-Mittel ab, waren es 2015 bereits mehr als 200 000 und 353 000 im Jahr 2016.

Das WidO weist allerdings daraufhin, dass das 2016 neu auf den Markt gekommene Arzneimittel Scabioral den Anstieg zusätzlich befördert habe. Eben dieses Mittel, dass die Behandlung der Krätze durch Einnahme einer Pille möglich macht, ist derzeit nicht mehr verfügbar. Wie die Ärzte-Zeitung Anfang des Jahres berichtete, ist die Nachfrage nach einem bestimmten verschreibungspflichtigen Medikament zur Behandlung von Krätze aktuell so hoch, dass der Hersteller einen Lieferengpass meldete.

„Insgesamt, denke ich, haben wir im Fall der Krätze ein Problem“, sagt Torsten Hornung, Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten an der Uniklinik Bonn. Er und seine Kollegen stellten zwei bis drei Mal pro Dienst die Diagnose Scabies. „Wenn ich das mit der Zeit von vor zehn Jahren vergleiche, ist das eine deutliche Zunahme“, so Hornung. Typische Anfangssymptome der Erkrankung sind laut dem Arzt Juckreiz zwischen den Fingern, am Bauchnabel oder im Genitalbereich, vor allem nachts. Nur bei Menschen mit geschwächtem Immunsystem könne Krätze auch eine schwerwiegendere, hochansteckende Form annehmen. Eine Zunahme der Fälle sei seit dem verstärkten Zustrom durch Flüchtlinge zu beobachten, so der Mediziner. Das bestätigen auch das Kreisgesundheitsamt und das Robert-Koch-Institut.

Danach kämen Asylsuchende zum einen häufig aus Ländern, in denen die Milbe aufgrund der klimatischen Bedingungen weit verbreitet ist, zum anderen erhöhten gerade die Verhältnisse während der Flucht das Risiko, dass die Krätzemilben übertragen werden. „Sind viele Menschen auf engem Raum zusammengepfercht, ergibt das gute Bedingungen für die Krätzemilbe“, so Hornung. Besonders auffällig im Kreis: 77 der 148 gemeldeten Krätzefälle entfielen auf Seniorenheime. Die zeitintensive Pflege mit langem Haut-zu-Haut-Kontakt begünstige dort die Übertragung, so Meilicke. Eine Besonderheit bei den Milben: „Alkoholische Lösungen zur Händedesinfektion töten die Parasiten nicht ab, da hilft nur Händewaschen mit Seife“, so der Leiter des Kreisgesundheitsamtes.

Auch wenn gängige Medikamente den Parasiten innerhalb einiger Stunden unter der Haut schnell abtöteten, der Juckreiz halte meist länger an, zudem müssten einige Maßnahmen getroffen werden, um eine erneute Wiederansteckung auszuschließen, wie das Waschen der Kleidung bei 60 Grad oder das Absaugen von Teppichen und Sofakissen.

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