"Eine Stunde mit..." Mehr als nur ein Pflegeberuf

SIEGBURG · GA-Serie "Eine Stunde mit...": Azubine Kyara Buchholz im Siegburger Helios-Krankenhaus.

SIEGBURG. Kyara Buchholz betritt das Krankenzimmer. Mit klarer und kräftiger Stimme fragt sie die ältere Patientin nach ihrem Befinden. "Schauen Sie mich mal an", sagt sie und erklärt, dass sie nun die Decke wegnehmen und ihr beim Aufsetzen helfen werde. Alle Handgriffe sitzen. Die 17-Jährige macht eine Ausbildung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Patienten waschen, bewegen, versorgen - das gehört unter anderem zum Praxisteil im ersten Lehrjahr.

Es ist Mittagszeit auf Station 2 D, innere Medizin der Helios-Klinik in Siegburg. Bevor die Patientin ihr Essen bekommt, soll Kyara ihr den Blutzuckerspiegel und Blutdruck messen. Jeden Handgriff erklärt sie der Frau, die wegen einer Herzschwäche eingeliefert wurde.

Die Werte trägt sie in die Patientenakte ein. Jetzt muss die Patientin noch gewogen werden, dafür holt Kyara die Sitzwaage, die wie ein Rollstuhl geschoben werden kann. Zur Sicherheit fixiert sie die Rollen. Doch Kyara fällt noch eine andere Gefahrenquelle auf: die Socken. "Ich ziehe ihnen jetzt kurz die Schuhe an, damit sie uns nicht wegrutschen", sagt sie bestimmt und doch fürsorglich.

Sie konzentriert sich voll und ganz auf die Patientin und lässt sich nicht ablenken. Auch nicht, als die Abteilungsleiterin Barbara Neumann einen prüfenden Blick über ihre Schulter wirft. Warum sie denn am rechten Arm den Blutdruck gemessen habe, will sie wissen. "Weil die Patientin am anderen Arm Wassereinlagerungen hat", antwortet die Auszubildende und gibt der Frau etwas Wasser aus einer Schnabeltasse. Barbara Neumann nickt zustimmend.

"In der Ausbildung wird auch Wert darauf gelegt, dass sich die Pfleger in die Patienten hineinversetzen können", erklärt die Abteilungsleiterin. Da würden die Azubis sich gegenseitig auch einmal waschen und aus der Schnabeltasse trinken.

Der Pflegeberuf umfasst inzwischen auch Psychologie, Selbstmanagement, verschiedene Pflegeformen, beispielsweise die häusliche Pflege und eine intensive Betreuung und Beratung der Patienten. "Andere Menschen zu pflegen und gesunden zu sehen, macht mich glücklich", erklärt Kyara ihre Berufswahl und ergänzt, dass sie selbst wegen einer angeborenen Herzkrankheit viel in Krankenhäusern gewesen sei. "Die Krankenschwestern haben mir immer Mut gemacht, und das möchte ich jetzt weitergeben."

Nach der Routinekontrolle kann sie das Essen austeilen. Es gibt Schweinefleischstreifen süß-sauer mit Kartoffeln. Bevor sie den Raum verlässt, macht sie das Anwesenheitslicht aus. Jetzt wissen auch die Kollegen, dass keine Pflegeperson mehr im Raum ist. Das Piepen der Anwesenheitsbox und das Klingeln der Patienten schallt regelmäßig über den Flur.

Kyara hat heute die Frühschicht von 6 Uhr bis 14.45 Uhr. Die Spätschicht endet für die Minderjährige schon um 20 Uhr, anderthalb Stunden früher als für die Kollegen. Das verlangt der Jugendarbeitsschutz. Doch Verantwortung trägt sie schon jetzt. Ein Schrei hallt über den Flur. Kyara denkt nicht lange nach und läuft in Richtung der Lärmquelle. Ein anderer Kollege ist bereits vor Ort.

Derweil trifft ein neuer Patient aus der Notfallambulanz ein. Um Druckgeschwüre zu vermeiden, bekommt er eine Spezialmatratze. Mit einer anderen Krankenpflegerin zieht Kyara den Patienten vorsichtig auf das Bett mit der sogenannten Primo-Matratze, die anschließend aufgepumpt wird. Zuvor hatten sie die umstehenden Personen weggeschickt. "Die Privatsphäre der Patienten ist sehr wichtig", sagt Kyara.

Das gelte natürlich besonders für den Intimbereich. Auch scheinbar unangenehme Aufgaben, wie das Wechseln einer Inkontinenzhose, mache ihr Spaß. Schließlich seien die Patienten danach sauber und fühlten sich besser.

Der Umgang mit den Patienten fällt ihr leicht. Das bemerkt auch die Leiterin der Krankenpflegeschule Susanne Diehl. "Ich würde mich jederzeit von ihr pflegen lassen", sagt sie. Der Theorieunterricht findet im ehemaligen Schwesternwohnheim in der Humperdinckstraße statt. Statt einzelner Fächer gibt es Lerneinheiten, die in den jeweils fünf- bis sechwöchigen Praxisphasen vertieft werden können.

In Kyaras Jahrgang gibt es 15 Auszubildende. Gemeinsam mit einem Mitschüler schreibt sie eine Arbeit über eine sogenannte Schmerzgradskala. Auch in ihrer Arbeitsschicht muss sie immer wieder den Zustand der Patienten dokumentieren. Sorgfältig schreibt sie in die Patientenakte, ob sich die ältere Dame von Anfang an selbstständig aufrichten konnte.

Dass die Pflegepersonen daher den Patienten nicht immer direkt unter die Arme griffen, verstünden viele nicht. Dabei ist es gerade der Genesungserfolg der Patienten, der Kyara und ihre Kollegen motiviert. So ist es auch heute nach der Frühschicht, die pünktlich zum Mittagessen endet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort