Eine Stunde mit.... dem Friseur „Manchmal bin ich Friseur und Therapeut“

Siegburg · Der Haarprofi Kim Adelberg führt seit zwei Jahren seinen eigenen Salon in Siegburg. Außerdem hat er eine 24-Stunden-Hotline für Menschen mit Haarproblemen eingerichtet.

 Anna hilft tatkräftig mit, während ihr Friseur Kim Adelberg die Haare schneidet.

Anna hilft tatkräftig mit, während ihr Friseur Kim Adelberg die Haare schneidet.

Foto: Holger.Arndt

Kim Adelberg begrüßt seine nächste Kundin: „Na kleine Maus, wie geht es dir?“ Die kleine Maus ist Anna, sie braucht einen neuen Haarschnitt und kommt dafür mit ihrer Mama zu ihrem Stammfriseur. Adelberg hat seit zwei Jahren seinen eigenen Salon an der Siegburger Tönnisbergstraße. Der Friseur holt einen Kinderkittel, auf dem ein Motorrad drauf ist, legt ihn Anna um den Hals und nimmt die Schere in die Hand. Jetzt muss er sich konzentrieren, Anna zappelt viel und bewegt dabei auch mal ruckartig ihren Kopf.

„Ein Kinderhaarschnitt ist wie der Versuch, ein fahrendes Auto zu lackieren“, sagt Friseur Kim Adelberg scherzhaft und bittet Anna freundlich, ruhig zu sitzen. Der 39-Jährige ist schon seit 20 Jahren Friseur mit Leib und Seele. Auf seinen Traumjob sei er eher zufällig gestoßen, erzählt er. „Ich wollte mein Leben umkrempeln und etwas machen, das ich nie in Erwägung gezogen hätte.“ Vorher sei er Lkw-Fahrer und Elektroinstallateur gewesen. Kurzerhand habe er ein Praktikum gemacht bei dem Friseur, über dem er damals gewohnt hatte, und habe seine Passion darin gefunden.

Doch was macht das Friseurhandwerk für ihn zum Traumjob? „Es ist der Kontakt zu den Menschen. Meine Kunden vertrauen mir Sachen an, die sehr intim sind. Manchmal bin ich Friseur und Therapeut.“ Immer wenn seine Stammkunden kämen, nehme er auch an ihrem Leben teil, sagt der Siegburger. So sieht er auch Anna immer größer werden.

Sie kommt zu ihm, wenn ihr Pony zu weit ins Gesicht hängt und die Augen verdeckt. Trotz ihrer Zappelei, bewahrt Adelberg die Ruhe beim Schneiden. Es bringe nichts, nervös zu werden, das übertrage sich nur auf das Kind, so der Friseur. Dann hebt er Anna vom Stuhl und bewundert mit ihr den neuen Haarschnitt. „Schön siehst du aus“, sagt er ihr und sie gibt ihm Recht.

Neben dem Kontakt mit den Menschen, erfülle ihn im Beruf die Möglichkeit, Menschen noch schöner zu machen. „Für mich sind Menschen Rohdiamanten, die ich schleifen darf. Oft habe ich direkt die Frisur im Kopf, die genau zu dem Menschen passen würde“, sagt er. Dieses Auge habe er sich in vielen Urlauben angeeignet, in denen er in anderen Ländern und Friseurläden sein Handwerk weiter ausgearbeitet hat.

„Die großen Typveränderungen gibt es eher bei jüngeren Frauen“, weiß Adelberg aus Erfahrung. Die werden aber auch nur gemacht, wenn sich meine Kundinnen wirklich sicher sind. Haare liegen Adelberg am Herzen: Er hat eine 24-Stunden-Hotline eingerichtet, unter der man ihn bei „Haarnotfällen“ erreichen kann. Der skurrilste Fall sei ein Anruf aus Hamburg gewesen. Eine Frau sei beim Haarefärben eingeschlafen, die Chemikalien hätten ihr ein Drittel ihres Haares weggeätzt. „Ich habe sie am Telefon beraten, aber ich bekomme immer noch Gänsehaut, wenn ich davon erzähle.“

Beim nächsten Kunden Dieter Behle hat er keinen Haarnotfall und muss auch nicht beraten. „Seine Frisur könnte ich im Schlaf schneiden“, sagt Adelberg. Wehle kommt schon viele Jahre zu ihm, früher in den Salon an der Kaiserstraße, bei dem Adelberg angestellt war, jetzt in den eigenen Salon. „Beim Friseur ist das wie beim Arzt, den wechselt man nicht, wenn man zufrieden ist“, sagt Behle vom Friseurstuhl aus. Während ihm Adelberg den gewohnten Haarschnitt verpasst, tauschen die Männer sich aus. Sie Fachsimpeln über Selbstständigkeit, erzählen sich Witze und bringen sich auf den neusten Stand über ihr Privatleben.

Der Friseur nimmt sich Zeit. Behles Haarschnitt macht er mit der Schere und nicht mit dem Rasierer. Bei ihm gehe es nicht schnell und nicht ultra-günstig. Sein Handwerk sei eben Zeit und Geld wert. Mehr als eine halbe Stunde nimmt er sich für den 68-Jährigen. „Mein Salon soll eine Ruheoase sein. Das Leben draußen ist stressig, hier sollen die Kunden runter kommen und abschalten. Die eigene Pflege ist eben das Streicheln der Seele“, so Adelberg.

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