GA-Interview mit Jazzsängerin Lyambiko singt „Love Letters“ in Siegburg

Siegburg · Die Jazz-Sängerin und Echo-Preisträgerin aus der Schweiz singt zum Tag der Deutschen Einheit im Stadtmuseum. Im Interview mit dem GA erzählt sie über ihre musikalische Heimat und die Suche nach ihrem afrikanischen Vater.

 Schöne Frau mit ausdrucksstarker Stimme: Die Liebesbriefe ihrer Schwiegergroßeltern hat Lyambiko zu eigenen Songs verarbeitet.

Schöne Frau mit ausdrucksstarker Stimme: Die Liebesbriefe ihrer Schwiegergroßeltern hat Lyambiko zu eigenen Songs verarbeitet.

Foto: Uwe Arens

Eine Kiste voller Liebesbriefe inspirierte sie zu ihrem aktuellen Programm. Ihre „Love Letters“ sind intime Liebesbekenntnisse und erzählen auf eine wunderbare Art von Respekt und Hingabe, Entbehrung und einer unglaublichen Anziehungskraft. Lyambiko kommt ins Schwärmen, wenn sie davon erzählt. Und noch viel mehr, wenn sie mit ihrer einzigartigen, nuancenreichen Stimme davon singt. Spätestens seit sie 2011 als Echo-Klassik-Preisträgerin zur Sängerin des Jahres wurde, ist Lyambiko international bekannt. Vor ihrem Siegburger Auftritt am 3. Oktober sprach mit der in Thüringen aufgewachsenen Jazz-Sängerin über ihre musikalische Heimat, die Suche nach dem afrikanischen Vater und den Tag der Deutschen Einheit.

Sie gestalten demnächst in Siegburg das traditionelle Jazz-Konzert zum Tag der Deutschen Einheit. Was bedeutet Ihnen der Tag?

Lyambiko: Sehr viel ...(lacht)... eigentlich alles. Mit diesem Tag hat sich für mich alles grundsätzlich verändert. Sowohl beruflich als auch privat. Ich bin in der DDR groß geworden, in Thüringen. Meine Mutter hat mir über meinen Vater, der aus Tansania stammt, nie viel erzählen wollen. Mit 14 Jahren war ich zwar noch zu jung, um das System so richtig mitzubekommen. Aber ich konnte nicht zuletzt durch den Fall der Mauer nach Berlin gehen, war später mit meiner Band, einem amerikanischen Pianisten, einem kanadischen Bassisten und einem Hamburger Schlagzeuger auf Konzerttourneen unterwegs, habe dann meinen Mann bei einem Konzert in der Schweiz, in Zürich, kennengelernt. Und die Suche nach meinem Vater konnte ich 2003 endlich beenden.

Warum nannten Sie sich nach ihrem Vater, den Sie bis 2004 selber gar nicht kannten, und wie hat der Name Ihnen bei der Suche geholfen?

Lyambiko: Manchmal fügen sich die Dinge zueinander und dann glaubt man nicht mehr an Zufälle. Der Name sprach zu mir. Ich habe ihn immer als Teil meiner Identität gefühlt, aber von meiner Mutter nicht viel über ihn erfahren. Ein Konzertbesucher, der häufig nach Tansania reiste, sprach mich backstage nach einem Berliner Konzert an. Er war gekommen, weil der Name selten ist und er einen Mann mit dem gleichen Namen in Tansania kannte. 14 Tage später telefonierte ich das erste Mal mit meinem Vater in Englisch, er sprach sogar noch etwas Deutsch, und ein Jahr später trafen wir uns das erste Mal.

Sie fanden über Klassik und Pop letztlich zum Jazz. Sind das Ihre afrikanischen Wurzeln?

Lyambiko: Tatsächlich hat mein Vater auch gesungen und spielte mit einer Jazz-Band. Aber auch mein Großvater mütterlicherseits war Musiker.

Und wie kam es zum Song „Malaika“, den Sie auf Suaheli singen?

Lyambiko: Ich spreche die ostafrikanische Sprache Suaheli nicht, versuche aber, mich mit den afrikanischen und amerikanischen Einflüssen auf den Jazz auseinanderzusetzen. Ob es nun eigene Songs, oder Jazz-Klassiker sind – am Ende hoffe ich, dass man meine ganz eigene, europäische Art in der Interpretation erkennt.

2011 wurden Sie Sängerin des Jahres und gewannen den begehrten Echo-Jazz-Preis. Muss man den Jazz im Blut haben, oder kann man ihn lernen?

Lyambiko: Ich glaube, dass von beidem etwas da sein sollte. Das Talent ist genauso wichtig wie die Stimmausbildung. Und vor allem muss die Liebe zu dem, was man tut, da sein.

Ihr Programm heißt „Love Letters“, weil es sich auf Liebesbriefe bezieht, die Sie gefunden haben – Ihre eigenen?

Lyambiko: Nein. Mein Mann und ich haben uns tatsächlich nur E- Mails geschrieben. Uns ist aber auch klar geworden, dass das in der Tat ein Werteverlust ist, wenn man sich nicht mehr hinsetzt und etwas hinterlässt, was bleibend ist. Die Liebesbriefe, auf die ich mich in meinem Programm und mit meinem Song „Love Letters“ ganz konkret beziehe, sind ein Dachbodenfund. Sie stammen von meinen Schwiegergroßeltern Marta und Heinrich und entstanden zwischen 1933 und 1943. Sie erzählen von einer wunderbaren, großen Liebe, die auch einige Schwierigkeiten zu überwinden hatte.

Wie passen Sie die Briefe in Ihr Jazz-Programm ein?

Lyambiko: Natürlich erzähle ich etwas davon. In unseren eigenen Songs haben wir uns inhaltlich mit der Beziehung beschäftigt und dann aber auch Jazz-Klassiker aus der Zeit, wie „Close Your Eyes“, „Stardust“ oder „Someday My Prince Will Come“ zu der Liebesgeschichte in Bezug gesetzt. Das Ergebnis ist eine sensible, sehr intime Mischung, die das Publikum hoffentlich auch so berührt, wie uns.

Sie mischen Jazz-Klassiker mit eigenen Kompositionen. Was ist neu in Ihren eigenen Liedern?

Lyambiko: Ich glaube schon, dass wir alle durch die Musik geprägt sind, die uns in der Jugend begleitet hat. Für mich ist es Pop und Soul. Mein Pianist Marque Lowenthal kann ein gewisses Faible für Reggae nicht verleugnen.

Haben Sie nach Ihren Band-Projekten mit Gershwin, Nina Simone und den Liebesbriefen Ihrer Schwiegergroßeltern ein neues Projekt in Arbeit?

Lyambiko: Ja. Niemals hätte ich gedacht, dass ich mich mal mit Weihnachtsliedern auseinandersetze. Aber nun gehen wir ab Dezember mit traditionellen und jazzigen Christmas-Songs auf Tour.

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