Siegburger Innenstadt Lärm am Markt: Stadt will keinen Masterplan

Siegburg · Trotz Beschwerden der Anwohner: Die Stadt Siegburg will den Markt als lebendigen Veranstaltungsort erhalten und an ihrem bisherigen Kurs festhalten.

Wenn an lauschigen Sommerabenden Hunderte Besucher auf dem Siegburger Markt Open-Air-Konzerten zuhören oder an Wochenenden Großveranstaltungen besuchen, leiden andere. Zum Beispiel der Grünen-Ratsherr Hans-Werner Müller, selbst Marktanwohner. Er hat am Dienstag im Hauptausschuss der Stadt eine Diskussion über die Zahl und die Lautstärke der Veranstaltungen angestoßen – und bekam nicht viel Zuspruch. Die Stadt Siegburg will den Markt als lebendigen Veranstaltungsort erhalten und an ihrem bisherigen Kurs festhalten.

Wie berichtet, hatten die Grünen beantragt, einen Masterplan für Open-Air-Veranstaltungen zu erstellen, „in dem klar erkennbar ist, wie viele Veranstaltungen mit welcher Dauer im Jahr maximal genehmigt werden dürfen“. „Seit einigen Jahren ist der Markt zu einer Partymeile und Open-Air-Konzertzone verkommen, bei der das Ruhebedürfnis der Anwohner keine Rolle mehr zu spielen scheint“, beklagte Müller, der seit zwölf Jahren am Markt wohnt. Die Zahl der Veranstaltungen habe zugenommen, teils mit unerträglichem Lärm.

Im Ausschuss entfachte Müller – unterstützt von Fraktionskollegin Astrid Thiel – eine emotionale Debatte. Die begann damit, dass CDU-Fraktionschef Jürgen Becker die Befangenheit Müllers überprüfen lassen wollte. Seine Vermutung: Der Grüne soll in ein Verfahren involviert sein, das sich gegen die Stadt richten könnte. So hatte ein Anwalt bei der Verwaltung Informationen zum Thema Lärm abgefragt. Ob in eigener Sache oder im Auftrag von Anwohnern, ist unklar. Müller bestritt eine Beteiligung und warf Becker postwendend „geistige Brandstiftung“ in sozialen Netzwerken vor. Dort musste Müller nach Bekanntwerden des Antrags Kritik und Häme einstecken, auch von Politikern aus CDU, FDP und Jusos. „Unterste Schublade“, schimpfte Müller.

Der Masterplan, der den Grünen vorschwebte, sollte nicht zuletzt die Anwohner einbeziehen. Dem Vorschlag einer Bürgeranhörung konnten nur Raymund Schoen (Linke) und Helmut Fleck (Volksabstimmung) etwas abgewinnen. Bürgermeister Franz Huhn entgegnete, dass man neben den Anwohnern dann auch die Besucher der Veranstaltungen befragen müsste. „Ich bin gespannt, wie das ausgeht“, frohlockte Huhn.

Er und die Ausschussmehrheit sehen Veranstaltungen wie Konzerte, Feste oder Themenmärkte als Mittel, Siegburg als Einkaufsstadt attraktiv zu halten. Becker: „Wer das einschränkt, schadet der Stadt.“ Ähnlich Sigrid Haas (FDP): „Als ich 1978 nach Siegburg kam, war es eine langweilige Stadt. Heute ist Siegburg attraktiv und lebendig. Andere Städte sind neidisch auf uns.“ Michael Keller (SPD) sagte, er habe Verständnis für Anwohner, die sich am Lärm störten. „Wenn man aber einmal abwägt, dann gehen die Interessen der Stadt vor.“

Der jetzige Rahmen an Veranstaltungen sei angemessen, bekräftigte Huhn. Die Stadt hält sich nach eigenen Angaben an den Freizeitlärmerlass des Landes NRW. Die Grenzwerte – gemessen am Einwirkungsort – liegen demnach zwischen 8 und 20 Uhr bei 60 Dezibel (A), in den Ruhezeiten 6 bis 8 Uhr sowie 20 bis 22 Uhr sowie an Sonn- und Feiertagen bei 55 Dezibel (A) und nachts bei 45 Dezibel (A). Bei der Berechnung des Lärms am Tag zwischen 8 und 20 Uhr wird ein Mittelwert berechnet.

Der Erlass gewährt Kommunen 18 Veranstaltungen pro Jahr, die über diesen Lärmobergrenzen liegen – sogenannte seltene Ereignisse. Die Stadtverwaltung hat aus Kostengründen auf Lärmmessungen verzichtet; sie geht davon aus, dass 2015 nur drei Veranstaltungen lärmtechnisch als „seltenes Ereignis“ durchgingen: Weiberfastnacht, das Stadtfest und das Jugend- und Kulturfest. Nach eigenen Angaben hat die Stadt 2015 insgesamt 16 Veranstaltungen mit – das ist entscheidend – Lautsprecher- oder technischen Beschallungsanlagen genehmigt. Zwei dieser Veranstaltungen sind Konzertreihen, die im Sommer wöchentlich stattfinden: „Siegburg live“ und die Konzerte am „Casbah“. Becker gab der Verwaltung mit auf den Weg, bei Genehmigungen sorgfältig zu prüfen, „welcher Veranstalter was genau macht“.

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