Nachverfolgung von Infektionen Kreis will in der Corona-Krise Personal aus Rathäusern abziehen

Siegburg · Zur Nachverfolgung von Corona-Fällen sollen Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis Mitarbeiter an den Landrat abstellen. Und zwar für anderthalb Jahre. Daran üben Bürgermeister Kritik.

 Auf einem Parkplatz in Hennef werden Mundabstriche von Autofahrern genommen, um sie auf das Coronavirus zu testen.

Auf einem Parkplatz in Hennef werden Mundabstriche von Autofahrern genommen, um sie auf das Coronavirus zu testen.

Foto: Ingo Eisner

Nein, es geht nicht um kriminalpolizeiliche Aufgaben, die 120 Verwaltungsmitarbeiter aus den 19 Rathäusern im Rhein-Sieg-Kreis demnächst übernehmen sollen: Kontakterfassung, Ermittlung von Kontaktpersonen, Ermittlung von Verdachtspersonen. Es geht natürlich um die Eindämmung der Corona-Pandemie.

Um die Kontakte zwischen erkrankten Menschen und anderen Personen nachvollziehen zu können, braucht das Kreisgesundheitsamt Personal. Personal, das es derzeit nicht hat. Veranschlagt für diese Aufgabe sind insgesamt 150 Verwaltungsleute. Der Vorschlag, den der Leiter des Kreisgesundheitsamtes, Rainer Meilicke, vergangene Woche den Vertretern der 19 Kreiskommunen machte, sieht vor, dass die Kreisverwaltung für eineinhalb Jahre selbst 30 Mitarbeiter für die Kontaktverfolgung stellt, 120 Mitarbeiter sollen die Kommunen stellen, je 4000 Einwohner einen Mitarbeiter. Königswinter müsste beispielsweise acht Leute abstellen, Hennef zwölf, Rheinbach fünf.

Diese sollen am neuen EDV-Programm zur Kontaktverfolgung geschult werden und in der Regel im eigenen Rathaus arbeiten, sich bei Erkrankten in Quarantäne und deren Kontaktpersonen regelmäßig telefonisch nach deren Befinden erkundigen, Listen erstellen, diese pflegen und ans Robert-Koch-Institut weiterleiten. Sie sollen aber auch dort eingesetzt werden, wo großer Bedarf herrscht. Wie Landrat Sebastian Schuster betont, sollen die Mitarbeiter nur bei Bedarf eingesetzt werden: „Wenn in der Kontaktverfolgung nichts zu tun ist, können sie ihrem normalen Job nachgehen.“

Offen ist die Frage, welche Qualifikation die Mitarbeiter mitbringen müssen. Nach GA-Informationen sollen auch Schulsekretärinnen dafür in Frage kommen. In einer Testphase sollen drei noch nicht festgelegte Kommunen (eine kleine, eine mittelgroße, eine große) das Konzept durchspielen.

Großer Gesprächsbedarf zu diesem Thema herrscht nach Auskunft von Stefan Raetz aus Rheinbach, dem Sprecher der Bürgermeister des Rhein-Sieg-Kreises, zwischen seinen Amtskollegen und Landrat Sebastian Schuster. Dies habe er ihm auch per Mail signalisiert. Am Donnerstagmorgen sollen in einer Telefonkonferenz Details besprochen werden.

(Dieser Beitrag entstand in einer Kooperation aus WDR und GA.)

Bürgermeister üben Kritik

Raetz sagte dem GA, es sei ja unstrittig, dass die Kontaktverfolgung schneller und effizienter sein müsse, um das Virus einzudämmen. Dafür sei auch mehr Personal notwendig. „Drei Monate personelle Hilfe fürs Kreisgesundheitsamt, wie zunächst vereinbart, das kriegen wir hin. Aber eineinhalb Jahre bekommen wir nicht gestemmt“, so Raetz. Zumal die Zahl der Infizierten ja zum Glück zurückgehe. Momentan sehe er den Bedarf nicht. „Für zehn Quarantänefälle brauche ich keine zehn Leute. Sollte es bei der geplanten Abordnungsquote bleiben, lähmt das unsere Arbeit.“ Rheinbach müsste fünf von 120 Vollzeitkräften in der Kernverwaltung abstellen.

Sollte irgendwann eine zweite Infektionswelle kommen, könne man, so Raetz, ja immer noch flexibel reagieren. Im Übrigen sei die beschriebene Aufgabe eine Aufgabe des Kreises. Wenn Personal fehle, müsse das Land Personal schicken. „Aber die Kommunen stehen wieder am Ende der Kette.“ Der Königswinterer Bürgermeister Peter Wirtz müsste acht Leute aus seiner 300 Mitarbeiter umfassenden Verwaltung abstellen. Auch er kann sich nicht vorstellen, dass er diese Mitarbeiter für 18 Monate abstellt. „So einfach kann man Personal nicht abziehen“, sagt er. Das Ganze sei eher ein „theoretisches Konstrukt“. Er wertet den Vorschlag des Kreises als „Bitte um Hilfe“, er sei für die Kommunen aber nicht verpflichtend.

Für den Hennefer Bürgermeister Klaus Pipke sind noch zu viele Fragen offen. „Wir brauchen ein Konzept und klare Zuständigkeiten. Wir müssen am Donnerstag noch viel mehr ins Detail gehen. Hennef müsste aus seiner 400 Mitarbeiter starken Verwaltung zwölf Leute abstellen. „Ich bezweifle, ob die derzeit wirklich gebraucht werden“, so Pipke.

Der Alfterer Bürgermeister Rolf Schumacher sagte, die Eindämmung des Virus müsse gelingen. Bei dieser Aufgabe werde man den Kreis gerne unterstützen.

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