Gedenkstätte wird weiterentwickelt Kreis modernisiert Museum zum jüdischen Leben

RHEIN-SIEG-KREIS · Das 200 Jahre alte Wohnhaus der Familie Seligmann in Windeck, die Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“, wird zurzeit saniert. Bis zur Wiedereröffnung soll es auch ein neues Ausstellungskonzept erhalten.

 Der Schabbatraum der Familie Seligmann: Er gehört zu den wenigen Ausstellungsbereichen, die nicht verändert werden.

Der Schabbatraum der Familie Seligmann: Er gehört zu den wenigen Ausstellungsbereichen, die nicht verändert werden.

Foto: HOLGER ARNDT GENERAL-ANZEIGER

Die Räume sind leer, Möbel und andere Ausstellungsstücke, die seit 1994 im früheren Wohnhaus der Familie Seligmann das jüdische Leben in der Region dokumentierten, sind eingelagert. Statt Besuchern gehen Handwerker seit Herbst 2016 in der Gedenkstätte „Landjuden an der Sieg“ in Windeck-Rosbach ein und aus.

Das Museum ist geschlossen, denn, wie berichtet, ist das mehr als 200 Jahre alte Gebäude in einem desolaten Zustand. Zurzeit lässt der Rhein-Sieg-Kreis die Schäden beheben, doch nicht nur das: „Die Sanierung war die Gelegenheit, die Ausstellung zu modernisieren“, sagt Kreisarchivarin Claudia Arndt, die für die Gedenkstätte zuständig ist. Seit deren Eröffnung vor 24 Jahren sei sie nie neu konzipiert worden. Inzwischen gebe es viele neue Erkenntnisse, die Museumspädagogik und die Möglichkeiten der Präsentation hätten sich verändert, so Arndt.

In den neun Räumen waren bislang Reproduktionen von Fotos und Schriftstücken in Glasvitrinen ausgestellt. „Die waren der Statik des Gebäudes nicht zuträglich.“ Deswegen werde die Gedenkstätte auf neue Wege der Präsentation setzen wie digitale Medien, Filmdokumente und interaktive Darstellungsformen, die die Besucher einbeziehen. Ein erster Entwurf für die neue Ausstellung liegt vor.

Wände waren verfault, Balken verrutscht

Statische Probleme und Feuchtigkeit in der Bausubstanz machten die Sanierung des denkmalgeschützten Fachwerkhauses unabdingbar. „Risse haben gezeigt, dass sich der Bau gesetzt und verschoben hatte“, erklärt Alexandra Koch von der Gebäudewirtschaft des Kreises. 2015 begannen Voruntersuchungen zum Zustand des Hauses, das um das Jahr 1800 errichtet und anschließend um mehrere Anbauten erweitert wurde.

„Die Mittelwand zwischen Gedenkstätte und dem benachbarten Wohnhaus war regelrecht weggefault“, so Koch. Inzwischen sei sie erneuert. Ebenso Balken, die aus der Verankerung gerutscht waren. Weitere Arbeiten stehen aus. „Die große Herausforderung ist dabei der Denkmalschutz“, sagt Arndt.

„Dass es eine bauliche und konzeptionelle Erneuerung der Gedenkstätte gibt, war in der Verwaltung wie auch in der Politik nie umstritten“, betont Kreiskulturdezernent Thomas Wagner. Auf etwa 240 000 Euro schätzt er allein die Kosten für die neue Ausstellung. Die können in großen Teilen über Mittel des ehemaligen Schullandheimvereins, des Fördervereins der Gedenkstätte und des Landschaftsverbandes Rheinland (LVR) gedeckt werden. Zudem gebe es weitere Förderanträge.

Das Leben der früheren Bewohner wird erzählt

„Bei der Neuausrichtung müssen wir die baulichen Voraussetzungen mitdenken“, sagt Ulrich Hermanns vom beauftragten Fachbüro. Daher sei es sinnvoll, die Gedenkstätte so instand zu setzen, dass sie dem Ausstellungskonzept gerecht werde. In inhaltlichen Fragen stimme er sich eng mit Kreisarchivarin Claudia Arndt und dem eigens eingerichteten Beirat ab. Dem gehören neben Mitarbeitern des Kreises eine Vertreterin des LVR, die Vorsitzenden des Fördervereins der Gedenkstätte, zwei Lehrerinnen der Gesamtschule Hennef Meiersheide sowie Jutta und Manuel Seligmann an.

„Wir wollen auf unaufdringliche Weise einen Ort schaffen, der Kultur vermittelt“, sagt Michael Solf, Vorsitzender des Fördervereins. „Die Stärke des Hauses ist seine Authentizität“, ergänzt Ulrich Hermanns. Über die Biografie der Familie Seligmann würden die Besucher, darunter viele Schüler, emotional erreicht. Sie erfahren etwas über die Lebens- und Kulturwelt der Familie vor, während und nach dem Holocaust – und damit auch über die historische Entwicklung.

„Bislang endet die Ausstellung 1945“, sagt Arndt. Künftig beleuchtet sie auch die Zeit danach – denn ein Teil der Familie kehrte nach Windeck zurück und zeigte die Windecker an, die am Synagogenbrand in der Gemeinde beteiligt waren. Nicht alles in der Ausstellung wird neu sein. „Was das authentische Leben der Familie Seligmann zeigt, bleibt“, erklärt Hermanns. Etwa der Schabbatraum und die originalgetreue Werkstatt. Im Spätsommer 2019 soll die Sanierung abgeschlossen sein – 25 Jahre nach der Eröffnung.

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