Geburtshilfe im Rhein-Sieg-Kreis Hebammen fürchten um ihren Beruf

RHEIN-SIEG-KREIS · Steigende Haftpflichtprämien bedrohen auch in der Region die Existenz vor allem der freiberuflichen Hebammen. Prämien sind auf fast 7000 Euro gestiegen.

 Hebamme aus Leidenschaft: Lisa von Reiche mit Juliane (links) und Magnus.

Hebamme aus Leidenschaft: Lisa von Reiche mit Juliane (links) und Magnus.

Foto: Nadine Quadt

Zwei Tage nach dem positiven Schwangerschaftstest hat Julianes Mutter sich schon um eine Hebamme bemüht. „Ich hatte Sorge, dass ich sonst keine finde“, sagt die Troisdorferin. Befürchtungen, die auch die drei anderen Mütter hatten, die zum Nachtreffen in die Bonner Hebammenpraxis Storch und Co. gekommen sind.

Sorgen, die ihnen Lisa von Reiche und ihre Kollegin nehmen konnten. Noch. Ob das auch in Zukunft so bleibt, ist nach wie vor fraglich. Die Prämien für die unabdingbare Haftpflichtversicherung steigen weiter. Die Krankenkassen zahlen einen Ausgleich, um die Hebammen zu entlasten. Der deckt die Kosten aber bei Weitem nicht – und ist an Bedingungen geknüpft, die Lisa von Reiche als „Katastrophe für die Planungssicherheit“ bezeichnet.

„Es ist eine Schikane, wie mit unserer Arbeit umgegangen wird“, sagt Lisa von Reiche, die seit 25 Jahren als freiberufliche Hebamme in der Region arbeitet und als Schatzmeisterin im Verein Hebammen für Deutschland für finanzierbare Arbeitsbedingungen kämpft. Die Kosten für die Haftpflichtversicherung seien innerhalb von 16 Jahren von 413 auf jetzt 6843 Euro im Jahr gestiegen.

"Der Sicherstellungszuschlag hat für unsere Praxis eine Erleichterung von etwa 1000 Euro gebracht, den Rest zahlen wir selbst“, sagt Lisa von Reiche. Über den Sicherstellungszuschlag zahlen die Krankenkassen den Hebammen einen Ausgleich, unter, so von Reiche, „willkürlichen, nicht evidenzbasierten Bedingungen“. Das hat 2015 eine Schiedsstelle festgelegt, die Hebammenverbände und Krankenkassen in ihren Verhandlungen angerufen hatten. Der Hebammenverband klagt gegen diesen Schiedsspruch.

"Ich möchte keine Fremdbestimmung"

„Die Entscheider haben keine Ahnung vom Arbeitsalltag einer Hebamme“, sagt Lisa von Reiche. Sie würden mit ihrem Beschluss die Rechte der Frauen und der Hebammen beschneiden. „Den Eltern geht ein verbrieftes Recht auf freie Wahl von Hebamme und Geburtsort verloren“, sagt sie. Und den Hebammen ein weiteres Stück Planungssicherheit. Darunter leide auch die Geburtshilfe in der Region, die Versorgung sei mangelhaft: „Die freie Wahl des Geburtsortes besteht nicht mehr und auch für die Wochenbettbetreuung stehen nicht genug Hebammen zur Verfügung“, sagt von Reiche. Viele ihrer Kolleginnen haben schon aufgegeben. All dies wirke sich auch zunehmend belastend auf die klinische Geburtshilfe aus. In Bonn und im Rhein-Sieg-Kreis arbeiten derzeit etwa 200 freiberufliche Hebammen.

„Ich möchte keine Fremdbestimmung bei ganz intimen Momenten“, sagt die Mutter von Magnus. Sie hat ihre drei Kinder bewusst zu Hause zur Welt gebracht. In ihrer letzten Schwangerschaft sei sie sehr beunruhigt gewesen. „Ich hatte Angst, ob es überhaupt noch Hebammen gibt, die Hausgeburten machen“, sagt die Frau aus Alfter.

Ein Gefühl, das auch die Mutter von Aaron Emre kennt. „Ich habe mich schon in der fünften Woche bei Lisa gemeldet“, sagt die Troisdorferin. Ihr Sohn sollte wie die große Schwester zu Hause zur Welt kommen. Beide sind froh, dass sie die Gelegenheit hatten, selbst zu entscheiden, wie und wo ihre Söhne geboren werden. Magnus Mutter hat indes eine der Bedingungen, die an eine Hausgeburt geknüpft sind, erfüllen müssen: Da Magnus den errechneten Geburtstermin um drei Tage überschritten hatte, musste sie zu einem Gynäkologen. So sieht es der Schiedsspruch vor. „Das kann ich nicht nachvollziehen“, sagt sie.

Mütter sind sich einig

„Ich möchte nicht im Krankenhaus unter Wehen erklären müssen, wer ich bin“, sagt Julianes Mutter. Das habe sie bei ihrem ersten Kind erlebt und beschlossen, dass es so nie wieder sein soll. Es sei ihr wichtig, eine vertraute Person an ihrer Seite zu haben, bei der man nicht viele Worte verlieren müsse. So war es bei ihren vier anderen Kindern, die sie wie Juliane im Sieglarer Krankenhaus geboren hat – mit Lisa von Reiche, die dort als Beleghebamme arbeitet.

„Was sollen Frauen machen, wenn es keine Hebammen mehr gibt, die sich vor, während und nach der Geburt um sie und ihre Kinder kümmern“, sagte die Mutter von Jaron. Die Beuelerin schätzt die Arbeit sehr hoch: „Hier wird bei Vorsorgeuntersuchungen auch einfach mal die Hand auf den Bauch gelegt, mit dem Baby gesprochen und mit mir“, sagt sie. Alle Mütter sind sich einig: „Die Bezahlung der Hebammen steht in keinem Verhältnis zu ihren Leistungen und ihrer Verantwortung.“

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