Vorfahren auf der Spur Günter Knüttgen ist Nachkomme der berühmtesten Siegburger Töpferfamilie

SIEGBURG · Es war im Sommer, kurz nach dem Krieg, als der zwölfjährige Günter Knüttgen die Ohren spitzte. Die ganze Familie hatte sich auf dem Hof seines Vaters in Hennef getroffen. Die Sonne schien, die Erwachsenen hatten Tisch und Stühle ins Freie geschleppt, saßen zusammen und erzählten.

 Günter und Margrit Knüttgen mit jahrhundertealtem Steinzeug

Günter und Margrit Knüttgen mit jahrhundertealtem Steinzeug

Foto: Paul Kieras

Der zwölfjährige Junge horchte auf, als es um die alte Töpferfamilie Knütgen aus Siegburg ging. Seitdem sind mehr als sechs Jahrzehnte vergangen - losgelassen hat Günter Knüttgen das Thema nie.

Der heute 78-Jährige wohnt mit seiner Frau Margrit in Siegburg - der Stadt, in der seine Vorfahren das bis heute ruhmreiche Töpferhandwerk vom 15. bis zum 17. Jahrhundert mit beherrschten. Der pensionierte Lehrer wühlte sich durch Keller und Kisten, forschte in Archiven und wälzte Geschichtsbücher, um seinen Töpfer-Wurzeln auf die Spur zu kommen, erstellte sogar eine eigene Familienchronik. Einen linearen Stammbaum gibt es nicht: "Die Familienverhältnisse lassen sich heute nicht mehr so klar rekonstruieren", sagt Günter Knüttgen.

Er weiß also nicht, wie genau er mit dem heute als bedeutendster Vertreter der Familie geltenden Anno Knütgen verwandt ist. Trotzdem: Die Verbundenheit ist so groß, dass die Knüttgens ihren jüngsten Sohn Anno nannten.

Dass Günter Knüttgen die Töpfer-Gene in sich trägt, wurde spätestens deutlich, als er bei einem Ausflug an die Mosel gemeinsam mit seiner Frau die Burg Eltz besichtigte und zufällig auf einen weiteren Knütgen-Nachfahren traf. "Als die beiden sich gegenüberstanden, war das nahezu unheimlich: das gleiche Profil", berichtet Margrit Knüttgen von der ungewöhnlichen Begegnung.

Auch die 79-Jährige ist infiziert vom "Töpfer-Fieber" und hat den spannenden Geschichten um die Familie sogar einen Roman gewidmet. Darin geht es um Hexenverfolgung, um Verrat und Verlust, um Streit und Gefechte und darum, wie die Siegburger Töpfer sich immer wieder behaupten konnten.

Schon zur Gründungszeit der Stadt im elften Jahrhundert waren in Siegburg nachgewiesenermaßen Töpfer angesiedelt. Das reiche Tonvorkommen dürfte dafür ausschlaggebend gewesen sein: "In diesem Handwerk zog der Handwerker zu seinem Arbeitsmaterial; der Transport von Rohton zu entfernt liegenden Arbeitsstätten war undenkbar", schreibt Stadtarchivarin Andrea Korte-Böger 2007 in der Ausgabe der Siegburger Blätter, die sich anlässlich einer Ausstellung im Stadtmuseum mit den Siegburger Töpferern beschäftigte.

Zunächst arbeiteten die Handwerker in Kaldauen und auf dem Brückberg, zogen bald aber mit ihren Werkstätten in eine eigene kleine Vorstadt: die Aulgasse, heute noch im Stadtbild durch die gleichnamige Straße erkennbar. Der Name Aulgasse leitet sich vom lateinischen "ola" (Topf) ab, die Siegburger Töpfer nannten sich selbst auch "Ulner" oder "Eulner". Als dort, an der Aulgasse 8, später neu gebaut wurde, gruben die Arbeiter eine Töpferwerkstatt der Familie Knütgen aus.

Im 15. Jahrhundert schlossen sich die Siegburger Töpfer zu einer Zunft unter Kontrolle des Siegburger Abtes zusammen, die bis ins 18. Jahrhundert geltende Zunftordnung ist noch heute erhalten. Ihre strengen Grundsätze bewirkten, dass die Steinzeugproduktion der Stadt über Jahrhunderte fest in der Hand weniger Familien war - neben den Knütgens waren die wichtigsten die Familien Vlach, Omian und Simons.

Das Steinzeug aus Siegburg war in ganz Europa beliebt und bekannt und wurde vor allem von Kölner Kaufleuten in den großen Hansestädten und im Nordseeraum verkauft. Das berühmteste Erzeugnis der Siegburger Werkstätten ist die "Siegburger Schnelle", ein reich verziertes, oft mit religiösen oder mythologischen Szenen versehenes Gefäß, das unter anderem von Christian Knütgen angefertigt wurde.

Im 17. Jahrhundert jedoch war es mit der Blütezeit der Siegburger Töpfer und somit auch der Familie Knütgen vorbei. Als schwedische Truppen nach dem Dreißigjährigen Krieg in Siegburg einfielen, kam den Töpfern eine besondere Bedeutung zu: "Sie mussten im Kriegsfall die Abtei verteidigen", berichtet Günter Knüttgen, "und dabei zuschauen, wie ihre Aulgasse zerstört wurde." Für die 1630er Jahre sind zudem mehrere Hexenprozesse gegen Mitglieder der Familie Knütgen überliefert: So ließ im Jahr 1638 Hexenjäger Franz Buirmann Töpfermeister Dietrich Kneutgen auf dem Scheiterhaufen verbrennen. Das Eigentum der Töpfer fiel daraufhin an die Kirche, so dass die Familie immer weiter verarmte.

So waren die Knütgens schließlich gezwungen, nach Troisdorf-Altenrath überzusiedeln. Dort stellten sie noch bis zum Ende des 17. Jahrhunderts Töpferwaren her. Und fast 200 Jahre später stieß ein zwölfjähriger Junge in Hennef auf die Wurzeln seiner Familiengeschichte. Fest steht: Sie wird ihn noch lange beschäftigen: "Es gibt noch einiges zu erforschen", sagt Knüttgen.

Ausstellung in Düsseldorf

Noch bis zum 2. März läuft im Düsseldorfer Hetjens-Museum eine Ausstellung zum Schaffen der Siegburger Töpfer unter dem Titel "Schöner trinken. Siegburger Steinzeug als Schmuck der Tafel". Gezeigt werden Krüge und Becher aus Siegburger Steinzeug, im Mittelalter das begehrteste Trinkgeschirr Europas. Infos gibt es auf www.duesseldorf.de/hetjes.

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