20-Jähriges Bestehen Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg" feiert 2014 Jubiläum

RHEIN-SIEG-KREIS · Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg", die 1994 vom Kreisarchiv im ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Familie Seligmann eingerichtet wurde. Bis heute haben Zehntausende Besucher die Gedenkstätte besucht. Im nächsten Jahr feiert die Gedenkstätte bereits ihr 20-jähriges Bestehen.

Es ist ein schmuckes Fachwerkhaus, das da an der Bergstraße im idyllischen Windeck-Rosbach steht. Dennoch steht dieses Gebäude exemplarisch für das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte, das von Nationalsozialismus, Rassenhass, Vertreibung und Ermordung geprägt war. Die Rede ist von der Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg", die 1994 vom Kreisarchiv im ehemaligen Wohnhaus der jüdischen Familie Seligmann eingerichtet wurde. Bis heute haben Zehntausende Besucher die Gedenkstätte besucht. Im nächsten Jahr feiert die Gedenkstätte bereits ihr 20-jähriges Bestehen.

Wer das Haus betritt, dem fällt von den neun Zimmern vor allem der geschmackvoll und originalgetreu eingerichtete Schabbatraum mit der gedeckten Tafel ins Auge. Auf Anrichten stehen Menorot. Die siebenarmigen Kerzenleuchter sind eines der vielen Indizien dafür, dass hier einmal eine jüdische Familie gelebt hat. Auf dem Tisch befinden sich zwei zugedeckte Zupfbrote (Challot), das Challamesser sowie sogenannte Kidduschbecher und Wein. Über den im Kidduschbecher aufbewahrten Wein und über Brot wird der Kiddusch (Segensspruch) gesprochen.

Man kann sich gut vorstellen, wie die Familie Seligmann sich hier jeden Freitag auf den wichtigsten Feiertag der Juden, den Sabbat, vorbereitete. Zahlreiche Exponate in Vitrinen, darunter viele Fotos und Texte über die Geschichte der Seligmanns und über das jüdische Leben an der oberen und unteren Sieg, über die jüdische Religion und die Feiertage, aber auch Modelle von Synagogen wie der in Rosbach runden die Ausstellung ab. Vor der Tür sind überdies die Stolpersteine des Kölner Künstlers Gunter Demnig verlegt.

Das Haus, in dem mehrere Generationen der Familie Seligmann lebten, wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gebaut. Metzgermeister Moses Seligmann kaufte 1919 für seinen Sohn Max und dessen Ehefrau Maria das Haus an der Bergstraße. Max, der während des Ersten Weltkrieges Soldat war, verdiente den Lebensunterhalt für sich und seine Familie als Altwarenhändler. Moses Seligmann starb 1931 noch vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten. Der älteste Sohn Alfred flüchtete 1938 mit seiner Frau Hilde nach Argentinien. Alfreds Geschwister sowie deren Ehepartner und Kinder wurden Opfer des nationalsozialistischen Terrors. Die Eltern Max und Maria überlebten den Holocaust und bezogen bald nach Kriegsende wieder ihr Haus in Rosbach. Ihr einziger überlebender Sohn Alfred und seine Familie kehrten 1957 aus Argentinien zurück. Die im Exil geborenen Enkel José und Ricardo besuchten die Rosbacher Volksschule, die Enkelin Mariana blieb in Argentinien, wo sie noch heute lebt.

1961 verlegten Alfred und Hilde Seligmann gemeinsam mit den Söhnen ihren Wohnsitz nach Bonn. Die Eltern blieben in ihrem Haus in Rosbach, wo Maria am 29. März 1971 starb. Max Seligmann verbrachte seine letzten Jahre in einem Bonner Altenheim und starb dort am 19. Mai 1974. Im gleichen Jahr verstarb auch sein Sohn Alfred.

Bereits im Februar 1980 wurde im Kreistag auf Anregung aller Fraktionen der Antrag gestellt, eine Ausstellung über die Geschichte der Juden im Rhein-Sieg-Kreis zu erarbeiten. Die Ausstellung, konzipiert vom damaligen Kreisarchivar Heinrich Linn, wurde 1983 im Kreishaus gezeigt. Ende 1987 nahm Hilde Seligmann Kontakt mit Linn auf, da sich das Haus ihrer Schwiegereltern in einem nicht sehr guten Zustand befand. Renovierungskosten sowie weitere Kosten für die Erneuerung der Kanalisation seien von ihr nicht aufzubringen. Ein Verkauf des Hauses kam für sie nicht infrage. Daher brachte sie die Idee ins Gespräch, in dem Haus eine Ausstellung zum Thema Juden einzurichten.

Der Kulturausschuss entschied sich in seiner Sitzung vom 7. November 1988 für den Standort Rosbach. Anlässlich der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Novemberpogrome von 1938 am 9. November 1988 gab der damalige Windecker Bürgermeister Adolf Wienand diesen Beschluss im Haus Seligmann der Öffentlichkeit bekannt. 1989 starteten die Bauarbeiten, 1994 fand die Einweihung statt. Die Stifterin Hilde Seligmann, die 1996 verstarb, stellte zahlreiche Dokumente und Fotos für die Ausstellung zur Verfügung. Nebenan entstand überdies ein großer Vortragsraum, in dem bereits Ignaz Bubis und Paul Spiegel zu Gast waren.

Als Gastrednerin für eine Gedenkstunde anlässlich des 75. Jahrestages der Novemberpogrome hat sich für den 9. November die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth in Rosbach angekündigt.

Information

Die Gedenkstätte "Landjuden an der Sieg", Bergstraße 9, in Windeck-Rosbach ist jeden Mittwoch von 14 bis 16 Uhr sowie jeden dritten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr sowie nach Vereinbarung geöffnet.

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