Hochschule Bonn-Rhein-Sieg Experten prüfen die Qualität von Backwaren

SANKT AUGUSTIN · Frisch gebacken, kross im Aufschnitt, knusprig in der Krume und fluffig-zart in seinem Inneren: Das perfekte rheinische Schnittbrötchen ist Kunst, eine Wissenschaft für sich und auch ein Gradmesser für die Zufriedenheit der Kunden mit ihrem Bäcker.

 Drücken, riechen, schmecken: Walter Schlösser (links) und Karl-Heinz Schmalz testen Brötchen.

Drücken, riechen, schmecken: Walter Schlösser (links) und Karl-Heinz Schmalz testen Brötchen.

Foto: Heinemann

Denn Brötchen sei nicht gleich Brötchen, Brot nicht gleich Brot, sagt Obermeister Bernhard Rott von der Bäckerinnung Bonn/Rhein-Sieg: "Bei den Bäckern vor Ort steckt noch echtes Handwerk drin." Ein Handwerk, das auf eine Jahrhunderte alte Tradition zurückblickt, stolz ist auf mehr als 3000 Brotsorten im Deutschen Brotregister und dem es doch händeringend an Nachwuchs fehlt. Bei der öffentlichen Brot-, Brötchen- und Stollen-Prüfung der Innung in der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg machte die Innung auf sich, ihre Bäcker und deren Qualitätsware aufmerksam.

Für Karl-Heinz Schmalz bedeutet dies: drücken, riechen, ziehen, schmecken und notieren im Akkord. Er ist einer von drei bundesweiten Prüfern des Deutschen Bäckerhandwerks. Ein Wertungsschema hilft ihm, die eingereichten Backwaren mit Punkten zu bewerten. "Natürlich geht es um die Wertung. Aber in erster Linie wollen die Bäcker unsere Beratung", erklärt Schmalz, während er ein Chia-Samenbrot prüft.

Chia-Samen kommen aus Südamerika, gelten dank hohem Calciumgehalt, viel Eiweiß und ungesättigten Fettsäuren als "Superfood" und sind im Brot derzeit voll im Trend. Auch dunkle Roggenbrote wie das "90/10" mit 90 Prozent Roggen und zehn Prozent Weizen sind des Rheinländers Lieblinge.

"Brotgewürze sind dagegen tabu, bei Kümmel, der in Österreich in nahezu jedem Brot beheimatet ist, hört beim Rheinländer der Spaß auf", sagen Prüfer Schmalz und Obermeister Rott unisono. Bei der Prüfung stehen der Geschmack, aber auch die Handwerkstechnik im Vordergrund - wenngleich auch ein handwerklich nicht ideal bewertetes Brot ein echter Kassenschlager sein könne, sagt Schmalz: "Letztlich entscheidet der Kunde an der Ladentheke, was ihm schmeckt." Diesen Geschmack zu treffen, das sei mitunter schwierig: "Selbst innerhalb einer Filiale kann dem einen Kunden das Brötchen zu groß, dem anderen wieder zu klein sein."

"Wie groß Brötchen werden, das lässt sich im echten Handwerk nur schwer vorhersagen", spricht der Obermeister aus der Praxis: "Die Eigenschaften des Mehls variieren stark, jedes Jahr muss man sich aufs Neue darauf einstellen. Aber auch die Knetzeiten, die Gärung, die Ruhe- und Backzeiten und natürlich die Temperaturen des Teigs sind entscheidend. Eine offenstehende Tür zur Backstube merkt man ebenso wie den heißen Sommer, in dem wir Eiswürfel mit zum Teig geben müssen." Daher sollte man die Gelegenheit, sich Rat beim Fachmann einzuholen, auch nutzen, sagt Bäckermeister Thorsten Bröhl aus Troisdorf: "Für mich ist das unglaublich wichtig zu wissen, ob und was wir optimieren können." Denn die Konkurrenz schlafe nicht, auch nicht bei den Discountern.

Dass deren Backwaren nicht selten aus Asien importierte und später aufgebackene Teigrohlinge sind, wüssten viele Kunden nicht, erklärt Obermeister Bernhard Rott: "Die Verschiffung kostet umgerechnet auf ein Brötchen kaum einen halben Cent. Die Backwaren fühlen sich warm an und oft verwechseln die Kunden eine weiche Krume von Brötchen und Brot auch noch mit Frische." Ein Trugschluss und meist dem zugesetzten Fett geschuldet, klärt Prüfer Karl-Heinz Schmalz auf: "Durch weiche Krumen entweicht die Feuchtigkeit, die der Bäcker zuvor mühsam in den Teig gebracht hat, besonders schnell."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort