Interview mit Künstlerin Helga Rostock "Es hat die Ärmsten der Armen getroffen"

Vor vier Jahren war Helga Rostock das erste Mal in Nepals Hauptstadt Kathmandu. Vergangenes Jahr reiste die Keramik- Künstlerin aus Sankt Augustin erneut für zwei Monate dorthin. Rostock, 71, ist im Auftrag des Senior Expert Service (SES) in Bonn unterwegs. In Nepal hat sie etwa in der Association for Craft Products (ACP) die Arbeitsabläufe optimiert.

 Interview mit Künstlerin Helga Rostock. Die Sankt Augustinerin hat zweimal in Nepal die Produktion unterstützt

Interview mit Künstlerin Helga Rostock. Die Sankt Augustinerin hat zweimal in Nepal die Produktion unterstützt

Foto: GA

ACP ist ein Zusammenschluss, der verschiedene Produkte aus Filz, Kupfer, Holz oder Keramik für Eine-Welt-Läden in der ganzen Welt produziert. Matthias Hendorf sprach mit Helga Rostock über das Erdbeben in Nepal, ihren Kontakt in die Region und wie sie den Menschen helfen möchte.

Wie haben Sie von der Erdbebenkatastrophe mit mehr als 7000 Toten in Nepal gehört?

Helga Rostock: Ich habe mich an diesem Samstag gerade auf einen Vortrag über Nepal am folgenden Montag vorbereitet, als eine Bekannte mich anrief und mir von dem Erdbeben der Stärke 7,8 erzählte. Als ich 2011 in Nepal war, hatte ich ein Erdbeben der Stärke 5,8 miterlebt - und das war schon heftig.

Wie äußerte sich das?

Rostock: Die Elektrokabel, die dort über den Straßen hängen, kamen herunter. Das war schon gefährlich. Ich bin dann schnell in einen Laden gelaufen, um mich zu schützen. Damals waren die Folgen aber viel weniger schlimm. Zurück im Hotel erzählten mir andere Gäste, dass das komplette Hotel gewackelt habe.

Haben Sie jetzt direkt Kontakt aufgenommen zu Ihren Bekannten in Nepal?

Rostock: Ich habe es versucht. Das meiste läuft über E-Mails, weil Telefonieren nach Nepal schwierig ist. Aber die E-Mails kamen zunächst alle zurück, sie waren nicht zustellbar. Das war schon schockierend, weil man will ja wissen, wie es den Menschen geht und ob alle überlebt haben.

Aber Sie haben noch jemanden erreicht?

Rostock: Ja. Und mir wurde berichtet, dass eine Wand in den Produktionsräumen eingestürzt ist und zwei ACP-Mitarbeiter schwer verletzt sind. Ein Statiker muss jetzt prüfen, wann es weitergeht mit der Produktion. Schließlich brauchen die Leute ihre Arbeit, um überleben zu können.

Viele Häuser haben dem Erdbeben nicht standgehalten.

Rostock: In Nepal ist das nicht wie in Deutschland mit den Baurichtlinien. Die Häuser fallen dort wie Kartenhäuser zusammen.

Wie wollen Sie nun helfen?

Rostock: Ich sammle privat Geld. Das Honorar für zwei Vorträge spende ich, auch die Besucher haben Geld gegeben. Und privat gab es auch zwei großzügige Spenden, so dass ich schon einige hundert Euro zusammen habe.

Wer bekommt das Geld?

Rostock: Die Leute vor Ort. Ich möchte nicht, dass es in irgendwelchen dubiosen Taschen verschwindet. Dafür setze ich mich ein, auch wenn ich privat sammele. Ich möchte den Leuten helfen, die ich dort kennengelernt habe.

Was macht Nepal so besonders?

Rostock: Die Leute sind trotz ihrer Armut gastfreundlich, immer zuvorkommend und liebenswert. Wenn ich überlege, dass sie jetzt das wenige verlieren, das sie besitzen: Das ist unglaublich.

Wie groß sind Ihre Sorgen?

Rostock: Es sind die Ärmsten der Armen, die es getroffen hat. Wie soll es jetzt weitergehen, wenn die Werkstatt zerstört ist? Und ich habe Angst vor Seuchen, weil die Leichenverbrennung durch den einsetzenden Monsun nicht richtig funktionieren könnte.

Zur Person

Helga Rostock, 71, ist 1943 in Schlesien geboren worden und in Hannover aufgewachsen. Sie hat eine Büroausbildung abgelegt und ein Kunststudium in Köln abgeschlossen. Für den Senior Expert Service war sie bereits fünf Mal im Ausland: je zwei Mal auf Samoa im Pazifik und in Nepal sowie einmal in Bhutan. Seit 1967 wohnt sie in Sankt Augustin. Wer Rostock bei ihrer Aktion für die Erdbebenopfer unterstützen möchte, wendet sich direkt an sie unter Tel. 0 22 41/33 26 00.

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