Verkehrssicherheit an Schulen Elterntaxis im Rhein-Sieg-Kreis bereiten Probleme

RHEIN-SIEG-KREIS · Polizist Gerd Zöller sorgt für Verkehrssicherheit an Schulen. Dabei sind vor allem Elterntaxis ein Problem. Denn immer weniger Eltern trauen ihren Grundschulkindern den Weg alleine zu.

Der Mann ist ein moderner Sisyphos. Gerd Zöller muss sich manchmal vorkommen wie der tragische Held aus der griechischen Mythologie, der einen Steinbrocken auf einen Berg schleppt. Immer dann, wenn er sich am Ziel wähnt, fällt der Brocken zurück ins Tal, und das Ganze geht von Neuem los. Gerd Zöller trägt keine Steine, er ist Verkehrssicherheitsberater der Kreispolizeibehörde Rhein-Sieg. Aber auch er muss immer wieder bei null anfangen, wenn er morgens vor den Grundschulen für Sicherheit sorgt. Die meisten Schulkinder werden von ihren Eltern mit dem Auto bis vor die Tür gefahren, was zu chaotischen Situationen und Verkehrsverstößen führt. Und das jeden Tag, obwohl die Polizei Verwarnungen ausspricht und auch schon mal zur Kasse bittet.

Ein Herbstmorgen an der Hans-Alfred-Keller-Grundschule in Siegburg-Deichhaus, direkt nebenan befindet sich eine freie christliche Schule. Der Schauplatz ist zufällig gewählt, er könnte auch in Bornheim, Bad Honnef oder Eitorf liegen. Es ist halb acht, Zöller steht auf dem Parkplatz der Schule. Noch ist es ruhig. Die Parktaschen sind für Lehrer reserviert, ein Teil des Geländes für Schulbusse. Darauf verweisen Schilder und Piktogramme, ebenso wie auf das Halteverbot. Doch die Verkehrszeichen scheinen nur dekorative Elemente zu sein. Von den Eltern, die nun zunehmend mit dem Auto vorfahren, hält sich niemand daran.

Bald sind alle Lehrerparkplätze belegt, und es wird in zweiter Reihe geparkt. Eine Mutter stellt sich ins Halteverbot, lädt das Kind aus, trägt ihm auf den letzten 50 Metern bis zur Tür den Ranzen. „Erst vorfahren und dann das Kind ans Patschehändchen nehmen – das beobachte ich ständig“, sagt Zöller. Seit 2004 ist der 55-Jährige Verkehrssicherheitsberater. Immer weniger Eltern würden ihren Kindern zutrauen, den Schulweg selbst zurückzulegen. Wenigstens die letzten 500 Meter. So weit ist von der Deichhäuser Grundschule der Parkplatz eines Einkaufszentrums entfernt, wo An- und Abfahrt morgens relativ problemlos sind.

Beim ersten Verstoß gibt es eine mündliche Verwarnung

Studien untermauern die Einschätzung des Polizisten. Eine Untersuchung der Uni Wuppertal im Auftrag des ADAC etwa zeigte den Trend zu Elterntaxis – und dass es die Elterntaxis sind, die für gefährliche Verkehrssituationen an den Schulen sorgen. „Dieses Verhalten der Eltern verhindert, dass Kinder selbstständig werden“, sagt Zöller, der von der „Generation Rücksitz“ spricht. „Der Lebens- und Erfahrungsraum wird eingeschränkt, wenn man die Welt immer nur passiv erlebt.“ Er weiß wohl, dass sich Familienstrukturen geändert haben, viele Eltern berufstätig sind und die Kinder auf dem Weg zur Arbeit schnell mitnehmen. Er weiß, dass manche Schulwege nach Aufhebung der Schulbezirksgrenzen länger geworden sind. Und er kennt die Angst der Eltern, dass dem eigenen Kind etwas passieren könnte. Doch all das sei keine Erklärung für die Rücksichtslosigkeiten und das kleine Verkehrschaos am Morgen.

„Die Kinder der anderen scheinen nicht so wichtig zu sein“, fügt der Polizeibeamte süffisant hinzu und zeigt auf den Platz. Dort setzen drei Elterntaxis gleichzeitig zurück, von hinten kommen zwei. Ein Mädchen läuft zickzack zwischen den Autos. Zeit für ein paar ernste Worte. Zöller spricht Mütter und Väter durchs Wagenfenster an. Beim ersten Mal belässt er es bei einer mündlichen Verwarnung. „Bei Uneinsichtigkeit, Gleichgültigkeit oder wiederholtem Antreffen werden natürlich Verwarnungsgelder erhoben“, berichtet der Beamte. Diese liegen bei 15 bis 25 Euro.

Verkehrssicherheitsberater sind täglich an Schulen unterwegs

Sind die Schulwege im Kreis zu gefährlich? Zumindest die Unfallstatistik der Kreispolizeibehörde, die für den rechtsrheinischen Kreis ohne Bad Honnef und Königswinter zuständig ist, lässt diesen Schluss kaum zu. Dort leben 53 000 Kinder. 2016 verzeichnete die Polizei insgesamt 118 Unfälle mit Kindern im Alter von bis zu 15 Jahren. Davon ereigneten sich laut Polizei 15 auf dem Schulweg. In der Stadt Siegburg war es genau ein Unfall. Im restlichen Kreisgebiet, für das das Bonner Polizeipräsidium zuständig ist, waren es 53 Unfälle mit Kindern im Alter bis 14 Jahre, vier davon auf dem Schulweg.

Sowohl die Siegburger als auch die Bonner Polizei schicken täglich ihre Verkehrssicherheitsberater und Bezirksbeamten an die Schulen. Die Polizei setzt vor allem auf Prävention und Schulungen. Dazu gehören Schulweg-, Bus- und Fahrradtraining ebenso wie Informationsangebote für Eltern. „Dabei ist die Grundempfehlung der Polizei eindeutig: Kinder sollen – wenn und wo es gerade möglich ist – den Schulweg zu Fuß oder mit dem Roller oder nach Ablegen der Radfahrprüfung mit dem Rad zurücklegen“, erklärt Michael Beyer, Sprecher der Bonner Polizei. Gleich beginnt der Unterricht an der Hans-Alfred-Keller-Schule. Der Strom der Elterntaxis reißt nicht ab. Schulleiterin Conny Huhn trifft ein und findet sogar einen freien Parkplatz. Sie kennt das Problem. „Manche würden mit dem Auto bis ins Klassenzimmer fahren, wenn sie könnten“, sagt sie. Die Schule habe schon alles Mögliche versucht, um die Eltern zu einem Umdenken zu motivieren. Ob durch Appelle oder durch das Sichern von Gehwegen mit Pollern. Vielleicht bringt ja die Idee mit den Grünen Meilen etwas – eine Aktion, die ursprünglich für das Weltklima geboren wurde. Darüber ließen sich Anreize schaffen, sagt Conny Huhn. Wer zu Fuß geht, sammelt Bonuspunkte und wird belohnt.

Einsatz beendet. Gerd Zöller hat noch ein paar Verwarnungen ausgesprochen, nun verabschiedet er sich zur nächsten Schule in Hennef. „Ich muss noch weitere Kinder retten.“

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