Prozess am Bonner Landgericht Drogenabhängiger nach Attacke auf Seniorin vor Gericht

Bonn/Siegburg · Ein 37-jähriger Drogenabhängiger muss sich vor dem Bonner Landgericht verantworten. Beim Entreißen einer Handtasche hatte er eine 82-Jährige schwer verletzt. Der Mann hatte bereits vor zwölf Jahren eine 88-Jährige überfallen. Die Frau war an den Folgen der Attacke gestorben.

 Der Eingang des Landgerichts in Bonn. Dort muss sich ein 37-Jähriger verantworten, weil er eine Seniorin überfallen und beraubt hat.

Der Eingang des Landgerichts in Bonn. Dort muss sich ein 37-Jähriger verantworten, weil er eine Seniorin überfallen und beraubt hat.

Foto: picture alliance / Daniel Naupol

Mit einer Kladde versteckte er sein Gesicht, die Hände wie zum Gebet gefaltet, und wartete geduldig, bis die Kameras den Gerichtssaal verlassen mussten. Der Angeklagte, heute 37 Jahre alt, kennt sich offensichtlich gut aus mit Prozessen, auch vor dem Bonner Landgericht. Denn im Jahr 2007 hat das Bonner Schwurgericht den Drogenabhängigen zu sieben Jahren Haft verurteilt, wegen schweren Raubes und fahrlässiger Tötung.

Vor zwölf Jahren bereits hatte er einer 88-Jährigen in Troisdorf-Sieglar die Handtasche entrissen, die Seniorin war gestürzt und sieben Stunden später an den Folgen gestorben. Das Urteil der Bonner Richter war damals sehr milde gewesen, der Staatsanwalt hatte wegen Raubes mit Todesfolge über zehn Jahre Haft plädiert.

Trotz aller reumütiger Schwüre des Handtaschenräubers damals, dass er niemals einen Menschen verletzen, geschweige denn für seinen Tod verantwortlich sein wollte, soll er es – so die Anklage – wieder getan haben. Erneut soll der Junkie einen alten, gebrechlichen Menschen in Gefahr gebracht haben, weil er schnelles Geld für Drogen brauchte. Am 5. Februar 2017 gegen 13.30 Uhr hat er, so der Vorwurf, in der Siegburger Innenstadt eine 82-Jährige von hinten gestoßen, um ihr die Handtasche zu rauben. Die Seniorin stürzte, erlitt mehrere Beckenbrüche, eine Kreuzbein-Fraktur sowie eine Prellung der Wirbelsäule. Der Angeklagte flüchtete mit der Handtasche, in der sich 20 Euro, Sonnenbrille und ein Knirps befanden. Ein Mehrzweckmesser, das er bei sich trug, soll er auf der Flucht noch weggeworfen haben, es landete unter einem Restauranttisch.

Der Angeklagte, der sich am nächsten Prozesstag erst „geständig einlassen“ will, zeigte sich geübt. Die Fragen zu seiner Biografie beantwortet er eilfertig, fast entschuldigend. Denn mit 13 Jahren bekommt sein Lebenslauf einen Knacks – Discopartys, Schulschwänzen, Alkohol und Drogen –, von dem er sich nicht mehr richtig erholen wird. Vor den Drogen hatte er „nur Ruhe“, wenn er, bei insgesamt 14 Vorstrafen, in Haft gekommen war. Bis auf eine Ausnahme: „An Heroin bin ich erstmals im Knast gekommen.“

Wie eine Strafe vorab erscheint der „Balkonsturz“. Als der Angeklagte davon berichtet, bekommt er feuchte Augen. Als die Ermittler am 16. März 2017 an seiner Wohnungstür klingeln, um ihn festzunehmen, war er vom Balkon aus der dritten Etage zehn Meter in die Tiefe gesprungen. Eine richtige Erinnerung habe er nicht, erklärte er, damals habe er „hochgradig unter Drogen und Tabletten“ gestanden. Alles, was er wisse: „Es gab einen Knall und die Augen gingen zu.“ Das Becken war elfmal gebrochen, ein Trümmerbruch im Fuß musste sechsmal operiert werden. 24 Tage lag er im Koma. Der Angeklagte: „Es hat große Probleme gegeben, mich da wieder rauszuholen.“

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