Interview mit Frithjof Kühn Der Landrat über Verkehrsprobleme und die geplante Rhenag-Beteiligung

SIEGBURG · Landrat Frithjof Kühn ist kein Freund von halben Sachen. Nachverhandlungen zum Berlin/Bonn-Gesetz lehnt er strikt ab, die Südtangente befürwortet er ebenso uneingeschränkt wie das Bonner Beethoven-Festspielhaus. Aus Sicht des 69-Jährigen sind es ganz wesentliche Zukunftsthemen für die Region. Darüber, über den geplanten Einstieg des Rhein-Sieg-Kreises beim Energieversorger Rhenag, aber auch über seine eigene Zukunft sprach Landrat Kühn im Interview.

Nur noch 38,9 Prozent der ministeriellen Arbeitsplätze sind in Bonn, der Rest ist in Berlin - ein Verstoß gegen das Berlin/Bonn-Gesetz. Im Kreisausschuss sagten Sie kürzlich dazu, dass Ihnen dieser rechtswidrige Zustand allemal lieber sei als neue Verhandlungen zum Gesetz. Wie meinen Sie das?
Frithjof Kühn: Das Berlin/Bonn-Gesetz ist für die Region existenziell. Ich halte es für hochgradig gefährlich, Verhandlungen über den Inhalt des Gesetzes zu führen. Auf der anderen Seite sitzt der Gesetzgeber, das darf man nicht vergessen. Man würde auf diese Weise alles zur Disposition stellen und am Ende vielleicht nur noch ein paar Almosen bekommen. Nein, die Stärke unserer Position ist das Gesetz, und auf dessen Einhaltung müssen wir als Region immer wieder pochen. Dazu brauchen wir die politische Unterstützung des Landes Nordrhein-Westfalen und auch von Rheinland-Pfalz.

Was steht auf dem Spiel, wenn man neu verhandeln würde?
Kühn: Die Region ist darauf angewiesen, dass in Bonn Ministerien mit erstem und zweitem Dienstsitz angesiedelt bleiben. Das heißt: Politikbereiche und nicht bloß Verwaltungsbereiche. An den Politikbereichen hängen zahlreiche Verbände und Institutionen. Sie würden mitziehen, wenn alle Ministerien nach Berlin verlagert würden. Da besteht immer noch eine starke Abhängigkeit. Das verkennen einige, auch weil sich die Region seit dem Umzugsbeschluss 1991 gut entwickelt hat und sich immer noch gut entwickelt. Leider unterliegen auch Vertreter der Stadt Bonn dieser Fehleinschätzung. Außerdem ist es im Sinne des Föderalismus', wenn Bundesregierung und Verfassungsorgane über mehrere Standorte im Land verteilt sind. Dezentralität war schon immer besser für die Entwicklung eines Landes als Zentralität.

Wie klappt das Zusammenspiel mit OB Jürgen Nimptsch, der sich ja für einen Staatsvertrag zum Berlin/Bonn-Gesetz ausgesprochen hat?
Kühn: Gut - auch wenn ich seine Position in diesem Punkt für riskant halte. Bundesstadt Bonn - das ist eine Lebensversicherung für die Region.

Ein Thema, das Bonn und den Kreis ganz besonders verbindet, ist die Verkehrsproblematik - Stichwort Brückensanierung, Stichwort Tausendfüßler. Wie laufen die Bemühungen, das große Chaos abzuwenden?
Kühn: Ganz ordentlich, was die regional und lokal Verantwortlichen betrifft. Wir brauchen aber noch genauere Aussagen darüber, wie sich die Bauarbeiten konkret auswirken. Dazu benötigen wir vom Land Simulationsberechnungen. Das ist schwierig, aber wir bestehen darauf. Unsere Straßenverkehrsämter arbeiten intensiv an folgenden Maßnahmen: der Analyse der Situation, der Information der Betroffenen und Möglichkeiten zur Linderung der Verkehrsprobleme. Hätten wir die Südtangente mit dem Venusbergtunnel und dem Ennertaufstieg, wäre vieles leichter.

Ist die Südtangente denn noch realistisch? Die Stadt Bonn steht nicht dahinter.
Kühn: Das bedaure ich sehr. Ich sehe dennoch Chancen. Mit den Verkehrsproblemen wird die Einsicht wachsen, dass man Lösungen braucht - gerade mit Blick auf die Zukunft. Wir müssen den Bürgern eine Zukunftsperspektive aufzeigen. Aber auch mit Blick auf das Berlin/Bonn-Gesetz halte ich die Südtangente für wichtig. Es wäre fatal, wenn der Bund den Eindruck gewinnen würde, dass die Region ihre Verkehrsprobleme nicht in den Griff bekommt. Mit der A 562 (Konrad-Adenauer-Brücke) haben wir die kürzeste Autobahn in Deutschland. Auf der einen Seite endet sie an einem Bahndamm, auf der anderen an einem ausgebauten Forstweg. So etwas ist doch peinlich! Die Region braucht eine vernünftige Infrastruktur. Es ist nicht damit getan, den Tausendfüßler sechsspurig auszubauen. Aber bevor der Tausendfüßler abgerissen wird, muss der Venusbergtunnel als Ersatz zur Verfügung stehen.

Aber selbst wenn sich Bonn und der Kreis heute absolut einig wären - das ganze Verfahren würde doch viele Jahre dauern, wenn nicht Jahrzehnte.
Kühn: Der Bundesverkehrswegeplan wird 2015 neu beschlossen. Wenn vordringlicher Bedarf anerkannt ist, könnte man das relativ schnell angehen. Übrigens wäre die Südtangente auch für den Öffentlichen Personennahverkehr von Bedeutung. Auf dieser Verbindung könnte man Schnellbusse einsetzen. Über den Ennertaufstieg erreicht man dann von Birlinghoven aus in fünf Minuten Ramersdorf, in zehn Minuten das Regierungsviertel. Außerdem: Politik muss längerfristig planen und Zukunftslösungen entwickeln.

Bleiben wir in Bonn. Sie sind seit kurzem Mitglied im Verein Bürger für Beethoven. Warum haben Sie Ihren Beitritt so öffentlichkeitswirksam gestaltet?
Kühn: Wir wollten damit ein klares Signal für das Beethoven-Festspielhaus in Bonn setzen. Es ist eine nationale Verpflichtung, Beethoven in dieser Form zu ehren. Und damit ist es für die ganze Region ein herausragendes Thema. Als Kreis haben wir in den Haushaltsjahren bis 2015 jeweils eine Million Euro dafür eingeplant. Die Voraussetzungen für Bau und Betrieb sind wieder günstig. Ich hoffe, dass die Verantwortlichen in Bonn dieses Projekt "auf die Reihe bringen". Wenn Bonn und die Region es nicht packen, sehe ich Land und Bund in der Pflicht. Beethoven ist ein nationales Erbe und ein Werbeträger für Deutschland.

Bonn ist ein wichtiger Kulturstandort, von dem auch der Kreis profitiert. Was tun Sie für die Sicherung des Angebots?
Kühn: Wir beteiligen uns in zweierlei Hinsicht. Zunächst finanziell. Als Kreis stellen wir 50.000 Euro für das jährliche Beethovenfest zur Verfügung. Hinzu kommen noch einmal 45.000 Euro von "unserer" Kreissparkasse Köln. Und dann gibt es viele Bürger des Kreises, die die kulturellen Veranstaltungen in Bonn - wie auch in Köln - wahrnehmen und dafür Eintritt bezahlen. Damit tragen sie dazu bei, dass dieses Angebot gesichert wird.

Zum Thema Energie: Der Rhein-Sieg-Kreis strebt nach wie vor eine Beteiligung am Versorgungsunternehmen Rhenag an. Wo sehen Sie die Vorteile?
Kühn: Die Rhenag ist ein alteingesessenes Unternehmen in der Region mit vielen Arbeitsplätzen und hoher Kompetenz im Dienstleistungs- und Beratungsgeschäft. 80 bis 90 Prozent der Aktivitäten beziehen sich auf den Rhein-Sieg-Kreis. Über eine Beteiligung können wir Einfluss nehmen, etwa im Hinblick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien und Themen wie E-Mobiltät. Nebenbei würde im Falle einer Beteiligung des Kreises der Hauptsitz der Rhenag von Köln in den Kreis verlegt.

Würde der Kreis nicht in Konkurrenz zu Kommunen treten, die sich mit eigenen Stadtwerken auf dem Energiesektor engagieren?
Kühn: Nein, im Gegenteil, den Kommunen soll geholfen werden. Es ist doch schon jetzt so, dass die Rhenag neben einzelnen Stadtwerken im Rhein-Sieg-Kreis besteht. Wenn der Kreis bei der Rhenag einsteigt, kann das nur im Interesse der Kommunen sein. Denn der Kreis hat deren Belange anders im Blick als ein auswärtiges Energieunternehmen. Auch auf anderer Ebene können sie von einer Beteiligung profitieren. Der Überschuss aus der Dividende kommt dem Haushalt zugute und dient damit der Senkung der Kreisumlage. Das wäre doch ein Nebeneffekt, den man nur begrüßen kann.

Wie stehen Sie zu dem Vorwurf, in der Rhenag-Diskussion befangen zu sein? Sie sind Mitglied im Aufsichtsrat von RWE, dem Haupteigentümer der Rhenag.
Kühn: Das ist eine absolute Fehleinschätzung. Wer da eine Unverträglichkeit sieht, kennt nicht die Zuständigkeiten und Einflussmöglichkeiten von Aufsichtsräten. Trotzdem bin ich an den Verhandlungen des Kreises mit RWE nicht direkt beteiligt, aus Gründen der politischen Hygiene. Die Verhandlungen führt allein der Kämmerer.

Noch eine Frage zu Ihrer Zukunft: Sie wollen regulär bis 2015 im Amt bleiben....
Kühn: Ich bin bis 2015 gewählt.

Werden Sie dann für eine weitere Amtszeit kandidieren?
Kühn: Das glaube ich nicht. Irgendwann muss man ja auch ein Ende setzen. Das ist eine persönliche Frage, die ich gemeinsam mit meiner Frau entscheide.

Zur Person

Frithjof Kühn, geboren 1943 in Fürstenfeldbruck, studierte Jura in Bonn,Wien, Köln und München. 1981 begann er bei der Kreisverwaltung Siegburg, dort war er unter anderem Dezernent, Kämmerer und Oberkreisdirektor. 1999 wurde er bei der ersten Direktwahl zum Landrat gewählt. Durch sein Amt ist er auch Chef der Kreispolizeibehörde Siegburg. Am 16. Oktober wird Kühn (verheiratet, zwei Kinder) 70 Jahre alt. Er lebt in Hangelar.

Daten

Die Einwohnerzahlen des Rhein-Sieg-Kreises steigen weiter. Nach den neuesten Daten (31. Dezember 2012) lebten 580 588 Menschen zwischen Rheinbach und Windeck. Beim Zensus-Stichtag (9. Mai 2011) waren es noch 578 252. Die Zahl der Arbeitsplätze ist nach Auskunft des Kreises ist zwischen 2000 und 2012 um 7,2 Prozent auf 136 000 gestiegen. Im Land betrug der Zuwachs im selben Zeitraum 2,4 Prozent, im Bund 3,9 Prozent.

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