Krisenstab zum Coronavirus Zahl der Infektionen im Rhein-Sieg-Kreis steigt weiter

Rhein-Sieg-Kreis · Die Zahl der Infektionen mit dem Coronavirus steigt im Rhein-Sieg-Kreis weiter exponentiell an. Die Maßnahmen der „sozialen Distanzierung“ griffen noch nicht, so der Krisenstab des Kreises am Freitag. Vorbereitungen für eine mögliche Ausgangssperre werden getroffen.

 Auf Abstand: Bei der Pressekonferenz im Kreishaus sitzen Landrat Sebastian Schuster und Gesundheitsamtsleiter Rainer Meilicke seit einigen Tagen weiter voneinander entfernt.

Auf Abstand: Bei der Pressekonferenz im Kreishaus sitzen Landrat Sebastian Schuster und Gesundheitsamtsleiter Rainer Meilicke seit einigen Tagen weiter voneinander entfernt.

Foto: Meike Böschemeyer

Der Krisenstab des Rhein-Sieg-Kreises hat am Freitag gleich zwei Mal getagt. 260 bestätigte Corona-Fälle, dazu 1329 Personen in häuslicher Quarantäne – das sind die Zahlen vom Vormittag. Hinter den Kulissen bereiten sich Kreisverwaltung, Ordnungsdienste und Polizei bereits auf eine mögliche Ausgangssperre vor. Landrat Sebastian Schuster teilt eine Einschätzung aus den sozialen Netzwerken, wonach die Bevölkerung gerade „auf Bewährung lebt“.

Diese Bewährung hätte die „größere Gruppe kiffender Jugendlicher“, die Gesundheitsamtschef Rainer Meilicke am Donnerstagabend „Arm in Arm“ am Kreishaus sitzen sah, schon verspielt. „Da fragt man sich, wofür wir hier täglich 15 Stunden arbeiten“, sagte er. „Wenn die Kontakte nur anderswo stattfinden, dann steigen die Zahlen weiter.“ Auf dem Siegburger Markt wurde zumindest die Zwei-Meter-Abstandsregel am Freitag sichtbar ernster genommen als am Vortag: Es gab Warteschlangen mit großen Lücken vor Bäckerei und Geflügelstand.

Das Gesundheitsamt ist nach wie vor überlastet, wie berichtet wurden diese Woche 2500 Befunde der Labore dorthin umgeleitet, weil auch diese so überlastet sind, dass sie die zuständigen niedergelassenen Ärzte nicht kontaktieren konnten. Normalerweise sollten die Ergebnisse nach 2,5 Tagen direkt vom Labor bei den Arztpraxen ankommen. Parallel bekommt das Gesundheitsamt eine Meldung, wenn jemand positiv auf Sars-CoV-2 getestet wurde. Die Benachrichtigung der Erkrankten geht daher weiterhin recht schnell. Entwarnungen liegen im großen Stapel.  „Keiner hat seinen Befund bekommen. Wer drei bis vier Tage nichts gehört hat, da wird der Test negativ gewesen sein“, sagte Meilicke.

Zehn Prozent der Menschen, die im Siegburger Abstrichzentrum auf das Coronavirus getestet werden, kommen auf Aufforderung des Gesundheitsamtes. Die Hausärzte melden die meisten Patienten im Abstrichzentrum an. Dort kommt es bei der telefonischen Terminvergabe wegen des großen Andrangs zu Verzögerungen.

Das wird sich auch nicht wesentlich ändern, wenn am Montag die beiden neuen Abstrichzentren in Hennef und Rheinbach eröffnen. Mit 150 Röhrchen pro Standort, die das Labor täglich zur Verfügung stellt, sind kreisweit zunächst nur 450 Corona-Tests pro Tag möglich. „Wir können es einfach nicht leisten, dass viele Menschen aus reiner Vorsorge getestet werden möchten“, erklärte Meilicke. Auch ein beschleunigtes Verfahren zum Beispiel für Pflegekräfte sei nicht möglich, weil inzwischen viele Berufsgruppen dieses für sich reklamieren.

Zahlreiche Menschen, die Fragen an das Gesundheitsamt haben oder über ihren Fall sprechen möchten, warten zurzeit vergeblich auf Rückruf. „800 Beratungen wären noch heute Nachmittag nötig“, schilderte Meilicke die Situation. Der Kreis sucht bereits zusätzliches Personal fürs Gesundheitsamt, dessen Abteilung für Infektionsschutz normalerweise zwei Ärzte und acht Gesundheitsaufseher hat. Fast alle 115 Mitarbeiter der insgesamt sechs Abteilungen des Gesundheitsamts arbeiten zurzeit ausschließlich für diesen Bereich.

„Die Zahlen steigen im Rhein-Sieg-Kreis immer noch exponentiell, denn die Maßnahmen der ‘sozialen Distanzierung’ greifen noch nicht“, so der Amtsleiter. Es kommt ein weiteres Problem bei der Kommunikation hinzu: Obwohl der Kreis zweimal am Tag aktualisierte Zahlen weitergibt, war das Land am Freitag noch auf dem Stand vom Vortag, das Robert Koch-Institut ging sogar nur von 30 Fällen aus. „Wir haben in NRW kein Landesgesundheitsamt und damit keine Stelle, die Daten sammelt und bewertet“, sagte Meilicke.

Am Montag schließt die Kreisverwaltung komplett, vergebene Termine im Kreishaus und in den Außenstellen in Rheinbach, Meckenheim und Sankt Augustin werden abgesagt. „Wir haben im Krisenstab entschieden, dass wir auch unseren Beitrag leisten“, sagte Schuster. Rainer Dahm, Leiter des Amts für Bevölkerungsschutz, berichtete von einem Eskalationskonzept für die medizinische Behandlung, für die Zelte aufgebaut werden können.

Großen Ansturm gibt es weiterhin auf die Corona-Hotline des Kreises (0 22 41/13-3333), die auch am Wochenende voll besetzt ist. Inzwischen wird die Rufnummer auch von Menschen blockiert, die ihre Nachbarn anschwärzen. Die Beschwerden über die angebliche Missachtung von Quarantäne füllen einen ganzen Ordner.

Der Kreis ruft die Bürger dazu auf, die Hotline nicht mit allgemeinen Fragen zu blockieren, die bereits mit umfangreichem Informationsmaterial auf www.rhein-sieg-kreis.de beantwortet werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort