Seniorenheime in Corona-Zeiten Corona-Tests in Heimen im Rhein-Sieg-Kreis starten

Rhein-Sieg-Kreis · Kommende Woche startet der Rhein-Sieg-Kreis mit Coronatests in allen 135 Einrichtungen der Altenpflege und Behindertenhilfe. Zuerst sind die 13 Einrichtungen dran, in denen es bereits Coronafälle gab. CDU und Grüne sehen den Bund in der Pflicht, für die Kosten aufzukommen.

 Die Umarmung wird weiter fehlen: Probe für den Besuch ab Sonntag im städtischen Altenheim Heinrichstraße in Siegburg.

Die Umarmung wird weiter fehlen: Probe für den Besuch ab Sonntag im städtischen Altenheim Heinrichstraße in Siegburg.

Foto: Meike Böschemeyer/MEIKE BOESCHEMEYER

Der Rhein-Sieg-Kreis startet in der kommenden Woche mit vorsorglichen Coronatests in allen 135 Einrichtungen der Altenpflege und Behindertenhilfe. Zuerst sind die 13 Einrichtungen dran, in denen bereits Coronafälle aufgetreten waren. Die vom Robert Koch-Institut (RKI) empfohlene Maßnahme musste warten, weil die Krankenkassen die rein präventiven Tests nicht zahlen wollen.

Die Koalition aus CDU und Grünen im Kreis hat am Donnerstag einen Antrag für den Kreisausschuss am 18. Mai gestellt, wonach zunächst einmalig alle Bewohner und das Personal getestet werden sollen. Anschließend soll es nach Vorschlag der Koalition wöchentliche Kontrollen auf Sars-CoV-2 beim Personal geben. Bewohner sollen dann erneut getestet werden, wenn es Verdachtsfälle in ihrer Einrichtung gibt. „Bis zur Klärung, wer für die Kosten der Testungen aufkommt, sind diese aus dem Kreishaushalt vorzufinanzieren“, beantragen CDU und Grüne. Sie sehen den Bund in der Pflicht.

Rund 10.000 Abstriche im ersten Durchgang

Im ersten Durchgang kommt eine stolze Zahl von Tests zusammen: Laut Kreissozialdezernent Dieter Schmitz müssen rund 10.000 Abstriche durchgeführt werden – 6500 bei Bewohnern, 3500 unter dem Personal. Die Krankenkassen zahlen Tests bisher nur für diejenigen, die entweder Symptome zeigen oder Kontakt zu einer mit dem Coronavirus infizierten Person hatten. Mit dem „Zweiten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ will der Bundestag in der kommenden Woche die Krankenkassen verpflichten, die Kosten für flächendeckende Tests in Altenheimen und bei Pflegediensten zu übernehmen.

Die Krankenkassen wehren sich dagegen. Als „Verschiebebahnhof“ bezeichnet der AOK-Bundesverband die Pläne der Politik. Er fordert, die Tests aus Steuermitteln zu zahlen. „Die GKV-Beiträge von Beschäftigten und Unternehmen dürfen jetzt nicht auch noch zu einem Ausfallbürgen zur Sicherstellung der öffentlichen Gesundheit werden“, heißt es in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf.

„Wir wollten nicht weiter abwarten, sondern jetzt einsteigen“, sagte Dezernent Schmitz. Aktuell sind die Infektionszahlen im Kreis weiter sehr niedrig. „Wenn wir jetzt mehr testen, wird es automatisch mehr Infektionen und damit auch mehr Kontaktnachverfolgungen geben“, kündigte der Landrat an. Laut Gesundheitsdezernent Michael Rudersdorf hat der Kreis inzwischen die Listen mit 124 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der 19 Kommunen bekommen, die in Kürze geschult werden, um das Kreisgesundheitsamt bei der Ermittlung von Kontaktpersonen zu unterstützen. „Sie bleiben in ihren Dienststellen und werden informiert, wenn es Kontaktpersonen in den jeweiligen Kommunen gibt“, erklärte Rudersdorf. Personen, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, werden vom Gesundheitsamt betreut.

Kritisch äußerte sich der Landrat zum „Muttertagserlass“ des Landes, wonach Besuche in Pflegeheimen schon ab Sonntag wieder möglich sind. „Ich frage mich wirklich, wie die Heime in so kurzer Zeit die ganzen Auflagen erfüllen sollen“, sagte Schuster.

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hatte das seit Mitte März geltende Besuchsverbot aufgehoben. Die entsprechende Nachricht mit strengen Hygienevorschriften und Auflagen ging am Dienstag raus. „Dass die Isolation gelockert wird ist gut und wichtig, aber die Vorlaufzeit ist doch sehr kurz, um das alles vorzubereiten“, sagte Christoph Leiden, Sprecher der Seniorenhaus GmbH der Cellitinnen zur hl. Maria in Köln, die 19 Einrichtungen unterhalten, darunter das St. Angela in Bornheim-Hersel.

Gesonderte Besuchszimmer und Plexiglaswände

Damit am Sonntag nicht Dutzende von Angehörigen mit ihren Blumensträußen und Pralinen in der Hand vor den Heimen Schlage stehen, seien sie alle angeschrieben worden. Sie müssen jetzt Termine vereinbaren. In den Heimen der Cellitinnen werden gesonderte Besuchszimmer eingerichtet, in denen die Besucher und Bewohner durch eine Plexiglaswand getrennt werden. „Die Angehörigen müssen sich zuvor einer Symptomkontrolle unterziehen und natürlich Mund-Nasen-Schutz tragen“, erläuterte Leiden. Nach jedem Besuch wird der Raum desinfiziert.

Die Plexiglaswände seien geordert, Sorge bereitet Leiden indes die Organisation der Besuche von Bewohnern, die bettlägerig sind. „Da ist die Regelung, dass die Besucher Schutzanzüge tragen müssen. Die müssen wir ja dann auch in ausreichender Zahl vorhalten“, sagte der Pressesprecher. In diesen Fällen muss zudem auch eine Pflege- oder Betreuungskraft anwesend sein.

„Praktikabel ist das nicht“, befürchtet Leiden. Zumal er sich Gedanken darüber macht, wie ältere Angehörige mit den Schutzmaßnahmen zurechtkommen werden. „Im Grundsatz ist der Beschluss zu begrüßen, aber in der Ausführung gibt es viele Fußangeln. Außerdem müssen wir unbedingt verhindert, dass das Virus eingeschleppt wird.“

André Kuchheuser, der für die beiden Häuser der Seniorenzentrum Siegburg GmbH zuständig ist, hat sich darum schon vor längerer Zeit gekümmert. „Wir versuchen, immer ein Stück vor der Krise zu sein“, sagte er. Als er gehört habe, dass am 6. Mai die Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin zusammentreffen, um weitere Lockerungsmaßnahmen zu vereinbaren, da sei ihm klar gewesen, dass das auch die Besuchsverbote in den Seniorenhäusern betreffen könnte. „Deshalb sind wir vorbereitet“, erklärt er freudestrahlend.

Die Besuchszelte vor den beiden Altenheimen in der Friedrich-Ebert-Straße und der Heinrichstraße stehen bereits. Die Besucher kommen durch eine eigene Öffnung ins Zelt, indem sie durch eine Plexiglaswand von den Bewohnern getrennt sind. „Es gibt eine klare Verhaltensanleitung, die wir schriftlich festgehalten haben. Nach jedem Besuch wird das Zelt desinfiziert. Die Angehörigen, die für ihre etwa 25-minütigen Besuche Termine vereinbaren, dürfen und werden so die Häuser nicht betreten.“ Und die Besuchszelte sind so konstruiert, dass auch bettlägerige Bewohner bequem hineingerollt werden können. „Bislang haben wir dafür gesorgt, dass die Menschen über Skype Kontakt halten können. Und jetzt freuen sie sich, dass sie ihre Angehörigen wiedersehen können“, so Kuchheuser.

Landrat Schuster appellierte am Donnerstag noch einmal an die Disziplin der Menschen: „Regeln ernst nehmen, Abstand halten, um die Erfolge nicht zu gefährden.“

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