Die Groko an der Basis CDU im Rhein-Sieg-Kreis hadert mit dem Koalitionsvertrag

Rhein-Sieg-Kreis · Bei den Christdemokraten im Rhein-Sieg-Kreis gehen die Meinungen über das neue Bündnis auseinander. Als Manko wird vor allem die Ressortverteilung gesehen. Deutliche Kritik übt Norbert Röttgen.

 Im Gegenlicht: Was in der CDU-Parteizentrale in Berlin zur Groko beschlossen wurde, stößt an der Basis auf Kritik.

Im Gegenlicht: Was in der CDU-Parteizentrale in Berlin zur Groko beschlossen wurde, stößt an der Basis auf Kritik.

Foto: picture alliance / Gregor Fische

Begeisterung sieht anders aus. Die CDU-Basis im Rhein-Sieg-Kreis hadert mit dem Verhandlungsergebnis zur Großen Koalition. Die Ressortverteilung, das Personaltableau, die Inhalte, die strategische Ausrichtung – all das bewegt die Mitglieder, und dabei greift Frust um sich. „Ich habe noch nie so viele Rückmeldungen und Gesprächswünsche erhalten. Viele Mitglieder suchen den Austausch“, sagt Torsten Bieber, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion. Ungewohnt deutliche Kritik übt unterdessen der CDU-Bundestagsabgeordnete Norbert Röttgen.

„Der Koalitionsvertrag ermöglicht vielleicht eine Regierung. Er sagt inhaltlich wenig Falsches und viel Richtiges, aber er beinhaltet keine konzeptionelle Grundlage für die wichtigsten Herausforderungen unserer Zeit“, so Röttgen auf GA-Anfrage. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag spricht am Donnerstag auf Einladung der Senioren Union und der CDU Königswinter über das Verhandlungsergebnis (15.30 Uhr, Haus Schlesien in Heisterbacherrott). „Die Minderheitsregierung auszuschließen, war inhaltlich und taktisch ein schwerer Fehler“, erklärt Röttgen weiter und fordert die CDU auf, eine „geistig-politische Erneuerung“ zu beginnen.

Ansonsten drohe „die Partei, von der sowieso keiner eine Antwort erwartet“, immer stärker zu werden, womit eine „politische Systemschwäche“ drohe, sagte er in Anspielung auf die AfD. Was Röttgen und andere Christdemokraten wurmt, ist der Verlust des Finanzministeriums, das an die SPD geht. „Es wäre wichtig gewesen, dass die CDU die Politikfelder behält, auf denen sie mit ihren Kernkompetenzen glänzen kann“, so Bieber. Unzufrieden ist er auch mit den personellen Weichenstellungen: „Wir brauchen frische Köpfe, die zugleich die Pluralität in der Partei abbilden.“ Ein weiterer Kritikpunkt Biebers: Einige Vereinbarungen liefen auf eine stärkere Belastung der Kommunen hinaus, etwa bei Themen wie Schulen und Flüchtlingsintegration.

Bieber befürwortet eine schwarz-grüne Koalition in Berlin, auch wenn sie keine eigene Mehrheit hätte. „Ich empfehle Frau Merkel, in den Rhein-Sieg-Kreis zu schauen, wo uns mit den Grünen seit mehr als 18 Jahren ein gemeinsames Fundament verbindet“, sagt er. Seit 1999 arbeiten CDU und Grüne im Kreistag zusammen, allerdings immer mit Mehrheit.

Der Siegburger Kreistagsabgeordnete Jürgen Becker, früherer Staatssekretär im Bundesumweltministerium, steht den Grünen ebenfalls nahe. Auch er würde eine Minderheitsregierung in Berlin wagen. „Bei einem Bündnis mit der SPD wird vieles an programmatischen Unterschieden gar nicht mehr ausdiskutiert“, sagt Becker. Andererseits könne er als Anhänger des CDU-Sozialflügels dem Koalitionsvertrag Positives abgewinnen. „Ob Rente, Pflege, Bildung oder Arbeitsrecht: Es geht vieles in die richtige Richtung.“

Kreisvorsitzende sieht durchaus Vorteile

Seine Frau, die Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Elisabeth Winkelmeier-Becker, hob jüngst die Vorteile des Koalitionsvertrags hervor: „Ich bin der Meinung, dass viel Gutes drin steht – von Familie und Sozialem über Rechtsstaat bis zu Europa. Wichtig für unsere Region ist das klare Bekenntnis zum Bonn-Berlin-Gesetz.“

Georg Schell, Vorsitzender der CDU-Fraktion in Sankt Augustin, ist mit der Ressortaufteilung nicht glücklich. Aber er findet es gut, „dass zwei Parteien ihrer aus meiner Sicht politischen Pflicht nachgekommen sind, einen Koalitionsvertrag auf die Beine zu stellen“. Das Wichtigste für ihn sei, dass nun eine Mehrheitsregierung zustande komme. Schell hofft, dass die SPD-Mitglieder für das Bündnis stimmen. „Die große Koalition ist für mich auch nicht abgewählt worden. Sie hat einen Dämpfer bekommen, aber sie hat mit 53 Prozent eine klare Mehrheit.“

Zu den CDU-Politikern im Kreis, die Sympathie für eine Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen hegten, gehört der Kreistagsabgeordnete Marcus Kitz aus Niederkassel. „Die wäre nachhaltiger gewesen als eine erneute Groko, etwa bei Finanz-, Sozial- oder Rentenpolitik.“ Eine Minderheitsregierung hält er aber für keine Alternative. „Das mag in Kommunen funktionieren, aber nicht auf Bundesebene, wo eine Vielzahl von Entscheidungen zu treffen ist.“

Licht und Schatten sieht die Junge Union (JU) Rhein-Sieg. "Wir begrüßen die Investitionen in Bildung, Infrastruktur und Kommunen, sowie das schrittweises Auslaufen des Soli", so die Kreisvorsitzende Angelina Keuter auf Anfrage. "Auch wenn die Haushaltslage derzeit gut ist, sollte mit Blick auf Rentengeschenke daran gedacht werden, dass sich schon bald das Verhältnis von Einzahlern und Rentenempfängern verschlechtern wird, dann sind wir als junge Generation die, die Zeche zahlen werden." Visionen vermisst der Parteinachwuchs indes bei Themen wie Steuerreform und Digitalisierung. Außerdem wünscht sich die JU einen Vertreter der jungen Generation im Kabinett. Man stehe hinter Kanzlerin Angela Merkel, aber sie solle eine „geordnete Nachfolge“ ermöglichen.

Die CDU Rhein-Sieg, mit 5513 Mitgliedern größter Kreisverband, beruft vor dem Bundesparteitag am 26. Februar in Berlin eine Kreisparteikonferenz ein. Diese tagt am 23. Februar und soll den Delegierten aus dem Kreis ein „belastbares Stimmungsbild“ bieten, so Kreisgeschäftsführer Volker Meertz.

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