Appell von Klaus Schumacher Bürgermeister fordert mehr Rechte ein

SANKT AUGUSTIN · Mit einem dramatischen Appell und einem Minuten vor der Ratssitzung fertiggestellten Beschlussvorschlag hat sich Bürgermeister Klaus Schumacher am Mittwochabend an den Stadtrat gewandt.

 Sehr viel Geld muss die Stadt Sankt Augustin aufbringen, um die Flüchtlingsunterkünfte einzurichten.

Sehr viel Geld muss die Stadt Sankt Augustin aufbringen, um die Flüchtlingsunterkünfte einzurichten.

Foto: Arndt

Um als Verwaltung handlungsfähig zu bleiben und nicht bei eiligen Ausgaben zur Flüchtlingsunterbringung in die Illegalität zu entgleisen, forderte Schumacher mehr Rechte ein.

Per Erweiterung der Handlungsermächtigung solle es ihm gestattet sein, ausschließlich für die Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz sowie die Unterbringungen und Betreuung von Asylbewerbern, bis zu 20 Mal mehr Geld als bislang ausgeben zu dürfen - ohne vorher den Rat um Entscheidungen fragen zu müssen.

Schumacher setzte als Handlungsrahmen 500 000 Euro je Einzelfall voraus - sowohl konsumtiv, also für laufende Kosten wie Mieten, Personal oder Dienstleistungen, als auch investiv für Anschaffungen, die einen längerfristigen Nutzen haben.

Bislang lag der vom Bürgermeister eigenständig einsetzbare Finanzrahmen bei 25 000 Euro konsumtiv und 50 000 Euro investiv - zumindest theoretisch. Denn die Praxis mit kurzfristig eintreffenden Flüchtlingen habe immer wieder ebenso kurzfristige Ausgaben vorbei an Ausschreibungen und Stadtrat notwendig gemacht. Entscheidungen seien in Minuten gefällt und Angebote angenommen worden, um überhaupt noch Waren oder Dienstleistungen auf dem freien Markt erhalten zu können, sagte Klaus Schumacher: "Wir sind nicht mehr in der Lage, normal zu reagieren."

Peter Tielke, Fachbereichsleiter Wohnen und städtischer Flüchtlingskoordinator, untermauerte dies mit Einblicken. Und er ließ Zahlen und Fakten sprechen: Allein der Wachdienst der Flüchtlingsunterkunft Menden koste 60 000 Euro pro Monat. Um in einer Notunterkunft 150 Personen mit Catering zu versorgen, zahle die Stadt rund 35 000 Euro wöchentlich.

Allein für Feldbetten und Matratzen wurden kurzfristig 100 000 Euro ausgegeben, zusätzlich Haushaltswaren für rund 40 000 Euro beschafft. "Ich muss die Ausgaben anordnen, es ist keine Wünsch-dir-was-Situation", sagte der Bürgermeister. "Wenn wir die Ermächtigung nicht haben, müssen wir als Verwaltung die Arbeit einstellen. Wir schaffen es anders nicht."

Harte Worte, die Druck erzeugten: Die SPD monierte das fehlende Fingerspitzengefühl des Bürgermeisters, derart kurzfristig und drastisch auf den Rat zuzukommen - eine Beschwerde, die Fraktionschef Marc Knülle wiederholte, als Schumacher erst im Anschluss an die Abstimmung den Rat über ein Angebot für ein mögliches Containerdorf für den alten Sportplatz in Niederpleis informierte, über das die Fraktionen am Montag beratschlagen sollen (siehe Artikel rechts).

Denn das "Ob" der Ausgaben sei unstrittig, dafür aber das "Wie", sagten alle Fraktionen mit Ausnahme der CDU, die dem Bürgermeister das uneingeschränkte Vertrauen aussprach. 500 000 Euro je Einzelfall, theoretisch sogar mehrmals an einem Tag, ohne Mitspracherecht vom Rat: "Welchen Sinn macht da noch Haushaltsberatung?", sorgte sich die FDP-Fraktionsvorsitzende Stefanie Jung. Man habe keinen Notstand, betonte Grünen-Chef Martin Metz. Eine emotionale Debatte schloss sich an, in der Stadtkämmerer Stephan Rupp über die Finanzen Auskunft geben musste.

Nach gut halbstündiger Sitzungsunterbrechung und Beratung beschloss der Rat einstimmig bei einer Enthaltung aus der SPD-Fraktion, die Finanzzügel des Bürgermeisters in einem kontrollierbaren Rahmen zu lockern. Der ist nun ermächtigt für Anschaffungen wie Betten einen Rahmen von 100 000 Euro sowie für Dienstleistungen bis 500 000 Euro eigenständig als laufendes Geschäft der Verwaltung anzuweisen.

Bis zur Ratssitzung am 9. Dezember und bis zu einer Summe von insgesamt drei Millionen Euro verzichtet der Stadtrat auf sein Mitspracherecht, forderte aber zumindest Dringlichkeitsentscheidungen ein, sofern diese Entscheidungen ohne gravierende Nachteile möglich seien.

Notunterkunft des Landes in der alten Post

Die Stadt Sankt Augustin richtet die alte Post im Zentrum als Notunterkunft des Landes für Flüchtlinge ein. Die ersten Asylbewerber sollen am kommenden Dienstag dort einziehen. Bislang lebten in dem Gebäude 150 Flüchtlinge, die zuletzt in die Turnhalle am Sportzentrum Menden gezogen sind.

In der alten Post sollen ab nächster Woche 150 bis 180 Menschen unterkommen. Mit der Einrichtung kommt die Stadt dem Amtshilfeersuchen der Bezirksregierung Köln nach, das sie zunächst abgelehnt hatte. Ab dem Zeitpunkt der Belegung rechnet die Bezirksregierung die gemeldeten Plätze auf die Zuweisungsquote an, sodass Sankt Augustin zunächst keine weiteren Flüchtlinge bekommt. Die Stadt betreibt die Einrichtung selbst.

Ein weiteres Großprojekt mit bis zu 304 Flüchtlingen plant die Stadt auf dem alten Sportplatz am Schützenweg in Niederpleis - allerdings ist dieses Vorhaben noch nicht von der Politik beschlossen. Die Stadt hätte gerne, dass das bis zum 15. November passiert, damit schon Ende Februar zwei der vier Häuser bezugsfertig sind.

Andernfalls drohe ein erheblicher zeitlicher Verzug, so Flüchtlingskoordinator Peter Tielke. Deshalb treffen sich die Fraktionsvorsitzenden am Montagabend mit dem Bürgermeister. Die Unterkünfte würden laut Tielke 1,98 Millionen Euro kosten, die Nutzungsdauer liege bei 50 bis 60 Jahren. Grünen-Fraktionschef Martin Metz sagte: "Wir stehen dem sehr skeptisch gegenüber, zuerst sollten kleine, dezentrale Einrichtungen geprüft werden."

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