Lesung in der Stadtbibliothek Autorin liest in Siegburg über Kriegserlebnisse ihres Vaters

Siegburg · Dorothee Haentjes-Holländer verarbeitet die Kriegserlebnisse ihres Vaters Paul Haentjes in einem Buch. Nun hat sie einige Auszüge daraus in der Siegburger Stadtbibliothek vorgelesen.

 Dorothee Haentjes-Holländer berichtete, wie Schüler in das NS-Regime eingebunden wurden.

Dorothee Haentjes-Holländer berichtete, wie Schüler in das NS-Regime eingebunden wurden.

Foto: Paul Kieras

Am 30. Januar 1933 begann die Herrschaft der Nationalsozialisten, die Deutschland in den Zweiten Weltkrieg führte. Paul Haentjes wurde als 15-jähriger in die Wehrmacht eingezogen und damit in den Krieg mit all seinen Grauen. Seine Erfahrungen, Entbehrungen und Empfindungen beschrieb er in Briefen.

Er sammelte Zeitungsartikel und Fotos, die seine Tochter, die Autorin Dorothee Haentjes-Holländer, in seinem Nachlass fand. Aus diesen sehr persönlichen Dokumenten entstand ihr Buch „Paul und der Krieg“. Auf Einladung des Freundeskreises der Stadtbibliothek Siegburg las sie Auszüge daraus vor und stellte dem Publikum parallel ihren Vater vor und beleuchtete, wie ihn die Kriegsjahre geprägt hatten.

Wie er schon früh vom nationalsozialistischen Gedankengut indoktriniert wurde, vom unbeschwerten, euphorischen Schüler für die Ideologie der Nazis zu einem „Opfer“ der NS-Propaganda wurde, aber auch schnell die Unmenschlichkeit des barbarischen Regimes erkannte. Adolf Hitler hat 1938 in Reichenberg im Sudetenland eine Rede gehalten, in der er seine Idealvorstellungen über die Erziehung der deutschen Jugend vortrug. Darin beschrieb er, wie männliche Jugendliche ab dem Alter von zehn Jahren lückenlos verschiedene Organisationen durchlaufen und „ganze Nationalsozialisten“ werden. Er endete mit dem Ausruf: „und sie werden nicht mehr frei ihr ganzes Leben“.

Haentjes-Holländer erklärte: „Mein Vater ist nicht mehr frei geworden in seinem ganzen Leben“, obwohl er nie vom Krieg erzählt habe. Das Buch beginnt am 15. Februar 1943, an dem Tag, als Paul zusammen mit seinen Klassenkameraden als Luftwaffenhelfer zu den Flugabwehrkanonen (Flak) in Schwarzrheindorf, Stadtbezirk Bonn-Beuel, eingezogen wurde. Bestens gelaunt fiebern die Jungen an diesem Morgen an der Haltestelle der Rheinuferbahn in Köln ihrer Zukunft entgegen. „Er denkt in dem Moment nicht an die politische Großwetterlage, sondern nur an das, was vor ihm liegt. Für ihn klingt es nach einem großen Abenteuer: Paul wird Flakhelfer“, schildert Haentjes-Holländer die damalige Gemütslage des Vaters.

Schon bald kam den Jungen „die Begeisterung abhanden“. Sie sind in der Pubertät, ihre Aufmüpfigkeit wird hart bestraft, die Verpflegung reicht bei Weitem nicht für ihren Hunger und aus dem angekündigtem halben Jahr als Flakhelfer werden eineinhalb Jahre, berichtete die Autorin. Anschließend schickte man Paul nach ihren Recherchen zur Ausbildung zum Kriegsoffizier, wo er lediglich an Attrappen ausgebildet und dann an die Front an die Elbe geschickt wurde.

Er begab sich freiwillig in amerikanische Gefangenschaft, verbrachte einige Wochen unter katastrophalen Bedingungen im Kriegsgefangenenlager in Bad Kreuznach, wurde dann entlassen. Der Krieg war damit auch für ihn vorbei. Dorothee Haentjes-Holländer zeigt am Beispiel ihres Vaters eindrucksvoll, wie Tausende von Jugendlichen von einer Diktatur, für die der Einzelne nicht zählte, ihrer Kindheit beraubt und als „Kanonenfutter“ geopfert wurden. Unvergessen für alle, die dieser Hölle halbwegs unversehrt entkommen konnten.

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