Not macht erfinderisch Ausstellung im Stadtmuseum erinnert an Hungerjahre im Ersten Weltkrieg

Siegburg · Vor nicht einmal hundert Jahren litt die Bevölkerung Hunger. Auch in Siegburg. Nicht einmal Kartoffeln gab es, stattdessen kamen Steckrüben auf die Teller. Eine Ausstellung im Stadtmuseum Siegburg befasst sich mit der Hungersnot zwischen 1916 und 1918.

 Andrea Korte Böger mit Steckrüben, die im Ersten Weltkrieg als Hauptnahrungsmittel dienten.

Andrea Korte Böger mit Steckrüben, die im Ersten Weltkrieg als Hauptnahrungsmittel dienten.

Foto: Paul Kieras

„Die Bevölkerung hat gehungert, aber den Soldaten in den Schützengräben ging es noch dreckiger.“ Mit diesen Worten eröffnete Stadtarchivarin Andrea Korte-Böger am Dienstagabend eine kleine, aber hoch interessante Ausstellung im Stadtmuseum über die Hungersnot, die während des Ersten Weltkriegs in Deutschland herrschte und von der auch Siegburg betroffen war. Die gezeigten Exponate, überwiegend Notkochbücher, stammen zum größten Teil aus ihrer eigenen Sammlung.

In ihrem einführenden Vortrag beleuchtete die Stadtarchivarin vor allem die Gründe, wie es zu der Hungersnot kommen konnte. Nach ihren Worten lag es hauptsächlich daran, dass das Deutsche Reich zu Beginn des Ersten Weltkriegs 1914 „nicht auf Kriegszeiten eingerichtet“ war. Anfangs herrschte kein Mangel, weil über neutrale Länder Lebensmittel und Rohstoffe importiert werden konnten, das Rheinland bezog Waren aus den Niederlanden. Wegen der 1914 durch England verhängten Seeblockade riss die Versorgung bald ab, Lebensmittel wurden zwangsbewirtschaftet, der Verkauf erfolgte über Lebensmittelkarten.

Wie auf die Lebensmittelknappheit in Siegburg reagiert wurde, ist einer Übersichtstafel zu entnehmen, die die Ausstellung ergänzt. Danach wurde beispielsweise im März 1915 die Brotkarte eingeführt, im April desselben Jahres der Ackerbau mit Ackerfrüchten intensiviert. Verheerende Folgen für die Deutschen als „Kartoffelvolk“ habe die Missernte bei den Kartoffeln bei gleichzeitiger Misswirtschaft der Verwaltung gehabt, so Korte-Böger.

Im Winter 1916/17 sei es zu einer großen Hungersnot gekommen. Bis dahin seien Kartoffeln jeweils zu einem Drittel zum Kochen, zum Brennen von Schnaps und für die Schweinemast genutzt worden. Fatale Auswirkungen hatte damals der sogenannte „Schweinemord“. Zunächst gab es Fleisch im Überfluss, aber da es noch keine Kühlhäuser gab und man Fleisch durch Räuchern und Pökeln nur kurzzeitig aufbewahren konnte, fehlte es den Menschen bald an notwendigen Nährstoffen wie Eiweiß und Fett.

Korte-Böger wies darauf hin, dass durch Mangelerscheinungen nach dem Krieg mehr Menschen gestorben seien als an Hunger. Not machte erfinderisch und so wurden unter anderem Steckrüben, eigentlich ein Viehfutter, zum wichtigsten Nahrungsmittel. Aber auch alles, „was Spitzenköche heute als sogenannte 'Grüne Küche' wiederentdeckt haben“, wie Korte-Böger erklärte. Rezepte findet der Besucher bereits in den Notkochbüchern.

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