Katastrophenschutz in der Region So schützt sich der Rhein-Sieg-Kreis vor Hochwasser

RHEIN-SIEG-KREIS · Im Rhein-Sieg-Kreis bekommen Bäche wieder mehr Platz, um sich auszudehnen. Planer und Feuerwehr arbeiten zusammen bei der Bekämpfung der Auswirkungen von Hochwasser.

In Sachen Unwetter kennen sich die Wachtberger aus: Drei Mal in den vergangenen neun Jahren – 2010, 2013 und 2016 – traf ein sogenanntes Jahrhunderthochwasser die Gemeinde. Vor drei Jahren mit besonders verheerenden Folgen. Und um die Auswirkungen künftig zu minimieren, investieren die Verantwortlichen im Berkumer Rathaus viel Geld in den Hochwasserschutz. Aktuelles Beispiel: In Werthhoven führen die Gemeindewerke unter Leitung von Vorstand Volker Strehl und Hochwasserexpertin Katharina Hark seit über einem Jahr eine Unwetterschutzmaßnahme durch, die bislang auf Gemeindegebiet ihresgleichen sucht. Eine komplette Kreuzung wird so umgebaut, dass eine Sturzflut in den Mehlemer Bach abfließen kann. Gesamtkosten: 2,7 Millionen Euro.

Bauprojekte an Bächen, die bei Starkregen zum reißenden Fluss werden können, stehen auch in verschiedenen anderen Kreiskommunen an. „Kleinere Gewässer sind oft verrohrt, und das Abflussprofil ist nicht ausreichend. Gerade bei Starkregen ist das Gefahrenpotenzial groß“, sagt Martina Noethen, Geschäftsführerin des Wasserverbandes Rhein-Sieg, der für den Hochwasserschutz in den 13 rechtsrheinischen Kommunen zuständig ist. Zurzeit ist der Wasserverband dabei, ein Konzept für verbesserten technischen Hochwasserschutz in Sankt-Augustin-Birlinghoven zu erstellen. In diesem Jahr soll außerdem der Ausbau des Flutgrabens in Hennef-Geistingen beginnen, der naturnah gestaltet wird. Ein weiteres großes Projekt, das im Sommer ins Planfeststellungsverfahren gehen soll, sind Renaturierung und Hochwasserschutz am Möschbach in Bad Honnef.

Im linksrheinischen Alfter hat die Politik gerade beschlossen, Starkregengefahrenkarten erstellen zu lassen (der GA berichtete). 2014 wurde hier bereits ein 800 Meter langer Entlastungsgraben vom Schlossweg bis zur Stadtbahnlinie 18 angelegt, der die Wassermassen aus den Hangbereichen abfängt und ableitet. Bei den aktuellen Neubaugebieten werden Stauraumkanäle und Regenrückhaltebecken mit eingeplant.

Aufwenige Bauarbeiten zum Hochwasserschutz

Wie aufwendig der Starkregenschutz im Einzelfall ist, zeigt das Beispiel aus Wachtberg: Unter der besagten Kreuzung Ahrtalstraße/Birresdorfer Straße wird ein eigener Kanal verlegt, der die Sturzfluten geführter als bislang unter der Straße Zum Rheintal über die Kreisstraße/Fraunhoferstraße hinaus in Richtung Mehlemer Bach ableiten soll. Geplant war, dass die Arbeiten in diesem März fertig sind, doch laut Strehl wird das ganze Projekt rund drei Monate länger dauern: „Dies war dem schlechten Wetter geschuldet und einer zusätzlichen Baumaßnahme, die wir so nicht geplant hatten.“ Drei Haushalte an der Straße Zum Rheintal wurden nämlich an das Abwasserkanalnetz angeschlossen, weshalb ein neues Abwasserrohr verlegt und eine Pumpstation errichtet werden musste.

Aus Sicht der Gemeindewerke bekommt die leidgeprüfte Ortschaft Werthhoven, die aufgrund ihrer ungünstigen Tallage von starken Hangabflüssen bei den letzten Unwettern betroffen war, jetzt ein deutliches Plus an Sicherheit. In der Vergangenheit waren immer wieder Sturzfluten von den umliegenden Höhen zusammengelaufen und hatten sich dann an der Kreuzung zurückgestaut. „Die Kreuzung ist genau in der Mitte erhöht“, erklärt Expertin Katharina Hark. Die Folge: Zahlreiche Keller standen unter Wasser.

Daher ist ein zentraler Bestandteil der Baumaßnahme nicht nur die Verlegung eines neuen Kanals: „Auch werden wir das Niveau der Kreuzung absenken, damit sich das Wasser hier nicht zurückstaut, sondern durchgängig talwärts abfließen kann“, sagt Hark. Das Anbringen erhöhter Randsteine am Fahrbahnrand soll dafür sorgen, „dass die Sturzfluten oberirdisch geführt abfließen können“.

Wenn alles nach Plan läuft und die Arbeiten im Kreuzungsbereich im Juni getan sind, ist aber noch längst nicht Schluss mit dem Unwetterschutz im Ort. Gemeindewerkevorstand Strehl plant noch zwei weitere Maßnahmen: „Voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte wollen wir damit beginnen, auch die Situation auf der Straße Im Tal zu verbessern.“ Geplant seien hier auf etwa 100 Metern rund 70 Zentimeter breite Kastenrinnen in die Straße einzulassen, in denen Starkregen abfließen kann. Autos können problemlos auf Gittern über die Kastenrinnen fahren.

Wachtberg im Krisenmanagemen weit vorne

Schwieriger dürfte die Verbesserung einer weiteren neuralgischen Stelle im Ort werden: Die Rede ist von der Straße Alter Hof, die praktisch bei jedem der letzten Unwetter massiv betroffen war. Der Grund: Der Mehlemer Bach trifft hier auf eine viel zu enge Verrohrung, die unter mehreren Grundstücken weitergeführt wird. Strehl hatte bereits einen Lösungsvorschlag vorgestellt: die Verlegung eines „Bypass-Kanals“. Wie der finanziert werden könnte, ist allerdings noch offen.

Die Wachtberger sind nicht nur beim baulichen Hochwasserschutz, sondern auch beim Krisenmanagement weit vorne. Die Freiwillige Feuerwehr hat ihr Einsatzkonzept für Unwetter geändert: Wehrleute, die sich in ihrem Ortsteil auskennen, bleiben dort und rücken sofort zu neuralgischen Punkten aus. Auswärtige Kräfte, die bei großen Ereignissen hinzugezogen werden müssen, haben dann ortskundige Kollegen an ihrer Seite. Auch der Fuhrpark wurde angepasst: alle Feuerwehrfahrzeuge haben Pumpen und Stromerzeuger dabei. Außerdem können zusätzliche Container mit Pumpen und Stromaggregaten bei Bedarf in den Gerätewagen geladen und an zusätzlichen Einsatzorten abgesetzt werden. Jeweils drei Leute arbeiten dort autark, ohne auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen zu sein. „Wir können unser Personal so effizienter in der Fläche verteilen“, erklärt Wehrleiter Markus Zettelmeyer.

Ein Problem haben alle Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis: Punktueller Starkregen lässt sich trotz Regenradars, Wetter- und Warn-Apps nur schwer voraussagen. Der Wasserverband Rhein-Sieg hat deshalb im Rahmen des NRW-Strukturprogramms Regionale 2025 einen Projektantrag für ein Frühwarnsystem gestellt. Die Idee: Die Informationen von Messstellen und kommunalen Einsatzkräften sollen in einer App zusammengeführt werden, die Betroffenen anzeigt, wann sie Schutzmaßnahmen ergreifen müssen.

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