Geschichte in Siegburg Siegburger Gymnasiasten besuchen KZ Buchenwald

Siegburg/Weimar · Schüler des Anno-Gymnasiums besuchen die Gedenkstätte des KZ Buchenwald in Weimar. Wir haben die Schüler dabei begleitet, wie sie in die deutsche Geschichte eintauchten.

Am 11. April 1945 haben amerikanische Soldaten das Konzentrationslager Buchenwald auf dem Ettersberg, rund acht Kilometer von Weimar entfernt, befreit. Zwischen 1937 und 1945 waren dort rund 280 000 Menschen aus mehr als 50 Nationen inhaftiert, etwa 56 000 von ihnen kamen in Buchenwald und seinen Außenlagern ums Leben – erfroren, verhungert, ermordet. Zum 74. Jahrestag der Befreiung besuchte eine Schülergruppe des Anno-Gymnasiums unter Leitung von Schul-Pfarrerin Annette Hirzel am vergangenen Wochenende die heutige Gedenkstätte und nahm an der offiziellen Gedenkfeier auf dem ehemaligen Appellplatz teil.

Insgesamt war es die sechste Fahrt, die Hirzel organisiert hatte. Sie erklärte dazu: „Es sind keine Trauerreisen, sondern Ermutigungsfahrten, um den Wert der Freiheit zu schätzen und sich dafür einzusetzen.“ Die Gruppe bestand aus Schülern ab der neunten Klasse, da sie im Gegensatz zu Schülern aus Klassen darunter den Holocaust bereits im Unterricht behandeln. Den Jüngeren fehlt laut Hirzel noch das für eine solche Besichtigung notwendige geschichtliche Wissen.

Bevor es nach Buchenwald ging, stand eine Besichtigung des ehemaligen Verwaltungsgebäudes des Familienunternehmens „Topf & Söhne“ in Erfurt auf dem Programm, in dem eine Dauerausstellung unter dem Titel „Techniker der Endlösung – Topf & Söhne – Die Ofenbauer von Auschwitz“ untergebracht ist. Die Schüler zeigten sich fassungslos darüber, dass das Unternehmen Öfen konzipierte, um Tötung und Leichenbeseitigung ohne Unterbrechung kostengünstig zu ermöglichen und dabei möglichst wenige Spuren zu hinterlassen. Alicia Koziarowski (16) sagte: „Mich schockiert es, wie Menschen in der Lage sein können, gezielt eine Konstruktion zu entwickeln, die das schnelle Verbrennen von Menschen ermöglicht.“

In Konkurrenz stand die Erfurter Firma zum Berliner Unternehmen Kori, was Marlon Beisner (15) so kommentierte: „Mir wurde erst später im Lager Buchenwald langsam bewusst, wie surreal der Wettkampf um den perfekten und effizientesten Mord war.“ Rebecca Neuhoff (18) nannte es „Abgründe der Menschheit“. Als „mitnehmenden Moment“ bezeichnete Alicia Koziarowski es, als sie vor den Öfen in Buchenwald stand, „an einem Ort, wo Gefangene andere Gefangene, die qualvoll gestorben sind, in die Öfen geschoben haben.“ Beim Rundgang über das Gelände und durch die Gebäude „habe ich die ganze Zeit eine leicht bedrückte Stimmung wahrgenommen“, schilderte Marlon Beisner seinen Eindruck, und Roman Behrend (15) ergänzte: „In der Schule haben wir schlicht nur über Zahlen gesprochen. Man sollte aber im Hinterkopf behalten, wie viel jeder Einzelne leiden musste.“

Rebecca Neuhoff sprach aus, was alle anderen ebenso empfanden: „In Buchenwald standen Mord und Entmenschlichung auf der Tagesordnung. Es herrschte das Willkürprinzip, nach dem die Soldaten der SS vorgingen.“ Die gezielte Demütigung der Menschen wie etwa durch den Schriftzug „Jedem das Seine“ im Eingangstor beweise „die krankhafte, fanatische und verwerfliche Einstellung der Nationalsozialisten“, so die 18-Jährige. Caroline Schmitz (17) zeigte sich wie ihre Mitschüler tief bewegt: „Wenn man sich in den Gebäuden bewegt und auf Böden steht, wo Leichen gelegen haben, stellt man sich viele Fragen, etwa, warum es so weit kommen konnte und warum die SS-Leute so wenig Hemmungen hatten.“

Eine der eindrucksvollsten Begegnungen mit der Vergangenheit war sicher das Treffen mit dem Zeitzeugen Naftali Fürst aus Israel. Er hat als Zwölfjähriger nach dem Todesmarsch von Auschwitz die Befreiung in Buchenwald miterlebt, war schon mehrfach am Anno-Gymnasium zu Gast. Von ihm erfuhren die Gymnasiasten unter anderem, dass er 60 Jahre lang nicht über seine Erlebnisse und auch nicht mehr in seiner Muttersprache Deutsch gesprochen hat. Anfangs sei es ihm schwer gefallen, nach Buchenwald zurückzukehren. Er fühle sich aber in der Verpflichtung, das Erlebte zu erzählen. Auf die Frage nach seiner Meinung zur AfD wurde Fürst sehr ernst. Der Erfolg der Rechtspopulisten mache ihn traurig, und er habe das Gefühl, dass die Zahl der Rechtsradikalen in Deutschland in den letzten zehn Jahren angestiegen sei.

Den Anblick des gesamten Geländes und den Gang durch das Tor, durch das schon „so viele Menschen in die Hölle gegangen“ seien, nehme sie als besondere Erfahrung mit, resümierte Caroline Schmitz. Die ganze Gruppe betonte, sich dafür einsetzen zu wollen, dass sich so etwas niemals wiederholen könne. Rebecca Neuhoff hob die Wichtigkeit hervor, die Erinnerungskultur weiterzuführen. „Nur durch Aufklärung kann die Wiederholung solcher Gräueltaten verhindert werden“, ist sie überzeugt. Und Alicia Koziarowski stellte erleichtert fest, „was für ein Glück wir haben, das alles nicht erlebt haben zu müssen.“

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