GA-Serie: Was steckt hinter... Einblicke in die Schatzkammer der Siegburger Kirche von Sankt Servatius

SIEGBURG · Gold, Edelsteine und Kostbarkeiten aus vielen Teilen der Welt: All das befindet sich in der Schatzkammer der Pfarrkirche von Sankt Servatius. Der GA bekommt einen Einblick.

 Blickfang in der Schatzkammer: Der Annoschrein ist eine beeindruckende Kostbarkeit.

Blickfang in der Schatzkammer: Der Annoschrein ist eine beeindruckende Kostbarkeit.

Foto: HOLGER ARNDT

Die Zahl ist immens. 738 Heilige waren einst in der Benediktiner-Abtei auf dem Siegburger Michaelsberg vereint. Vielmehr ihre Reliquien, sorgsam aufbewahrt in kunstvoll gestalteten und kostbaren Schreinen und anderen Gefäßen. „So viele Heilige, die für die Menschen und Mönche beten konnten, das war der eigentliche Schatz der Abtei“, sagt Siegburgs Stadtarchivarin Andrea Korte-Böger. Die Heiligen seien der direkte Draht zu Gott. Inzwischen ist der Abteischatz der Siegburger Pfarrgemeinde Sankt Servatius anvertraut – und in der Schatzkammer auf der Südempore der Pfarrkirche zu bewundern.

Es ist ein Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren. Etwas oberhalb des Kirchenschiffs gelegen, ruhen die Gebeine der verschiedenen Heiligen in ihren kostbaren Schreinen, Kisten und Truhen. Irdische Relikte von Menschen mit einer besonderen Strahlkraft, die heilig gesprochen wurden und damit ihre neue Heimat im Himmel bei Gott gefunden haben. Vier Schreine stehen in klimatisierten Vitrinen auf der Empore. Sie bewahren die Überreste der Heiligen Benignus, Mauritius und Innocentius, Honoratus und Anno. Der Schrein des früheren Kölner Erzbischofs Anno II., des Gründers der Siegburger Abtei, steht entsprechend seiner Bedeutung an exponierter Stelle.

Zum Schutz vor Plünderung eingemauert

Nikolaus von Verdun hat den wertvollen Schrein, in dem Annos Gebeine seit seiner Heiligsprechung im Jahr 1183 ruhen, gebaut. Bis zur Auflösung der Abtei vor sieben Jahren stand das kostbare Kunstwerk in der Seitenkapelle der Abteikirche. So hatte es der Erzbischof selbst verfügt, er wollte in seiner Lieblingsabtei bestattet sein. Diesen Wunsch respektieren die Siegburger bis heute, auch wenn sein Schrein inzwischen in der vor zwei Jahren wiedereröffneten Schatzkammer am Markt steht. „Einige Reliquien des heiligen Anno liegen nach wie vor in einer barocken Kiste oben in Sankt Michael“, erklärt Andrea Korte-Böger.

Zuletzt habe der Schrein nur noch „leihweise“ in der Abteikirche gestanden. Denn während der französischen Besatzung wurde das Siegburger Kloster 1803 wie alle kirchlichen Güter und Klöster verweltlicht. Seine Schätze gingen später an die Pfarrei Sankt Servatius, auch der Anno-Schrein. Die bewahrte ihre Schätze während des Ersten Weltkriegs in den Kellern der Pfarrkirche Sankt Anno vor Plünderungen. „Während des Zweiten Weltkriegs waren sie eingemauert“, erklärt Korte-Böger, warum alles bis heute erhalten ist.

1949 kehrte auch der heilige Anno zurück auf seinen Michaelsberg. „Ein Teil der Gebeine wurde den Benediktinern geschenkt“, so die Stadtarchivarin. In den 50er Jahren kam der Schrein als Dauerleihgabe in die Abteikirche. Es gibt viel zu entdecken auf Annos Schrein: Figuren, die in ihrer Ausführung darauf schließen lassen, dass zwei Meister am Werk waren, Emailesäulen, Reliefs, Edelsteine.

Teile wurden möglicherweise zu Geld gemacht

„Jedes Detail erzählt eine Geschichte“, sagt die Historikerin. Auch die leeren Bronzeplatten an Dach und Seitenwänden: Sie zeigen, dass er früher noch sehr viel reicher verziert gewesen sein muss. Die Reliefs und Figuren, wie sie der Honoratusschrein noch trägt, sind seit Beginn des 19. Jahrhunderts verschwunden. „Was genau damit geschehen ist, ist nicht überliefert“, sagt Korte-Böger. Gegen Plünderung durch Soldaten spreche, dass viele wertvolle Stücke noch erhalten sind. „Vielleicht wurden sie aus Geldmangel eingeschmolzen.“

Ein Schrein aus dem Kirchenschatz steht nicht bei den anderen auf der Empore. Er befindet sich unten im Chor, eingelassen in den Hochaltar, der 1909 als Anno-Altar gebaut wurde. „Früher war dort der Annoschrein“, weiß Korte-Böger. Deswegen füllt der kleinere Apollinarisschrein, der vor Weihnachten nach seiner Restaurierung nach Siegburg zurückgekehrt ist, den Raum nicht. „Man kann unter dem Schrein hindurchgehen und so den Segen des Heiligen mitnehmen“, erklärt die Vorsitzende des Vereins der Freunde und Förderer des Michaelsberges.

Neben originären Reliquien, wie Knochen, Haaren oder Nägeln der Heiligen, birgt der Servatiusschatz auch Berührungsreliquien, also Gegenstände, die die Heiligen einmal selbst oder deren Reliquie berührt haben. Wie Annos Bischofsstab, ein Elfenbeinkamm, der in seinem Grab gelegen haben soll, oder auch Stoffe, in die Gebeine von Heiligen gewickelt waren.

Korte-Böger lenkt den Blick auf den Mauritius-Tragaltar. Wer sich in richtiger Augenhöhe seiner Vitrine nähert, blickt – dank vielfacher Spiegelungen – scheinbar in die Unendlichkeit. Zwischen Himmel und Erde.

Die Schatzkammer kann dienstags bis freitags von 11 bis 17 Uhr in Sankt Servatius am Siegburger Markt besichtigt werden. Der Besuch ist kostenlos, ebenso der Ausstellungsführer. Geführte Begehungen können im Pastoralbüro unter 0 22 41/ 97 16 90 vereinbart werden.

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