GA-Serie "Siegburg im Wandel" Die Siegburger Holzgasse ist wieder im Kommen

Siegburg · Mit der Bonner Pizzaria „Tuscolo“ und dem „Espressostudio Lais“ haben in der Holzgasse 2016 zwei neue Lokale geöffnet. Auch sonst scheint die Entwicklung in der traditionsreichen Fußgängerzone positiv zu sein.

 Erleuchtet: Das Haus Zum Tannenbaum, eines der ältesten Häuser Siegburgs.

Erleuchtet: Das Haus Zum Tannenbaum, eines der ältesten Häuser Siegburgs.

Foto: Holger Arndt

Die Holzgasse ist aus der Siegburger Fußgängerzone nicht wegzudenken. Schon früh, Anfang der 1980er Jahre, war sie autofrei. Am oberen Markt beginnend, schlängelt sie sich bis zur Zeithstraße. An beiden Seiten reihen sich Läden, die zu einem entspannten Stadtbummel einladen. Die Holzgasse ist nicht unbedingt das, was man als Prachtstraße bezeichnen würde. Aber sie ist geschichtsträchtiges Pflaster, eine der ältesten Straßen Siegburgs und Teil des Geschäftszentrums in der City. Und: Nach einigen Neuansiedlungen in jüngerer Vergangenheit ist die Holzgasse wieder im Kommen.

Die Straße am Fuße des Michaelsbergs war bereits Ende des 12. Jahrhunderts durch Stadtmauern geschützt. Ihren Namen hat sie vermutlich von dem früheren Straßenbelag. Die Holzgasse war mit Holzbohlen gepflastert. Bis zum 19. Jahrhundert war das Bild der Holzgasse durch Handwerker und ihre Werkstätten geprägt. Das änderte sich mit Beginn des 19. Jahrhunderts. Die rasch wachsende jüdische Gemeinde Siegburgs fand ihren Hauptwohnbereich in der Holzgasse. Hier herrschte nun der Handel. Ein kleiner Brunnen erinnert heute noch an die jüdische Gemeinde. Er markiert, wo früher eine Synagoge stand. Zerstört wurde der Bau 1938 in der Reichspogromnacht.

In den 70er Jahren kam die Abrissbirne

Der Großteil der alten Fachwerkhäuser an der Holzgasse überlebte den Zweiten Weltkrieg. Trotzdem sind kaum noch historische Bauten in der Straße zu finden. Die Fachwerkhäuser waren in der Nachkriegszeit heruntergekommen und ungepflegt, berichtet Stadtarchivarin Andrea Korte-Böger. In den 70er Jahren schlug vielfach die Abrissbirne zu: Die groß angelegte, vom Land NRW geförderte Stadtkernsanierung begann an der Holzgasse 1977, und sie erstreckte sich auch auf benachbarte Straßen wie die Grimmelsgasse und die Scheerengasse.

Damals wurden die Tiefgarage Holzgasse sowie eine neue Wohnanlage mit 47 Wohneinheiten errichtet. Die Mischung aus Wohnen und Dienstleistungsbetrieben sollte dazu beitragen, dass die Innenstadt nach Geschäftsschluss nicht „verödet“, wie es in einem zeitgenössischen Zeitungsbericht heißt.

Der General-Anzeiger berichtete seinerzeit, dass über die Gestaltung der Neubauten gerungen wurde: Keineswegs sollte ein „Betonblock ohne eine ansprechende Einfügung in das Stadtbild“ errichtet werden. Dementsprechend wollte die Stadt eine „feingliedrige Bebauung“, so lautete das Zauberwort. Der Bau der Tiefgarage war bedeutend für die Verkehrsentwicklung: Auch dadurch konnte in der Innenstadt die Fußgängerzone ausgeweitet werden, so auch auf der Holzgasse.

Die Neugestaltung der Holzgasse nahm einige Jahre in Anspruch; ihr heutiges Erscheinungsbild geht im Wesentlichen auf die späten 70er, frühen 80er Jahre zurück. 1985 kam noch die Citypassage dazu, die zwischen Kaiserstraße, Holzgasse und Brauhof eingerichtet wurde und in Hochzeiten 20 Fachgeschäfte beherbergte. Nach mehreren Geschäftsumbauten ist vom Charakter einer Passage heute aber nicht mehr viel übrig.

In der Häuserzeile befindet sich unter anderem die Postfiliale, ebenso die zum Jahreswechsel geschlossene Filiale von „Strauss Innovation“. Direkt im Anschluss ist das Karnevalskostüm-Geschäft Deiters eingezogen.

Fachgeschäfte prägen das Bild

Hier und dort gibt es sie aber noch, die historischen Bauten. Auf der oberen Holzgasse – Hausnummer 45 – fällt ein jahrhundertealtes Fachwerkhaus auf: Das Haus zum Tannenbaum wurde während der Stadtkernsanierung liebevoll hergerichtet. Seit 2012 ist dort unter anderem die Buchhandlung R² der Zwillingsbrüder Paul und Andreas Remmel untergebracht. „Das Fachwerk passt einfach zu Büchern“, so Andreas Remmel. Die Holzgasse sei in der Siegburger Fußgängerzone die intimste und charmanteste Straße. „Manchmal halten hier Touristen-Führungen und zeigen auf unsere Buchhandlung“, sagt Andreas Remmel amüsiert. Durch Lesungen, Konzerte und Ausstellungen hat sich das Fachwerkhaus inzwischen als kleine kulturelle Spielstätte etabliert.

Die Holzgasse ist neben der Kaiserstraße die zentrale Geschäftsstraße in Siegburg; geprägt wird sie von kleineren, auch inhabergeführten Fachgeschäften. Nur wenige Häuser vom Haus zum Tannenbaum entfernt verkauft Markus Busch Bierspezialitäten aus aller Welt. Seit drei Jahren berät er seine Kunden zu Bieren aus England, den USA, Namibia oder Grönland. Im Laden „Liebe Dinge“ findet der Stadtbummler hingegen allerlei Dekoration und Accessoires. Marike Reisinger aus „Liebe Dinge“ sagt: „Die Kunden, die in die Holzgasse kommen, legen Wert auf individuelle Beratung und persönlichen Kontakt.“

Das meint auch die 62-jährige Cornelia Schmitz. Die Siegburgerin ist auf einen Stadtbummel in ihrer liebsten Einkaufsstraße, der Holzgasse, unterwegs. „Ich bin froh, dass es hier keine Billigläden oder Ketten gibt.“

Mit seinem Fachgeschäft „Schleiferei Wolf“ ist Günter Wolf mittlerweile das Urgestein der Holzgasse. Sein Vater eröffnete 1966 die Schleiferei auf der oberen Holzgasse. Hier ist der 61-Jährige Günter Wolf groß geworden. Er kann sich noch gut daran erinnern, wie die Holzgasse während der Stadtkernsanierung zur Fußgängerzone wurde. „Das war für alle Ladenbesitzer schwer, als hier die Pflastersteine gelegt wurden“, erzählt er. Die Baustelle vor der Ladentür habe die Kunden ferngehalten. Eine ständig befahrene Straße wünscht sich der Scherenschleifer jedoch nicht zurück.

Er vermisst aber etwas Anderes: „Früher hatten wir hier eine richtig starke Holzgassen-Gemeinschaft“, erinnert sich der Siegburger. Vor einigen Jahren hätten aber die meisten alteingesessenen Ladeninhaber aus Altersgründen ihre Geschäfte geschlossen. Dennoch fühlt er sich wohl: „Der Laden ist mein zweites Zuhause.“

Die Holzgasse habe sich zudem in anderer Hinsicht wieder positiv entwickelt. Über Jahre stand ein Laden in der Mitte der Holzgasse (ehemals Musikhaus Tonger) leer. „Viele Fußgänger dachten deshalb, die Holzgasse hätte dort ihr Ende“, so Wolf. Diese seien dann meist wieder umgekehrt und nicht mehr bis zu den Läden der hinteren Holzgasse gekommen.

Im März 2016 ist nun Andrea Hoeveler in das Geschäft eingezogen und verkauft Dessous. Damit hat sie eine Lücke im Straßenbild gefüllt. „Früher war die Kaiserstraße bei den Fußgängern beliebter. Jetzt gibt es dort die Leerstände, und die Menschen kommen lieber in die Holzgasse“, sagt Wolf.

Auch was die Gastronomie betrifft, hat die Holzgasse aufgeholt: Mit der Bonner Pizzaria „Tuscolo“ (im ehemaligen „Caféhaus) und dem „Espressostudio Lais“ haben 2016 in Nachbarschaft des Brauhauses zwei Lokale geöffnet, die gut angenommen werden.

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