Rhein-Sieg-Kreis Acht Fragen zum Thema Rettungs-Apps

Rhein-Sieg-Kreis · Der Rhein-Sieg-Kreis berät über die Einführung von Rettungs-Apps, über die im Notfall Ersthelfer alarmiert werden sollen. Der GA hat den Stand der Planungen und die Hintergründe der Apps zusammengefasst.

Er kommt plötzlich und oft überraschend: ein Herzkreislaufstillstand. Dann zählt jede Sekunde. Umso schneller die Wiederbelebung startet, desto größer sind die Überlebenschancen. Doch laut Kreisverwaltung leisten in Deutschland in einem solchen Fall nur sehr selten Menschen Erste Hilfe. Deshalb hatte der Ausschuss für Rettungswesen und Katastrophenschutz des Rhein-Sieg-Kreises die Verwaltung Ende 2016 damit beauftragt, die Einführung einer sogenannten Rettungs-App zu prüfen. Dabei sollten aus Erfahrungen anderer Kreise einfließen. Rainer Dahm, Leiter des Amts für Bevölkerungsschutz, stellte die Ergebnisse nun vor.

Was sind Rettungs-Apps?

Rettungs-Apps ergänzen das System der Notfallrettung. Geht ein Notruf bei der Rettungsleitstelle ein, wird ein Ersthelfer in der Nähe über sein Smartphone alarmiert. Dabei bauen die Apps unter anderem auf das bereits vorhandene Potenzial von ärztlichem und nichtärztlichem Personal. Sie basieren jedoch auf Freiwilligkeit. Wer sich beteiligen möchte, muss sich zentral registrieren lassen und seine Qualifikation regelmäßig nachweisen.

Wann sind Rettungs-Apps sinnvoll?

Laut Dahm helfen sie dabei, das sogenannte therapiefreie Intervall zu senken, also die Zeit zwischen Notfall und Eintreffen des Rettungsdienstes. „Es steht völlig außer Zweifel: Jede Animation so früh wie möglich hilft, Leben zu retten.“ Wissenschaftliche Ergebnisse über die Effizienz der Apps stünden im Moment aber noch aus. Die Apps seien vor allem dort sinnvoll, wo die Hilfsfristen nur schwerlich eingehalten werden könnten, so der Amtsleiter. Im Rhein-Sieg-Kreis blieben die Helfer derzeit in 90 Prozent der Fälle innerhalb der Hilfsfristen. Heißt: Die Retter sind in Städten innerhalb von acht Minuten vor Ort, in ländlichen Gebieten in zwölf Minuten.

Welche Anbieter gibt es?

Inzwischen gibt es einige Anbieter solcher Apps. Der Rhein-Sieg-Kreis hat sich näher über die Systeme „Mobile Retter“, „FirstAED“ und „Meine Stadt rettet“ informiert, die laut Dahm aber nur schwer miteinander verglichen werden können. Die App „Mobile Retter“ wird bereits in den Kreisen Unna und Gütersloh eingesetzt. „FirstAED“ wird in Marburg und Freiburg getestet, „Meine Stadt rettet“ läuft in Lübeck als Pilotprojekt.

Welche Erfahrungen haben die Kreise Unna und Gütersloh gemacht?

Laut Dahm berichten die beiden Kreise von rund 20 Einsätzen im Monat. Dabei seien im Kreis Gütersloh mehr als 600 Helfer an das System angebunden, in drei von vier Fällen könne ein mobiler Retter den Einsatz übernehmen. Im Kreis Unna stehen zurzeit 462 Helfer bereit, in 66 Prozent der Fälle habe ein Retter einen Einsatz übernommen. Die Zeit des therapiefreien Intervalls habe deutlich gesenkt werden können. Die beiden Kreise stellen jedoch fest, dass das Interesse und die Motivation der Retter rückläufig ist.

Wo liegen die Probleme des Systems?

Die Rettungs-Apps bringen vor allem einen hohen Aufwand mit sich. Sei es bei der technischen Installation oder der Schulung, Begleitung und Betreuung der Helfer. Das habe sich in Unna und Gütersloh gezeigt, sagt Dahm. Dabei sei ursprünglich angedacht gewesen, dass das System nach dem Aufbau zu einem Selbstläufer werde. „Das hat so nicht funktioniert.“ Die Kreise hätten sogar mit eigenem Personal aushelfen müssen, berichtet der Amtsleiter. Auch für den Rhein-Sieg-Kreis rechnet er deshalb mit ein bis zwei Vollzeitstellen, die für die Datenpflege, Schulungen, Helfergewinnung und Qualitätsüberprüfung erforderlich seien.

Wie hoch sind die Kosten?

Sie sind je nach genutzter App unterschiedlich und können bis zu 70.000 Euro für die erstmalige Anbindung betragen. Der jährliche Betrieb könnte dann mit weiteren 50.000 Euro zu Buche schlagen, so der Kreis. Hinzu kommen die Kosten für weiteres Verwaltungspersonal. „Der gravierende Nachteil des Systems ist, dass es nicht über den Rettungsdienst finanziert werden kann“, sagt Dahm. „Die Kosten müssten über die Kreisumlage aufgebracht werden.“

Was schlägt der Kreis vor?

Laut Dahm hat die Verwaltung derzeit weder die Finanzen noch das Personal für ein solches System. „Jede Maßnahme, die hilft, Leben zu retten, macht Sinn“, sagt er. Aber: „Wäre die Bereitschaft in der Gesellschaft zu helfen höher, hätten die Apps keine so große Bedeutung.“

Was sagt die Politik?

Die Fraktionen sehen die Rettungs-Apps größtenteils als gute Sache. Nur für die FDP ist das Kosten-Nutzen-Verhältnis nicht gegeben. „Mir fehlt die Kreativität, wie der Rhein-Sieg-Kreis es hier zum Erfolg machen kann“, sagte Christian Koch. Er glaubt, dass die Zahl der Helfer nicht ausreichen werde. SPD und Linke verwiesen in diesem Zusammenhang auf die Ersthelfer in den Betrieben und die Hilfsorganisationen. Letztere sollen nun im weiteren Prozess eingebunden werden. Auf Antrag der CDU soll in der Septembersitzung zudem ein Vertreter der Rettungs-App „Mobile Retter“ referieren. Eine Entscheidung für oder gegen den Einsatz fiel noch nicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort