Die Kandidaten im Wahlkreis 97 Sebastian Hartmann (SPD) besuchte mehr als 4000 Haushalte

RHEIN-SIEG-KREIS · Der Treffpunkt ist denkbar unspektakulär. Für das GA-Kandidatenporträt zur Bundestagswahl hat sich Sebastian Hartmann die Fraktionsgeschäftsstelle der SPD im Siegburger Kreishaus ausgesucht. Keinen Wahlkampfauftritt, keinen Hausbesuch, obwohl sein Kalender seit Monaten voll davon ist.

 Sebastian Hartmann kommt aus Bornheim und wohnt auch dort, ist aber häufig in Siegburg - wie hier am Mühlengraben nahe dem Kreishaus.

Sebastian Hartmann kommt aus Bornheim und wohnt auch dort, ist aber häufig in Siegburg - wie hier am Mühlengraben nahe dem Kreishaus.

Foto: HOLGER ARNDT

Und doch ist es kein Zufall, dass Hartmann in sein Büro geladen hat. Es ist die Basisstation des Kommunalpolitikers Hartmann, der sowohl die Kreistagsfraktion als auch den Kreisverband der SPD leitet. Ein Bundestagskandidat, der in der Kommunalpolitik verwurzelt ist - das ist die Botschaft des 36-Jährigen. "Ich finde das kommunale Mandat spannend, es ist mein Fundament, es erdet mich."

Hartmann macht seit 20 Jahren Politik. Als Schüler des Clara-Schumann-Gymnasiums trat er 1993 den Jusos bei - weil er mit dem Asylkompromiss zwischen der Union und der Bundes-SPD nicht einverstanden war. Die SPD-Nachwuchsorganisation erwies sich als Sprungbrett für den Bornheimer, der nach dem Abitur zunächst Jura studierte. 1999 zog er in den Kreistag ein, 2000 kandidierte er bereits für den Landtag.

Im traditionell CDU-dominierten linksrheinischen Kreisgebiet war für den Newcomer zwar nichts zu holen. Dennoch erinnert sich Hartmann gerne an den Wahlkampf, für den der damalige Ministerpräsident Wolfgang Clement nach Bornheim kam. Er habe Clement eine konkrete Anregung zur damaligen Quarzabbau-Diskussion im Vorgebirge mit auf den Weg gegeben, die dieser dann auch gleich in Düsseldorf in die Tat umgesetzt habe. "Es hat mich an der SPD immer beeindruckt, dass man echte Chancen bekommt und sie nicht erst jahrelang 'ersitzen' muss", sagt Hartmann.

2004 übernahm er den Bornheimer SPD-Ortsverein, unter seiner maßgeblichen Mitwirkung konnte die Partei dort erstmals nach dem Zweiten Weltkrieg die absolute CDU-Mehrheit brechen und erstmals den Bürgermeister stellen. 2005 folgte Hartmann dem Troisdorfer Uwe Göllner, der damals sein Bundestagsmandat verloren hatte, als SPD-Kreisvorsitzender. Seit 2007 ist Hartmann Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion, die Kommunalwahl 2009 endete entsprechend dem Bundestrend mit einer Niederlage für die Kreis-SPD.

"Das war keine leichte Zeit. Aber mir war klar, dass ich nicht Kapitän auf einem Schönwetterdampfer werde", blickt er zurück. So führt er nun die größte Oppositionsfraktion im Kreistag und ist damit der einflussreichste Gegenspieler von Landrat Frithjof Kühn. In vielen aktuellen kreispolitischen Fragen grenzt er sich klar ab. Der Einstieg des Kreises bei der Rhenag? Finger weg. Der Bau der Südtangente? Bloß nicht - lieber die vorhandene Infrastruktur erhalten und ausbauen. "Meine Erfahrung ist: In der Kommunalpolitik muss man klar Ja oder Nein sagen", sagt er. "Das möchte ich nach Berlin mitnehmen, wenn ich in den Bundestag gewählt werde." Es sei nicht seriös, immer den Eindruck zu erwecken, dass alles möglich sei.

Das spürt er täglich bei seinen Hausbesuchen. Seit Juni hat er nach eigenen Angaben mehr als 4000 davon absolviert, bis in den hintersten Winkel Windecks. Erzählt der 36-Jährige davon, dann berichtet er nicht von den Frustrierten, die einem die Nase vor der Tür zuschlagen.

Ihm fallen dann als Erstes die positiven Erlebnisse ein, die ihm bei der schier endlosen Klinkenputzerei widerfahren sind: "Man spürt Anerkennung, auch bei Menschen, die keine SPD-Wähler sind." Hier eine Diskussion über den von der SPD geforderten gesetzlichen Mindestlohn, dort ein Gespräch über die Kontrolle des Finanzmarkts - Hartmann ist "gern bei den Menschen", wie er sagt. Klammer all seiner Themen von Kita-Ausbau bis Rente sei die soziale Gerechtigkeit. Das sei sein Kompass.In der SPD ist er gut vernetzt. Sein Jurastudium hat er nicht vollendet, stattdessen wurde er Organisationsberater und Coach. In dieser Funktion ist er auch innerhalb seiner Partei tätig. Außerdem gehört er zum Team von Martin Schulz, des Präsidenten des Europäischen Parlaments. Auch für dieses hat Hartmann schon kandidiert. 2009 war das, allerdings vergeblich.

Für die Bundestagswahl am 22. September steht er auf Platz 15 der SPD-Landesliste - ein durchaus aussichtsreicher Platz für den Sprung nach Berlin. Doch Hartmann will darauf nicht bauen. Er will den Wahlkreis gegen die CDU-Bundestagsabgeordnete Lisa Winkelmeier-Becker gewinnen. "Ich führe einen Erststimmenwahlkampf", sagt er. Geht er nach Berlin, will er nebenbei weiterhin in der Kreispolitik aktiv bleiben.

Bleibt da noch Zeit für Privates? Der Vollblutpolitiker Hartmann im Freizeitlook - schwer vorstellbar. Aber es kommt vor. Der Bornheimer wandert und reist gerne. Den Natursteig Sieg hat er komplett erwandert, und ein reizvolles Reiseziel ist für ihn Asien: "Das kenne ich bislang noch nicht."

Fünf Fragen an Sebastian Hartmann

Welche drei Dinge haben Sie immer im Kühlschrank?

Hartmann: Joghurt, Milch, Senf.

Welches Buch liegt bei Ihnen gerade auf dem Nachttisch?

Hartmann: "1913 - Der Sommer des Jahrhunderts" von Florian Illies.

Was war Ihr Lieblingsfach in der Schule?

Hartmann: Geschichte.

Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?

Hartmann: Mit dem Austragen von Werbung und Zeitungen - gemeinsam mit einem Freund. Er wurde Redakteur, und ich verteile heute noch gern meine SPD-Infos per Hand im Wahlkreis,

Auf welchem Konzert waren Sie zuletzt?

Hartmann: Burkhard Sondermeiers "Karneval einmal klassisch".

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