Sankt Augustiner berichtet aus Kenia Zwei Stunden Fußweg zur Schule

Sankt Augustin/Kenia · Der Sankt Augustiner Jan Ole Diekmann (18) berichtet über seinen Freiwilligendienst in einer kenianischen Schule. Das System dort unterscheidet sich grundlegend vom deutschen.

 Die kenianischen Privatschüler sitzen an Zweierbänken aus Holz und schreiben mit.

Die kenianischen Privatschüler sitzen an Zweierbänken aus Holz und schreiben mit.

Foto: Jan Ole Diekmann

Das Schulsystem in Kenia unterscheidet sich in seinem Aufbau grundlegend von unserem Schulsystem in Deutschland. Wir verbringen vier Jahre unserer Schulzeit in der Grundschule, dort sind es acht. Natürlich ist auch die Ausstattung, die Qualifikationen der Lehrer sowie der Ablauf des einzelnen Schultages anders als man sie als Deutscher vielleicht kennen mag.

Ich arbeite nun seit fast einem halben Jahr an meiner Projektschule „Highrise School Maso-go“. In dieser Zeit hat sich für mich hier bereits ein alltäglicher Tagesablauf entwickelt. Bevor es frühmorgens bei Sonnenaufgang zur Schule geht, trinke ich schnell einen Tee meiner Gastmutter und mache mich dann zu Fuß auf den Weg. Die Projektschule liegt etwa vier Kilometer von meinem Zuhause in Wambi entfernt. Möglichkeiten zur Schule zu gelangen, gibt es einige.

Neben der für Kenianer unbeliebten, jedoch kostengünstigen Variante des Laufens gibt es die kostenintensive Möglichkeit, eines der vielen Piki-Piki-Motorradtaxis zu nehmen. Zudem gibt es, seit nun etwa zwei Monaten, auch die Möglichkeit für einige Schüler, einen kleinen Schulbus für relativ wenig Geld zu nutzen. Dieser hat die Pünktlich-keit der Schüler erheblich verbessert, da einige doch aus sehr entfernten Orten kommen und aus Kostengründen teilweise bis zu zwei Stunden zur Schule laufen mussten. Als „Lehrer“ ist es mir möglich, diesen Schulbus kostenlos zu nutzen.

Doch warum denn nun laufen, wenn man doch diese geniale Möglichkeit hat? Diese Frage stellen sich auch immer wieder Einheimische, die ich morgens auf meinem Weg durch Zuckerrohrfelder, ein ausgetrocknetes Flussbett und fremde Höfe treffe. Häufig ist die verwirrte Frage: „Onge Pesa!?“, das so viel bedeutet wie „Du hast kein Geld!?“. Für einen Mzungu ist das hier kaum vorstellbar. Ich genieße einfach morgens und abends, diese kurze Zeit für mich selbst zu haben und dabei die schöne Landschaft zu betrachten.

Bevor der Unterricht beginnt, gibt es ein sogenanntes „Assembly“, also eine Versammlung aller Schüler und der Lehrerschaft. Zusammen wird die Nationalhymne gesungen, während die kenianische Flagge gehisst wird. Ein gemeinsames Gebet darf am Morgen ebenfalls nicht fehlen. Kenianische Grundschüler haben einen sehr langen Schultag. Unterrichtsbeginn ist um 7.30 Uhr und der Schultag endet mit einer weiteren Versammlung um 17 Uhr.

Da die Kinder so lange in der Schule sind und nach dieser meist zu Hause noch mit anpacken müssen, sind Hausaufgaben oft nicht erledigt. Weitere Faktoren wie beispielsweise das nicht Vorhandensein von Elektrizität erschweren zusätzlich die Schularbeit der Kinder in den Abendstunden. Das Schulgebäude der „Highrise“ besteht vollständig aus einem Holzkonstrukt, das mit Wellblech beplankt ist. In den Mittagsstunden wird es daher sehr warm und bei Regen ist wegen der Lautstärke in den Klassenräumen an Unterricht nicht mehr zu denken.

Die Klassenräume sind mit einer Tafel, also einem schwarz lackierten Brett, und einer Kobination aus Sitzbank und Tisch bestückt. Die Schüler sitzen und arbeiten daran meist zu zweit. Da die Schule eine Privatschule ist, wird sie nicht von der kenianischen Regierung unterstützt und mit Lehrmitteln versorgt. Sie finanziert sich nur über die Schulgebühren, die die Eltern der Kinder bezahlen. Dementsprechend ist die Ausstattung an Lehrmaterialien, wie Büchern, gering. Da auch die Familien der Schüler sich meist keine Bücher leisten können, muss fast alles vom Buch des Lehrers an die Tafel geschrieben und anschließend in die Hefte der Kinder abgeschrieben werden. Ohne eigene Bücher gestaltet sich auch das Lernen zu Hause schwierig.

Als Freiwilliger bin ich an der Schule zum generellen Sportlehrer ernannt worden, was mich immer wieder vor neue Herausforderungen stellt. Zum einen ist das Gelände der Schule extrem klein, es gibt keinen Sportplatz, und es ist mit einem Stacheldrahtzaun umgeben. Alleine der Stacheldrahtzaun macht es unmöglich, dass ein gewöhnlicher Fußball länger als zwei Wochen im Schulgebrauch überlebt.

Daraufhin habe ich in der nächstgrößeren Stadt in einem Supermarkt nach Plastikabfällen gefragt und diese mit einer Kordel zu einem stachelresistenten Ball geformt. Immer wieder muss man kreativ werden, was Materialien für den Sportunterricht angeht. Eine Privatschule in Kenia ist nicht mit dem zu vergleichen, was wir uns unter Privatschule vorstellen würden. Auch wenn mir oft gesagt wird, dass die Bildung der Kinder und der Unterricht an einer solchen Schule besser seien als an Regelschulen, kann ich es nicht so recht glauben. An meiner Projektschule arbeitet genau eine ausgebildete Lehrerin. Der Rest des Kollegiums hat, wie ich auch, keine Ausbildung. Die Lehrerschaft in einer staatlichen Schule ist allerdings voll ausgebildet.

Den einzigen Vorteil, den ich in den Privatschulen sehe, ist die geringe Klassenstärke. Bei mir an der Schule beträgt sie durchschnittlich etwa 20 Schüler, an einer staatlichen etwa 50 bis 60. Zudem kommt das Niveau der Sprachen. Da die Kinder an den Privatschulen nur die offiziellen Landessprachen sprechen dürfen, ist die Qualität, in der sie sprechen erheblich höher als die der Schüler an staatlichen Schulen, an denen auch oft die jeweilige Stammessprache verwendet wird.

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