Kinderklinik in Sankt Augustin "Wir schicken niemanden weg"

SANKT AUGUSTIN · Junge Patienten, die in Betten auf dem Flur liegend auf freie Zimmer warten - in der Kinderklinik in Sankt Augustin kommt dies immer wieder vor. Derartige Situationen seien aber nur symptomatisch und in der gesamten Kliniklandschaft immer wieder zu finden, heißt es dazu von der Klinik.

Im Flur von Station 3 der Asklepios Kinderklinik steht am Mittwochmittag ein Bett, darin liegt ein Junge. Im Skiurlaub hat er sich die Beine gebrochen. "Wir warten auf die Nachricht, ob heute schon operiert wird", sagt die Mutter, die nicht namentlich genannt werden möchte. Und sie ergänzt: "Und wir warten darauf, dass ein Kind abgeholt, damit ein Zimmer frei wird." Eigentlich wäre dies schon am Vormittag möglich gewesen, doch die Eltern des genesenen Patienten sind beide berufstätig, ist auf der Station zu erfahren.

Junge Patienten, die in Betten auf dem Flur liegend auf freie Zimmer warten: Das zeigten die in der Kinderklinik gedrehten Filmaufnahmen von Eltern, die sich an den Westdeutschen Rundfunk gewandt hatten. Sie machten auf die beengten Zustände in der Klinik aufmerksam. "Es war fast schon wie eine Bahnhofshalle, in der nur noch hin- und hergeschoben wurde", erklärten die Eltern, die unerkannt bleiben wollten, aber Lob und Anerkennung für die Arbeit des medizinischen Personals aussprachen.

Doch derartige Situationen sind nur symptomatisch und in der gesamten Kliniklandschaft immer wieder zu finden, bestätigen am Mittwoch Dr. Andreas Kottmeier, Geschäftsführer der Asklepios Kinderklinik Sankt Augustin, und Dr. med. Ehrenfried Schindler, Chefarzt der Kinderanästhesiologie und Ärztlicher Direktor des Hauses. "Es gibt Zeiten, da ist ein Krankenhaus wirklich voll. Das kommt in etwa drei bis vier Mal im Jahr vor, wenn zum Beispiel eine Infektionswelle auftritt - so wie jetzt", erklärt der Geschäftsführer. Und das sei derzeit bundesweit so, ergänzt der Ärztliche Direktor: "Wir schicken niemanden weg. Auch wenn nachts um drei Uhr jemand kommt, nehmen wir den auf."

Aber weil Notfälle nie planbar sind, sei das eine logistische Herausforderung, sagen Schindler und Kottmeier bei einem Rundgang über die Stationen. Betten auf dem Flur seien nie die Regel, aber zuweilen unvermeidbar - auch, weil nicht jeder Patient in jedes freie Zimmer gelegt werden könne, erklärt der Ärztliche Direktor.

Das Beispiel des jungen Skifahrers mit den gebrochenen Beinen zeigt eine weitere Ursache voller Flure: Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Doch an deren Behandlung orientieren sich die "Diagnosis Related Groups", kurz DRG und in der Branche "Fallpauschalen" genannt, auch für Kinder, sagt der Ärztliche Direktor Schindler. Seit der Einführung im Jahr 2004 bereite dies nahezu allen Kinderkliniken Probleme, sagt Geschäftsführer Kottmeier: "Diese Pauschalen spiegeln den Mehraufwand für die Behandlung von Kindern einfach nicht wieder. Wir sind ein Kalkulationshaus, das heißt, unsere Ist-Kosten werden für die Neukalkulation von derzeit sechs bis acht DRGs herangezogen. Doch dieser Prozess dauert rund 24 Monate."

Gerade die Betreuung der Kinder sei aufwendig und intensiv, sagt Kottmeier: "Bei rund 60 bis 70 Prozent der Kinder übernachtet ein Elternteil in oder an der Kinderklinik." Auch das sei ein Mehraufwand. Doch politische Signale für mehr Zuschüsse oder höhere Pauschalen gebe es keine. Derzeit kämpft die Kinderklinik nun vor Gericht um eine Sonderzahlung vom Land in Höhe von rund 10,4 Millionen Euro für dringend nötige Umbauten und Sanierungen. Auf das Glück einer Kinderklinik in München, die im November eine Spende in Höhe von 17 Millionen Euro eines Sultans aus dem Oman empfing, will Schindler nicht warten: "Mit der jetzigen Situation kann man sich nicht abfinden. Da muss man aktiv werden, und das muss wirklich auf allen Ebenen passieren."

Rote Zahlen

Die heutige Asklepios Kinderklinik in Sankt Augustin ist in die Jahre gekommen: Seit der Eröffnung im Mai 1971 haben sich Anforderungen, Behandlungstechniken und Patientenzahlen drastisch verändert. Insgesamt 225 Betten zählt das Haus, das nach der Insolvenz des ehemaligen Betreibers im Jahr 2003 gemeinsam mit dem im Jahr 2000 eröffneten Kinderherzzentrum vom Hamburger Träger Asklepios übernommen wurde. Seither steht die Kinderklinik im Millionenbereich in den roten Zahlen. Rund neun Millionen Euro an Eigenmitteln hat der Träger bislang in die Klinik investiert. Ein notwendiger Neu- und Anbau würde mit insgesamt rund 35 Millionen Euro zu Buche schlagen.

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