Jens Neutag erklärt das "Deutschland-Syndrom" "Wir können gar nicht anders"

SANKT AUGUSTIN · Wie wir so ticken, hat der Kabarettist Jens Neutag herausgefunden. Nach seiner Beobachtung neigt der Deutsche zu skurrilen Verhaltensweisen, will alles in geordneten Bahnen wissen, braucht immer einen Plan und zeichnet sich durch pingelige Genauigkeit aus.

 Bissig und nicht immer witzig: Der Kabarettist Jens Neutag.

Bissig und nicht immer witzig: Der Kabarettist Jens Neutag.

Foto: Paul Kieras

Kurz: Neutag hat das "Deutschland-Syndrom" entdeckt und sein Programm gleich unter diesen Titel gestellt.

Fast zwei Stunden hielt er dem Publikum im Haus Menden, das natürlich nicht zu den Zielscheiben seiner Verbalattacken gehörte, den Spiegel vor. Er stellte die Frage, ob Angela Merkels berühmte "Rauten-Geste" nur Teil einer perfiden Hypnosemethode sei und wir die Kanzlerin nur deshalb wählten, "weil wir gar nicht anders können". So wie Geiseln mit dem "Stockholm-Syndrom".

Er mimte den Alt-Sozialdemokraten aus dem "Pott" mit Staublunge und Raucherhusten, der wehmütig an die Ära Willy Brandt erinnert. Gefolgt seien dem unter anderem Scharping, "dessen Name nach Vogelgrippe klingt" und Schröder, "der Gasableser von Putin". Früher hätten die Sozis Arbeiterlieder geschmettert, "heute singt nur noch Andrea Nahles Pippi Langstrumpf" rief Neutags Alter Ego aus.

Außer der Politik bekamen unter anderem SUV-fahrende Outlet-Shopper und schmierige Immobilienmakler ihr Fett weg. Selbst der Teufel, der die Hölle in einer Einkaufsstraße eröffnen will, erlebt das "Deutschland-Syndrom", weil er die Vorschriften deutscher Behörden nicht erfüllt und ihm das Ordnungsamt daher die Betriebserlaubnis entzieht.

Mit Grausen dachte Neutag an den Besuch von Hallenbädern als pubertierender Jugendlicher zurück, wo der Schwimmmeister, "Sonnenkönig der Chlorkaribik", herrschte. Der Comedian hatte durchaus Witziges auf Lager, hetzte quer durch alle gesellschaftlichen Untiefen und erzielte immer wieder einen Wiedererkennungseffekt.

Trotzdem hatte man oft das Gefühl, es sei zu viel des Guten. Weniger wäre mehr gewesen. Ein Kalauer muss nicht noch getoppt werden. Gar nicht gut kam bei vielen Besuchern seine Überlegung an, wie die Kreuzigung wohl in Deutschland ausgesehen hätte. Er glaube aber nicht, dass es aufgrund der deutschen Bürokratie so einfach gewesen wäre, eine Genehmigung dafür zu bekommen.

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