Streetworkerin Jessica Linden in Sankt Augustin "Vertrauen ist das Wichtigste"

SANKT AUGUSTIN · Wenn Jessica Linden über ihre Arbeit spricht, spürt man Engagement und Solidarität mit jungen Menschen. Ihr Job ist es, in Sankt Augustin Jugendliche und junge Erwachsene - überwiegend junge Männer - auf Angebote der offenen Jugendarbeit aufmerksam zu machen und Kontakte herzustellen.

 Anlaufstelle: Das lila-blaue Wohnmobil von Jessica Linden steht Jugendlichen und jungen Erwachsenen offen.

Anlaufstelle: Das lila-blaue Wohnmobil von Jessica Linden steht Jugendlichen und jungen Erwachsenen offen.

Foto: Martina Welt

Man nimmt der blonden Frau mit dem offenen Lachen ab, dass sie wohl ihren Traumberuf gefunden hat. "Ich bin Streetworkerin mit Leib und Seele und sehr zufrieden mit meiner Arbeit", versichert die 27-Jährige.

Dabei war es keineswegs ihr Berufswunsch, Streetworkerin zu werden, als sie nach dem Abitur am Albert-Einstein-Gymnasium in Sankt Augustin an der Uni Gießen ihr Studium im Fach Außerschulische Bildung aufnahm. Nach dem Bachelor ging es weiter nach Köln, wo sie derzeit ihren Masterabschluss im Fach Berufliche Rehabilitation, Übergangsmanagement Schule-Beruf mit kognitiver Beeinträchtigung macht.

"Wenn's brennt, sprich mich an", fordert der Button an der Tür zu ihrem Büro die jungen Besucher im Jugendzentrum Matchbox auf. Angesichts der offenen Art von Jessica Linden dürfte das den meisten nicht schwer fallen, genauso, wie sie relativ unkompliziert mit den jungen Menschen auf der Straße ins Gespräch kommt. 20 Stunden pro Woche arbeitet die gebürtige Troisdorferin, die in Niederpleis aufgewachsen ist, aktuell als Streetworkerin. Im Außendienst ist sie in der Regel in männlicher Begleitung unterwegs. Abgesehen von zwei Büronachmittagen ist Linden mit ihrem Mobil auf der Straße anzutreffen, entweder mit der "cliquenspezifischen" oder der aufsuchenden Arbeit.

Die Johannesstraßen-Clique hat Linden von ihrer Vorgängerin vor zweieinhalb Jahren übernommen. Auf den dortigen Spielplatz fährt sie regelmäßig mit ihrem ein wenig in die Jahre gekommenen lila-blauen Wohnmobil. Zwischen 14 und 24 Jahre alt sind die Besucher des Streetwork-Mobils. Gesprächsthema ist vor allem ihre Zukunft. "Was mache ich nach der Schule?", das sei derzeit wichtigste Frage der 16- und 17-Jährigen, berichtet Linden. Aber auch über Probleme in der Familie tauschen sie sich aus.

Im Streetwork-Mobil wird viel gespielt, möglichst wenig aber mit den technischen Medien, die nicht besonders kommunikativ seien, so Linden. Auch Einzelfallhilfe zählt zu ihren Aufgaben, und wenn nötig geht die Streetworkerin in die Familien hinein und führt Gespräche mit den Eltern. "Das Wichtigste ist das Vertrauen. Das muss so stark sein, dass ich in die Privatsphäre der Jugendlichen eintreten kann", beschreibt Linden die Grundlage ihrer Arbeit. Sie stehe auf der Seite der Jugendlichen und vermittle ihnen das auch, doch sollten Regeln nicht eingehalten werden, spreche sie dies deutlich an. "Das klappt eigentlich super, ein Autoritätsproblem hatte ich bisher noch nie." Willkommen in ihrem Wohnmobil sind Kinder ab 13 Jahren, 16- und 17-jährige Jugendliche sind ihre Hauptkundschaft.

Lindens Erfahrung: "Wenn man die Jugendlichen freundlich anspricht, bekommt man in der Regel schnell Kontakt und auch Einsicht, wenn es um Lärm oder Müll geht." Das Vorurteil, die Jugendlichen tränken ja nur Alkohol, weist sie von sich. Gerade die Jüngeren träfen sich zum Fußballspielen. Überwiegend suchten sich Jungs die Straße als Treffpunkt, um sich unbeobachtet von Erwachsenen auszutauschen.

In der Winterzeit werden wettergeschützte Angebote genutzt, wie das "Betreten erlaubt" auf der Mirz in Menden. Aktuell wird dort gesprayt, und daher plant Jessica Linden ein Graffiti-Projekt. Einmal in zweieinhalb Jahren als Streetworkerin ist Jessica Linden in eine Auseinandersetzung zwischen einer marokkanischen und einer russischen Familie geraten - und das Gewaltpotenzial sei höher gewesen, als sie zuvor gedacht habe, erzählt sie. Ein Bürojob komme dennoch nicht für sie infrage: "Was die Jugendlichen mir geben, kann man nicht beschreiben." Linden spricht von einem fast schon "liebevollen Kontakt". "Die Jungs merken sofort, wenn ich mal einen schlechten Tag habe", berichtet sie. Der Preis für die Arbeit mit Menschen: "Man kann die Akte nicht einfach zuklappen, sondern hängt gerne schon mal eine Stunde dran, wenn noch etwas Wichtiges zu besprechen ist."

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