"Distel" in Sankt Augustin Spitzer Spott und klare Ansagen

SANKT AUGUSTIN · NSA, Steuerhinterziehung, Energiewende: An brisanten Themen fehlte es nicht beim Auftritt des Berliner Kabaretts "Distel" in der Aula des Sankt Augustiner Rhein-Sieg-Gymnasiums.

 Spitzzüngiges Duo: Dagmar Jäger und Michael Nitzel fühlen sich "Total Versteuert".

Spitzzüngiges Duo: Dagmar Jäger und Michael Nitzel fühlen sich "Total Versteuert".

Foto: Paul Kieras

Auf den T-Shirts der zwei Hauptdarsteller, Dagmar Jaeger und Michael Nitzel, steht "Total versteuert". Im Stück versuchen sich zwei Finanzbeamte an einen Hungerstreik für mehr Steuergerechtigkeit. Der Protestaktion stellen sich kleine und größere Hindernisse in den Weg, darunter die Interventionen des Vorgesetzten, verkörpert von Marko Bräutigam: "Ein Deutscher Beamter geht zum Streiken nicht ins Kabarett." Darauf die Steuerbeamtin: "Wenn ich auf dem Amt nichts mache, sagen sie auch nichts." Der Hungerstreik scheitert schließlich an den mitgebrachten "Stullen" des einen Beamten, und der Streik wird zu einer Geiselnahme des Publikums.

Aufgelockert wird die rasante Reise durch die Tagespolitik von musikalischen Einlagen, die beim Publikum sehr gut ankommen.

Tom Auffahrt und Fred Symann begleiten die Schauspieler mit großer Spielfreude und Können am Klavier, Synthesizer, Bass, Schlagzeug und der Melodika. Die Darsteller geben dazu auch gerne mal die ein oder andere Tanzeinlage. In jedem der kurzen Sketche, die die Haupthandlung unterbrechen, zeigt sich die Vielseitigkeit der Schauspieler. Als Soldaten in einer Satire auf Ursula von der Leyens Familienpolitik entschuldigen sie ihre Kollegen, die nicht am Angriff teilnehmen könnten, da sie gerade ihre Babys wickeln und ziehen dann davon, Kinderlieder singend.

Als arroganter Superreicher spricht Michael Nitzel Klartext: "Ein reicher Idiot bleibt am Ende des Tages immer noch reich" und "Es gibt verschiedene Möglichkeiten in unterschiedlichen Legalitätsstufen, sich der größten Plage der Menschheit, den Steuern, zu entziehen." Sein Geld mit dem Privatauto in die Schweiz zu schaffen, sei etwas für Anfänger. Die Namen Hoeneß, Blatter oder Maschmeyer werden im Laufe des Stückes des Öfteren erwähnt. Da müssten die Steuerfachbeamten als Robin Hoods des zweitältesten Gewerbes der Welt für Gerechtigkeit sorgen.

Licht, Ton, Technik und das vielseitig verwendbare Bühnenbild aus Bücherklötzen kommt etwa in den Zwischeneinlagen zur Energiewende und zum Umsatzsteuerbetrug zur Geltung. Letzteres erklärt eine Betrügerin ihrem Pfarrer bei der Beichte, woraufhin sich auch dieser für das Finanz-Karussell zu interessieren beginnt. Aktuelle Themen wie das Freihandelsabkommen TTIP, Drohnenkrieg aus dem Wohnzimmer und Pegida-Demonstrationen werden ebenso wenig ausgespart. Alle Texte sind spitz und direkt, die Schauspieler nehmen kein Blatt vor den Mund. So verspotten sie etwa die Bittstellerei der deutschen Delegation in der USA in der NSA-Krise.

Der gewitzte Biss und die kluge Schärfe wird vom Publikum oft mit Szenenapplaus belohnt. Viele Zuschauer sind langjährige Abonnenten: "Wir kommen schon seit mehreren Jahren regelmäßig aus Bonn zu den Theatervorstellungen nach Sankt Augustin", erzählten zwei Damen. Das Angebot sei breit gefächert; die Auswahl des Kabaretts Distel wird vom Publikum gelobt. Schon zu DDR-Zeiten haben die Ostberliner Satiriker subtile politische Sticheleien aufgeführt. Heute kann das erfolgreiche Ensemble ganz offen für klare Ansagen werben.

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