Architektur in Sankt Augustin Niederpleis hat einen Schinkel

Sankt Augustin · Die Kirche Sankt Martinus trägt Spuren des bedeutendsten Architekten Preußens Karl Friedrich Schinkel. Sie ist in der Schinkel-Galerie verzeichnet.

 Die Kirche hat sich stark verändert gegenüber dem Schinkel-Entwurf aber seine Spuren sind noch heute sichtbar sagen Pfarrer Peter Emontzpohl, Andreas Würbel und Heinrich Geerling (v.l.)

Die Kirche hat sich stark verändert gegenüber dem Schinkel-Entwurf aber seine Spuren sind noch heute sichtbar sagen Pfarrer Peter Emontzpohl, Andreas Würbel und Heinrich Geerling (v.l.)

Foto: Martina Welt

Karl Friedrich Schinkel gilt als bedeutendster preußischer Baumeister, Architekt, Stadtplaner und Maler des 19. Jahrhunderts. Dass er auch an der Niederpleiser Kirche Sankt Martinus entscheidend mitgewirkt hat, das war selbst für den leitenden Pfarrer Peter Emontzpohl, den Vorsitzenden des Pfarrgemeinderates, Andreas Würbel, und dem Architekten Heinrich Geerling neu. Letztgenannter war es schließlich, der diese Neuigkeit entdeckte.

„Ich habe Freunde in Berlin besucht und ging dort über den Gendarmenmarkt, wo ich Schinkelbauten begutachtete.“ Als er dann über dessen Bauten in der Bonner Region recherchierte, staunte Geerling nicht schlecht, dass auf der Seite der Schinkel-Galerie ein Reiter mit dem Namen „Niederpleis“ aufpoppte und dieser die Sankt Martinus Kirche als einen weiteren Schinkel-Bau auswies. Er trat daraufhin in Kontakt unter anderem mit seinem einstigen Klassenkameraden Andreas Würbel und Pfarrer Peter Emontzpohl. Die drei Männer begaben sich – jeder auf seine Weise – auf Spurensuche.

Schinkel überprüfte zu seiner Zeit fast alles, was in Preußen gebaut, saniert oder umgebaut werden sollte. „Ich habe eigentlich gedacht, dass ich vieles weiß über die Martinus-Kirche, aber dass Schinkel über Berlin am Neubau des Kirchenschiffs mitgewirkt hat, das war mir neu“, so Emontzpohl. Bis heute sind die damals genehmigten Entwürfe Schinkels, an denen er selbst Hand angelegt hat, noch am Kirchenschiff, dem so genannten „Langhaus“, erkennbar.

Bereits 1815 beklagte alten Aufzeichnungen nach die Kirchengemeinde den „sehr schlechten Zustand“ des Gebäudes, berichtet Würbel. Man habe zunächst überlegt, aus Überbleibseln umliegender Kirchen, wie der nicht mehr genutzten Siegburger Minoritenkirche, den Umbau zu gestalten, sei jedoch dann zum Schluss gekommen, einen Neubau zu realisieren. Der historische Turm der Kirche sollte dabei stehenbleiben. Die Pläne für den Neubau machte Bauinspektor Felderhoff und diese wurden anschließend, wie alle Baupläne dieser Zeit, von der Berliner Oberbaudeputation begutachtet, die Schinkel als Oberbaurat leitete. So beschreiben Andreas Bernhard und Gert Streit in ihrem Führer zu den Schinkel-Bauten den Ablauf.

Dem Oberbaurat missfiel demnach, dass der Turm in den Plänen nicht an das Hauptschiff angebunden war. Außerdem verlegte Schinkel die Sakristei in das Gebäude hinein. In dem ursprünglichen Entwurf war sie als Anbau geplant. Diese neuen Pläne wurden dann zur Neuberechnung der Kosten nach Siegburg und Köln geschickt. Von dort aus gingen sie zurück nach Berlin mit der Bitte, die Kosten zu senken. Daraufhin soll Schinkel die Länge und die Höhe des Langhauses verringert und Chor und Sakristeiräume in einen Rundbau zusammengefasst haben. Auch die Fenster wurden vereinfacht. Ein Gesims gliederte die Kirche, der Turm erhielt einen achteckigen Knickhelm. Die Pläne fertigte Schinkel 1820 und 1821. Baubeginn war 1822, zwei Jahre später war die Kirche fertig.

Schon 1897 gab es jedoch erneut erste Beschwerden. Die Gemeinde hatte sich verdreifacht und die Kirche war einfach zu klein. Der damalige Pastor Knauf sprach wohl von „unhaltbaren Zuständen in der Kirche“. Das entdeckte Andreas Würbel im Buch von Robert Hartleib, der unter dem Titel „Das Kirchspiel Niederpleis“, die Erweiterung von 1906 bis 1909 beschreibt

Die Innenfläche mit Chorraum betrug demnach nur 251,18 Quadratmeter, darauf tummelten sich regelmäßig bis zu 3000 Gläubige. Schulkinder mussten dicht gedrängt den Hauptaltar umlagern oder in der Sakristei untergebracht werden. Die Bürgermeister Ludwig Heuser und danach Eberhard von Claer unterstützten die Bemühungen des Pastors um eine größere Kirche. Verhandlungen mit Berlin zogen sich hin. Schließlich erhielt die Kirche ein Querschiff, der Chorraum wurde nach hinten versetzt, Turm und Langhaus wurden erhöht und die Fenster verändert und. Der Bau wurde erst 1909 fertiggestellt.

Die vorläufig letzte Sanierung der Kirche fand von 1960 bis 1967 statt. So wie die Kirche heute ist, lassen sich die prägenden Spuren Schinkels noch erahnen, wenn man weiß, was er damals wollte: „Das war seine eher schlichte, der Umgebung angepasste und funktionale Baukunst die sich geordnet in das Landschaftsbild der damals idyllischen Siegaue einfügte und trotzdem kostengünstig war“, fasst es Geerling zusammen.

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