Parkinson-Tanzgruppe in Sankt Augustin Mit dem langsamen Walzer ist alles möglich

SANKT AUGUSTIN · Tanzen und die Gesellschaft Gleichgesinnter wirken therapeutische Wunder bei Parkinson-Erkrankten. Der Tanzsportkreis Sankt Augustin (TSK) bietet eine Tanzgruppe für Betroffene.

 Gemeinsames Aufwärmen: Bevor es los geht mit den Tänzen bringt Conny Kokott (2. von links) ihre Schützlinge beim wöchentlichen Trainingsprogramm ganz locker auf Betriebstemperatur.

Gemeinsames Aufwärmen: Bevor es los geht mit den Tänzen bringt Conny Kokott (2. von links) ihre Schützlinge beim wöchentlichen Trainingsprogramm ganz locker auf Betriebstemperatur.

Foto: Martina Welt

"Hello again" begrüßt die samtweiche Stimme Howard Carpendales die drei Tanzpaare samt Trainerin Conny Kokott im Tanzsaal des Tanzsportkreises (TSK). Der Rhythmus lädt zur Bewegung ein und davon machen Beate und Henrich Eckhardt, Annelie und Ulrich Licht sowie Maria und Bernd Lienesch intensiv Gebrauch.

Natürlich sieht man Unterschiede, was das tänzerische Können angeht, die Bewegungsabläufe jedoch fließen mit der Musik und die Freude am Tanzen steht allen ins Gesicht geschrieben. Nur beim genauen Hinsehen könnte man erkennen, dass bei jedem Paar einer der Tanzpartner etwas weniger geschmeidig die Schritte ausführt und das liegt daran, dass jeweils ein Partner der drei Paare an Morbus Parkinson erkrankt ist.

Ob Standard-, Latein- oder Line-Dance, nichts lassen die tanzbegeisterten Paare aus, denn sobald die Musik erklingt und die ersten Schritte getan sind, scheinen die Einschränkungen der Nervenkrankheit wie weggeblasen. Gründungsmitglieder 2006 waren Manfred Bürling, Josef Franek und Günter Bruckner.

Sie hatten bei einem Urlaubsaufenthalt erlebt, was Tanzen bewirken kann, und im Fernsehen entsprechende Dokumentationen gesehen. Die drei Mitglieder der Regionalgruppe Siegburg der Deutschen Parkinson Vereinigung suchten einen Verein und fanden ihn im Tanzsportkreis Sankt Augustin.

Zunächst wurden die bis zu zehn Paare von der Tanz- und Bewegungspädagogin Katharina Winters-Ohle trainiert. Seit letztem Jahr hat Conny Kokott das Training jeden Dienstag ab 11.30 Uhr übernommen. Sie ist überzeugt, dass die Rhythmisierung des Tanzens eine immense Wirkung auf den Körper hat und damit auch die geeignetste Sportart für ältere Menschen ist. Das bestätigen die Tänzer.

Immense Funktion auf das zentrale Nervensystem

"In einer Phase meiner Krankheit, in der ich kaum laufen konnte und nur noch schräg am Tisch saß, kam ich zu der Tanzgruppe", erzählt Heinrich Eckhardt, stellvertretender Leiter der Parkinson-Selbsthilfegruppe Siegburg. Sobald die Klänge des langsamen Walzers ertönten, sei plötzlich wieder alles möglich gewesen.

"Die Musik übt eine immense Funktion auf das zentrale Nervensystem aus", berichtet er. Ähnliches habe er auch beim Tischtennis bemerkt. "Sobald er den Schläger in der Hand hielt, konnte er sich bewegen, was aber auch genauso schnell wieder vorbei war, wenn er den Schläger hinlegte", berichtet Beate Eckhardt über die Wirkung des Sports auf ihren Mann.

Auch Maria Lienesch bestätigt, dass sie beim Tanzen ihre Unbeweglichkeit vergisst und ihr Ehemann findet es toll, etwas mit seiner Frau gemeinsam machen zu können, was sie auch schon vor der Krankheit gerne getan haben. "Tanzen ist eine Möglichkeit, etwas gemeinsam mit dem gesunden Partner und vor allem gleichberechtigt und mit Freude zu machen", versucht Kokott eine Beschreibung.

Seit mehr als 30 Jahren trainiert sie Kinder und Jugendliche im Tanzsportkreis. Jetzt sind es die Seniorengruppen "Ruhige Sohle" und auch die Parkinsongruppe, denen sie sich unter anderem widmet. Einen Unterschied zwischen der Parkinsongruppe und anderen Tanzgruppen sieht sie nicht.

"Ich hole die Tänzer dort ab, wo sie stehen, und das Tempo geben sie vor." Leistungsunterschiede im Niveau gibt es in der Parkinsongruppe ebenso wie in anderen Tanzgruppen. Aber ein Hinderungsgrund mitzumachen sind sie keineswegs, denn jeder wird individuell gefördert. Ein großer Wunsch der Tänzer wäre, dass die Therapie auch von den Krankenkassen anerkannt würde.

Aktuell müssen sie die Vereinsbeiträge von 22 Euro pro Person und Monat noch selbst stemmen. Die Tanzgruppe ist zwischenzeitig auf vier Paare geschrumpft - Helmut und Helga Lehnert fehlten an diesem Dienstag. Über Neuzugänge würden sich die Tänzer jederzeit sehr freuen.

Info

Interessenten an der Parkinson-Tanzgruppe können ohne Anmeldung an einer kostenlosen Schnupperstunde teilnehmen. Getanzt wird immer dienstags ab 11.30 Uhr im TSK-Clubhaus in Sankt Augustin-Niederpleis, Am Kreuzeck 2b.

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