Kinderklinik mit neuem Wirkstoff Kinderrheuma kann man lindern

SANKT AUGUSTIN · Jede Bewegung schmerzt, die Gelenke drücken und werden steif: Rheuma ist seit Jahrhunderten für die damit verbundenen Leiden bekannt.

 Die Schmerzen im Griff: Kinderrheumatologe Professor Dr. Gerd Horneff mit Katharina (Mitte) und ihrer Mutter Ulrike Schrader.

Die Schmerzen im Griff: Kinderrheumatologe Professor Dr. Gerd Horneff mit Katharina (Mitte) und ihrer Mutter Ulrike Schrader.

Foto: HEINEMANN

Noch recht jung und in der Medizin längst nicht überall verbreitet ist aber die Erkenntnis, dass auch vergleichsweise viele Kinder unter rheumatischen entzündlichen Gelenkserkrankungen leiden.

Juvenile idiopathische Arthritis, also eine kindliche Gelenkentzündung unbekannter Ursache, heißt Kinderrheuma im Fachjargon und der Name beschreibt zugleich das große Problem: Die bis heute unbekannte Ursache, warum der Körper mit seinem eigenen Immunsystem die Gelenkschleimhäute und damit auch den wichtigen Knorpel und im schlimmsten Fall auch die Knochen angreift.

Behandelte man früher überwiegend die Symptome der autoimmunen Entzündungen, mit zum Teil gravierenden Folgen durch die langzeitige Gabe starker Medikamente, versucht die Medizin heute, in die lange Prozesskette der Entzündungen einen Riegel einzubauen, erklärte Professor Dr. Gerd Horneff. Der Chefarzt der Allgemeinen Kinder- und Jugendmedizin der Asklepios-Kinderklinik und Leiter des Kinder-Rheumazentrums hatte zu einem Klinikworkshop eingeladen. "Die Annahme, Rheuma gebe es nur bei alten Menschen, ist absolut falsch", sagt der Mediziner, der auch in der Forschung tätig ist und sich auf seinem Fachgebiet auch international einen Namen gemacht hat.

"Der Gedanke Kinderrheuma ist in der Medizin noch nicht sehr präsent. Aber wenn man die Diagnose nicht frühzeitig stellt, kann es bei Kindern zu ernsthaften Problemen kommen. Gelenke versteifen, die Muskulatur verkümmert, es kann Wachstums- und Entwicklungsverzögerungen geben", sagt Horneff und erklärt es am Beispiel eines Feuers: Werden die Flammen, also die Entzündung, nicht entdeckt, brennt irgendwann das gesamte Haus ab.

Dabei schwelt das Feuer lang, spricht der Mediziner aus Erfahrung: Kinder klagen über Schmerzen, über Unbeweglichkeit, sind in der Schule abgelenkt und leiden. Oft suchen Ärzte und Eltern lang nach den Ursachen. Ulrike Schrader aus Sankt Augustin und ihre Tochter Katharina (12) haben da noch Glück gehabt, spricht die Mutter aus Erfahrung: Mit einem dicken rechten Knie im Juli 2004 fing die Leidensgeschichte ihrer Tochter an. "Die Ärztin war zum Glück versiert und hat gleich Tests auf Borreliose und Rheuma durchgeführt." Im Oktober 2004 kam Katharina in ein Rheumazentrum in Sendenhorst bei Münster. Punktionen und Medikamente linderten die Symptome. 2008 kam sie ins Kinder-Rheumazentrum nach Sankt Augustin.

Doch zuletzt wurden die Schübe stärker, Schwellungen traten nun auch an den Fingern und den Füßen auf, berichtet die Mutter und verschweigt auch nicht ein anderes Problem: "Das bisherige Medikament war für Katharina eine starke Belastung. Sie hat Panik bekommen, wenn sie freitags die Spritze sah. Und sie hat nur noch innerlich von Freitag zu Freitag gelebt." Im Dezember 2014 entschloss sich die Familie, Katharina mit dem neuen Wirkstoff Etanercept behandeln zu lassen, den Professor Dr. Gerd Horneff mit einer wissenschaftlichen Studie begleitet. Sie ist die nunmehr 2000. junge Patientin, die den Wirkstoff erhält, und sie sei glücklich, sagt die Zwölfjährige: "Nach der Spritze ist mir nicht mehr schlecht, sie tut auch nicht weh." Mittlerweile spritzt sich die Schülerin das Medikament selbst. Die Fertigkeit ihrer Finger, die zuletzt zu versteifen drohten, hat sie hierfür ebenso wiedererlangt wie für das Spiel auf dem Fagott. "Und Katharina hat wieder Spaß an Bewegung, sie macht Handstand und tobt wieder herum", bestätigt auch ihre Mutter. Professor Horneff arbeitet daran, dass sich daran auch zumindest durch Rheuma so schnell nichts ändern wird.

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