Zweiter Weltkrieg Jagdbomber stürzte nach Start in Hangelar in Wohnhaus

SANKT AUGUSTIN · Es ist der 6. März 1944, ein Montag. Ein Jagdflieger der Nazis startet vom Flugplatz Hangelar aus. Kurz nachdem die Me 109 vom Jagdgeschwader "Wilde Sau" abgehoben hat, bekommt Pilot Karl Neumann Schwierigkeiten. Was genau passiert ist, weiß man nicht.

 Eine Maschine dieses Typs startete am 6. März 1944 vom Flugplatz Hangelar aus und stürzte auf das Haus der Panzenells. Repro: Archiv Sankt Augustin

Eine Maschine dieses Typs startete am 6. März 1944 vom Flugplatz Hangelar aus und stürzte auf das Haus der Panzenells. Repro: Archiv Sankt Augustin

Wenig später kracht das Flugzeug - das wohl legendärste deutsche Kampfflugzeug des Zweiten Weltkriegs - in ein Haus an der Vilicherstraße und teilt es in zwei Hälften. Es ist ein Tag, den Hans-Alfred Panzenell nie vergessen wird. An diesem Tag verliert der damals neun Jahre alte Junge seine Mutter, seine Schwester und seinen Großvater.

70 Jahre ist das Unglück nun her, und noch nach so langer Zeit kommen die Emotionen hoch, wenn er länger daran denkt und darüber spricht. "Und ich denke oft an den Tag." Ein Tag, der drei Menschen, seine liebsten Menschen, das Leben kostete.

Man sieht noch ein bisschen den Jungen im Gesicht des heute 79-Jährigen, der im Alter von 19 Jahren begann, sich um den Wiederaufbau des Hauses zu kümmern. Er wohnt noch heute in seinem Elternhaus, mit seiner Frau Helene, die er im Alter von 24 Jahren heiratete. Nach der Hochzeit zogen beide in das notdürftig wieder aufgebaute Elternhaus. "Dann habe ich angefangen, es wieder richtig herzurichten", sagt Panzenell.

Er erinnert sich noch genau an die Situation in seinem Schicksalsjahr 1944. "Ich hatte Nachmittagschule, Musikunterricht. Unser Musiklehrer spielte gerade auf der Fidel", sagt Panzenell. Dann rief ein Kind, ein Flugzeug sei abgestürzt. Wenig später, so gegen 13.45 Uhr, kam ein Mädchen in den Klassenraum gerannt und berichtete, dass das Flugzeug in das Haus der Panzenells gestürzt war.

So schnell er konnte, lief der Junge nach Hause. Er sah noch den toten Piloten unter dem Fallschirmtuch liegen. Der Flugzeugmotor lag im Garten, überall Qualm und Rauch. Die Hälfte des Daches weggerissen. Seine Mutter Gertrud, seine 14 Jahre alte Schwester Martha und sein Opa, Heinrich Schellberg, waren schon weggebracht worden. Sie hatten keine Chance. Der kleine Heinrich wurde in den Ort gebracht, zu Onkel und Tante. "Damit ich nicht ins zerstörte Haus rennen konnte." Seine Schwester hatte vormittags Schule gehabt und war schon wieder zu Hause gewesen. "Das war damals in Kriegszeiten so mit der Schule."

Doppelt tragisch: Der Pilot war ein Offizier aus Breslau. Dessen schwangere Frau war, wie Panzenell berichtet, zufällig zum Urlaub in Hangelar und musste miterleben, wie ihr Gatte in den Tod flog. Ein halbes Jahr nach dem schrecklichen Unglück verlor Hans-Alfred Panzenell seinen Vater Christian. Er kam im November bei einem Bombenangriff in der Eifel ums Leben, wo er auf Burg Vogelsang stationiert war, um den Westwall mitzubauen. Hans-Alfred Panzenell war zum Waisenkind geworden.

Der Absturz heute vor 70 Jahren war einer von vieren im Jahr 1944 auf Hangelarer Gebiet. Wie der Hangelarer Karl-Heinz Urbach, der im Heimatgeschichtlichen Arbeitskreis mitarbeitet, recherchiert hat, soll der "Flugzeug-Typ so seine Macken gehabt haben". Mit welchem Auftrag der Pilot gestartet war, ist nicht mehr genau herauszufinden. "Er soll wohl zum Abwehreinsatz aufgestiegen sein", sagt Urbach, der versucht hat, nähere Informationen zu dem Absturz zu bekommen, unter anderem bei der Wehrmachtsauskunftsstelle in Berlin. "Was aber genau passiert ist, bleibt im Verborgenen", sagt Urbach.

Fotos von dem Unglück gebe es wohl auch nicht mehr. Das Haus der Panzenells war damals das letzte Haus an der Vilicherstraße in Richtung Vilich. Im Laufe der Jahrzehnte ist dort eine Siedlung entstanden.

Der kleine Hans-Alfred fand damals ein neues Zuhause bei seinem Onkel Heinrich und Tante Adelheid, die in Hangelar eine Kaffeerösterei betrieben. Das Ehepaar hatte ihre beiden Söhne im Krieg verloren. "Ich hatte trotz allem eine schöne Jugend und bin von meinen Pflegeeltern behandelt worden, als wäre ich das eigene Kind", sagt Hans-Alfred Panzenell. Er machte eine kaufmännische Ausbildung und bildete sich später zum Betriebswirt weiter.

Drei Kindern schenkte das Ehepaar Panzenell das Leben. Zeit seines Lebens hat sich Hans-Alfred Panzenell um eine entsprechende Entschädigung für das zerstörte Haus bemüht. 300 Mark hat er für das Haus bekommen, 900 Mark für den Hausrat. "Das fand ich äußerst mager", sagt Panzenell. Noch bis ins Jahr 2005 hat Panzenell es versucht. Doch das Amt für Recht, Versicherung und Lastenausgleich in Bonn schmetterte seine Eingabe ab mit der Begründung, er hätte ja noch das Grundstück. "Ich habe es dann aufgegeben", sagt er, und ein wenig Traurigkeit schwingt mit.

Das Unglück hat sein ganzes bisheriges Leben begleitet, aber er konnte gut damit leben. "Ich habe nicht gespürt, dass ich keinen mehr hatte, der sich um mich gekümmert hat", sagt er. Das seien eben die Auswirkungen des Krieges gewesen. "Krieg ist schlimm, da verliert nur der Mensch", sagt er und blickt aus dem Fenster in den Garten seines Hauses, des Elternhauses. "Ich denke oft daran, wie sinnlos das alles war", sagt er.

Seine Mutter Gertrud, seine Schwester Martha und sein Vater Christian, den Verwandte nach Hangelar holten, sind in Hangelar auf dem Ehrenfriedhof begraben. Opa Heinrich Schellberg fand in einem Familiengrab seine letzte Ruhestätte.

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