Interview mit Marianne Sägebrecht "Ich mache alles mit dem Herzen"

Sankt Augustin · Marianne Sägebrecht vor ihrem Auftritt am Donnerstag in Sankt Augustin über Schauspiel, Familie und Berufung.

Interview mit Marianne Sägebrecht: "Ich mache alles mit dem Herzen"
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Einen furiosen Auftakt setzt das Sankt Augustiner Kulturamt mit der heutigen Auftaktveranstaltung zu den Augustiner Wochen. Unter dem Titel "Kino inspiriert" präsentiert das Kleinkunstprogramm im Haus Menden eine der erfolgreichsten deutschen Schauspielerinnen: Marianne Sägebrecht, die sogar den Sprung nach Hollywood geschafft hat und an der Seite von Michael Douglas und John Malkovich Kinogeschichte schrieb. In ihrem Programm "Von Säge bis Brecht" erzählt, rezitiert und liest die bayrische Ausnahmekünstlerin zusammen mit dem Geiger Lenn Kudrjawizki zwischen Bühne und Publikum. Über ihr Leben als Allroundtalent zwischen Ausbildung, Beruf und Berufung sprach mit ihr Susanne Haase-Mühlbauer.

Laut Presseinfo zum Augustiner Auftritt kämpfen Sie für ihre Ideale: "echte Menschen" am "Rande" wohlgefälliger Norm. Was macht einen "echten Menschen" denn für sie aus?
Marianne Sägebrecht: Ich liebe die Menschen, wenn sie authentisch sind und ehrlich zu sich selbst. Jeder Mensch ist auf seine Art echt. Wenn er das Glück hat, mit einem Selbstwertgefühl ausgestattet zu sein, dann hat er auch den Mut, authentisch zu sein.

Und wo sehen Sie die "unechten"?
Sägebrecht: Die gibt es nicht wirklich. Jeder Mensch ist auf seine Art echt. Ein Pfarrer hat mir mal gesagt, dass ich eine "alte Seele" habe. Seit ich lebe und atmen kann, weiß ich, dass jeder Mensch geliebt werden will.

Ihr Lebenslauf verrät Vielseitigkeit und Bodenständigkeit: erst eine Ausbildung zur medizinisch-technischen Assistentin, dann Betreiberin einer Künstlerkneipe, Zirkuskontakte, Bühnen- und Film-Schauspielerin. Sie schreiben auch Bücher und geben Lesungen. Welche Rolle ihres Lebens bedeutet ihnen von allen am meisten?
Sägebrecht: Da brauche ich nicht lange nachzudenken. Die Rolle der Mutter und Oma. Ich habe eine wunderbare Familie und das ist das größte Geschenk, das man haben kann. Meine Tochter ist auch die Freundin an meiner Seite und wenn meine Enkelin mich um Rat, Unterstützung oder Zuspruch bittet, dann macht mich das unglaublich glücklich.

Wie nennen Sie Ihren Beruf - was ist Ihre Berufung?
Sägebrecht: Alle Dinge, die ich tue, mache ich mit dem Herzen. Ich will keinen Besitz. Natürlich muss man auch sein Leben finanzieren können, aber ich versuche auch immer wieder, anderen zu helfen. Zum Beispiel mit einem Münchner Theaterprojekt mit behinderten Kindern. Ich unterstütze auch seit ein paar Jahren eine mittellose Familie und kümmere mich um kranke Tiere. Ich mag es nicht, darüber zu sprechen, aber jeder sollte das tun, was in seiner Kraft steht. Das Quellwasser, das jeder in sich hat, darf nicht leer werden.

Man liest immer wieder, dass Sie Sinti- und Roma-Wurzeln haben. Hatte das auch eine Bedeutung für ihren Lebensweg?
Sägebrecht: Dass ich eigene Wurzeln dazu habe, stimmt nicht. Ich habe aber eine große Sympathie und einen Bezug zur Sinti- und Roma-Kultur und habe mich schon als Kind dafür interessiert. Mein Deutsch-Lehrer hat mir mal gesagt: "Du besitzt das empathische Grundprinzip."

Nach solchen Film-Erfolgen in verschiedenen Genres, wie "Zuckerbaby", "Out of Rosenheim", "Rosenkrieg", "Der kleine Lord", "Asterix und Obelix" und "Pettersson und Findus" - ist da die Rückkehr zur "kleinen Form" mit Lesungen ein Bekenntnis zur Kleinkunstbühne?
Sägebrecht: Dieses Bekenntnis war immer da. Aber besonders nach 1999, als der Rosenheim-Hype war und wir monatelang durch Amerika tourten und gefeiert wurden, habe ich große Freude daran, vor einem kleineren Publikum zu spielen. Auch im Privaten mag ich es besonders, in kleinen Gruppen beisammen zu sein und an einem Tisch zu sitzen.

Apropos "kleine Form": In der Rolle der etwas stärkeren Frau mit dem großen, verletzlichen Herz werden sie von ihrem Publikum besonders geliebt - woran liegt das?
Sägebrecht: Die runde Form des pyknischen Körperbautyps, das ist der Ausdruck des Mütterlichen. Ich lebe nach dem Standpunkt: "Liebe mich dann, wenn ich es am wenigsten verdiene, denn dann brauche ich es am meisten." Dieses Prinzip lebe ich vor allem in meinen freundschaftlichen Beziehungen.

Am Donnerstagabend sind Sie in Sankt Augustin. Kennen Sie das Rheinland?
Sägebrecht: In Sankt Augustin war ich zwar noch nicht, aber in Köln und Bonn. Dort bin ich schon zu Lesungen meiner Bücher gewesen.

Sie sind wieder an den Starnberger See gezogen, nachdem Sie die ganze Welt gesehen haben. Was macht diesen Ort so besonders schön?
Sägebrecht: Es ist die Nähe zur Familie, die mir dabei so sehr gefällt, auch wenn ich derzeit eine Reise nach Surinam Guyana in Südamerika plane. Ich schreibe an einem Buch über mein seelisches Surinam, das ich schon als Kind in Träumen gesehen habe. Nächstes Jahr soll es fertig sein. Das Land habe ich - vielleicht so wie Karl May und Amerika - noch nicht wirklich gesehen -, aber mich damit bereits seit meiner Jugend sehr beschäftigt. Wenn das Buch fertig ist, will ich aber unbedingt dorthin.

Mehr Informationen

Marianne Sägebrecht eröffnet heute Abend die Augustiner Wochen mit ihrem Auftritt im Haus Menden ab 20 Uhr. Die Veranstaltung ist eigentlich ausverkauft, einige wenige Karten sind laut Kulturamt aber erfahrungsgemäß noch an der Abendkasse erhältlich. Infos zum gesamten Spielzeitprogramm gibt es unter www.sankt-augustin.de.

Zur Person

Marianne Sägebrecht wurde 1945 in Starnberg geboren. Mit 19 Jahren heiratete sie und bekam eine Tochter, leitete eine Künstlerkneipe, machte Theater und ging zum Film. Seit Mitte der 80er Jahre erlangte sie mit Filmen wie "Out of Rosenheim" internationales Ansehen. Unter ihren vielen Auszeichnungen sind der "Bundesfilmpreis" (1988) und der "Bambi" (1989). Seit ihrer Scheidung 1976 lebt sie als Single in Niederbayern und genießt dort das Leben mit ihrer Tochter und ihrer Enkelin.

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