Gesamtschule Menden Henrietta Franks spricht über ihre Flucht vor den Nazis

SANKT AUGUSTIN · "Es ist etwas Besonderes, wenn man eine Zeit überlebt hat, weil andere geholfen haben." So kündigte die Schulleiterin der Gesamtschule Sankt Augustin-Menden, Stephani Overhage, ihren besonderen Gast, Henrietta Franks, an.

 Im Zeitzeugen-Gespräch: Henrietta Franks in der Schule.

Im Zeitzeugen-Gespräch: Henrietta Franks in der Schule.

Foto: Holger Arndt

.Sie besuchte die Schule als Zeitzeugin eines der rettenden Kindertransporte nach Großbritannien. Franks erinnert sich noch genau daran, wie sie im Alter von 15 Jahren mit einem der Kindertransporte 1938/39 nach England kam und so vor den Nationalsozialisten fliehen konnte.

Noch heute kann man der zierlichen 90-Jährigen ansehen, dass Mode in ihrem Leben eine große Rolle spielte und spielt. Sie wirkt zerbrechlich, aber das Kostüm der ehemaligen Schneiderin ist auch bei ihrem heutigen Besuch in Deutschland etwas Besonderes.

"Ich bin ne echte Kölnerin", beginnt die Jüdin ihre Erzählung aus einer Zeit, die schon 75 Jahre zurückliegt. Sie sei damals überzeugt gewesen, dass ihre Eltern mit dem nächsten Schiff nachkommen würden. Ihren Vater habe sie jedoch nie wiedergesehen und das erste Treffen mit ihrer Mutter habe sie erst wieder als Erwachsene gehabt.

Dennoch sagte Franks: "Ich habe kein schlechtes Leben gehabt." Ihre englische Pflegefamilie sei sehr gut zu ihr gewesen, ihre Schwester habe es da schlechter gehabt und ihr Bruder sei in einem Kinderheim untergekommen. Erst 1947 sei ihre Mutter nachgekommen, und sie seien zusammen in eine gemeinsame Wohnung gezogen. Die rund 120 Schüler hatten viele Fragen an die Zeitzeugin vorbereitet.

"Wie haben Sie sich in einer fremden Familie gefühlt? Warum sind Sie Schneiderin geworden? Was haben Sie empfunden, als der Krieg ausbrach?" Das waren nur einige der Fragen, auf die Franks mit viel Geduld aus ihrer Erinnerung heraus antwortete. Sie habe nicht wirklich gewusst, was vorgegangen sei. Ihre Mutter habe entschieden und dann seien sie nach England gefahren. Dort waren es die Sahnekuchen, die das Mädchen besonders vermisste.

Es sind überwiegend positive Erinnerungen, die ihr geblieben sind. Dass die Holländer den Kindern Brote und Getränke bei der Durchreise brachten, oder dass die Kölner in der Pogromnacht die Scheiben nicht einschlagen und die Synagogen nicht niederbrennen wollten. "Dazu musste man Leute aus Berlin holen", glaubt Franks.

Dass ihr Vater im Konzentrationslager war, hat sie erst vor wenigen Jahren erfahren und ist froh darüber, dass ihre Mutter das nie gewusst hat. Warum Henrietta Franks den Schülern Rede und Antwort steht, liegt auf der Hand. "Ich möchte, dass die Kinder verstehen, dass alle Menschen gleich sind, egal welche Hautfarbe oder Religion sie haben." Unter den Zuhörern war auch die Vorsitzende des Freundeskreises Mewasseret Zion, Anke Riefers.

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