Ausbau des Schienengüterverkehrs Es droht mehr Bahnlärm in Menden

SANKT AUGUSTIN · "Wir stehen vor einer Explosion des Schienengüterverkehrs." Matthias Möller brachte ein düsteres, lautes Bild von der Zukunft mit. Auf Einladung der Freien Wählerinitiative Aufbruch war der deutschlandweit tätige, auf Bahnlärm spezialisierte Jurist am Donnerstag ins Haus Menden gekommen.

 Belastet von Bahnlärm sind weite Wohngebiete in Menden, Meindorf und Troisdorf.

Belastet von Bahnlärm sind weite Wohngebiete in Menden, Meindorf und Troisdorf.

Foto: GA

Zwei der wichtigsten Verkehrsachsen der Region, die Trassen der A59 und das rechtsrheinische Bahngleis Köln-Koblenz, durchqueren das Stadtgebiet zwischen Meindorf und Menden. Und dieser Verkehr macht Lärm. Während der Ausbau der A 59 zur achtspurigen Autobahn mit dem geplanten Planfeststellungsverfahren für 2015 in greifbare Nähe rückt, ist der Ausbau der Schiene für die S 13 und damit auch zusätzlicher Lärmschutz zwar längst überfällig, jedoch nicht absehbar.

Allein zwischen 2014 und 2025 werden die Transportleistung auf der Schiene um 58 Prozent, der Schienengüterverkehr insgesamt um 65 Prozent und die Zugzahlen auf der Rheinstrecke um 104 Prozent steigen, zitierte der Experte eine gutachterliche Prognose.

Die Ursachen: Überlastete Straßen, Staus und der Gotthard-Basistunnel. Mit der Tunneleröffnung 2017 soll der Alpentransit für Güter durch die Schweiz fast ausschließlich per Schienenverkehr erfolgen. "Ist der Container vom Lkw erst einmal auf den Zug aufgeladen, wird er hinter dem Tunnel für den Güterverkehr von Genua nach Rotterdam sehr wahrscheinlich auch auf dem Zug bleiben."

Das werde man in Menden merken, für das der Jurist eine Zunahme des Güterverkehrs von bis zu 130 Prozent bis 2050 erwartet: "Es gibt für den Schienengüterverkehr zwei große Korridore in Deutschland. Und Sie haben das Pech, an einem dieser Korridore zu wohnen."

Mit elektronischer Stellwerkstechnik werde die Bahn auch die Abstände zwischen Zügen auf Fahrten im "Bremsabstand" verringern, die Züge könnten zudem erheblich länger werden, so Möller. Doch neben Hiobsbotschaften brachte der Jurist auch Hoffnungsschimmer mit: Lärm macht krank, das hätten nun auch die Gerichte erkannt.

Lärmkarten auf den Internetseiten des Eisenbahnbundesamtes zeigten sehr genau, wer vom Bahnlärm betroffen sei, so der Jurist: "Allein in Troisdorf sind es 10.284 Wohnungen, 39 Schulen und ein Krankenhaus", in Menden weite Teile der Wohngebiete westlich der Sportplätze, in Meindorf sogar nahezu der gesamte Ort. Den Betroffenen rät der Experte angesichts jüngster Rechtsprechnung zur Beratung: "Im Ruhrgebiet hatten im Sommer acht Musterkläger Erfolg; das Landgericht Bochum hat die Bahn zum passiven Schallschutz durch Bezahlung von Schallschutzfenstern verpflichtet."

Den Bürgern reichte das nicht, sie gingen - ebenso wie die Bahn - in Berufung. "Wir fordern Schallschutz am Gleiskörper und sind da sehr guter Dinge." Denn vier Musterklägern aus dem bayrischen Riem und Trudering ist es zwischenzeitlich gelungen, vor dem Landgericht München I den nächtlichen Güterverkehr auf der Bestandsstrecke in ihrer Nachbarschaft auf Tempo 30 als "aktiven Schallschutz" zu drosseln.

Mit einer Berufung versuche die Bahn einen juristischen Dammbruch, sagt Möller. Aber beide Urteile seien ein Signal, auch, weil bei der Strecke in Bayern ebenso wie an der rechtsrheinischen Güterstrecke über Jahrzehnte nie eine offizielle Prüfung, Genehmigung oder Planfeststellung erfolgt sei: "Wer eine Rechtschutzversicherung hat, sollte überlegen, gegen den Bahnlärm juristisch vorzugehen, denn Sie haben einen Anspruch auf Unterlassung des Lärms."

Das rät Matthias Möller

"Ich würde sofort gegen die Lärmbelastung klagen, wenn ich einen Rechtschutz hätte, denn die Risiken sind gering." Eine entsprechende Erfolgsprognose und eine Deckungsanfrage bei der Versicherung seien allerdings zuvor nötig. Zur rechtsrheinischen Strecke Köln-Koblenz sagt Möller: "Die Voraussetzungen für den Rechtsweg sind zum Teil sehr gut." Wer keine Rechtschutzversicherung habe, sollte sich Expertenrat einholen.

Denn wer schriftlich Unterlassung des Bahnlärms und Geldersatz einfordere, könne später bei positivem Ausgang eventueller Musterklagen auf Schadensersatz ab Zeitpunkt der Unterlassungsforderung abzüglich der gesetzten Frist bestehen. Die Mendener Präsentation mit Infos und Lärmkarten ist unter www.Moeller-Bahn.de im Internet abrufbar.

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