Softwarefirmen, Internetriesen und Industrie im Feldversuch Einkaufen mit Datenbrille

SANKT AUGUSTIN · Wer sich im Supermarkt über das Schlangestehen ärgert, könnte demnächst mit einer intelligenten Datenbrille die Einkaufszeit verkürzen. Um Anwendungsmöglichkeiten von sogenannten Smart Glasses ging es gestern bei einem Workshop des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik (FIT) und des German ICT & Media Instituts in Sankt Augustin.

Beim Softwarekonzern SAP wird derzeit gemeinsam mit Google an Möglichkeiten geforscht, direkt mit Hilfe von Google Glasses im Supermarkt zu bezahlen. Wer die Google-Brille aufsetzt, die in den USA und Großbritannien bereits auf dem Markt ist, kann die Produkte scannen und die Rechnung überprüfen, berichtete Lusine Stepanyan von SAP.

Auch bei Bayer werden Anwendungsmöglichkeiten intelligenter Brillen untersucht. "Bei Laborarbeiten ist es hilfreich, die Hände frei zu haben", sagte Georg Berns, Innovationsmanager bei Bayer Healthcare. Mit einer smarten Brille habe der Labormitarbeiter die Unterlagen, die er braucht, direkt vor Augen. Erste Versuche zeigten allerdings auch direkt die Grenzen auf: "Die Brille war noch zu klobig", so Berns. Man trage sie nicht lange. Außerdem habe die notwendige Schutzbrille nicht darunter gepasst.

Über Bauplanung mit Hilfe intelligenter Brillen forscht Marius Shekow vom Fraunhofer-Institut in Sankt Augustin. Oculus Rift ist eine Brille, die virtuelle Realität ermöglicht, ein großes Sichtfeld und schnelle Bewegungssensoren hat. Oculus ist vom Facebook übernommen worden. Shekow zeigte ein Auto mit Rundum-Kamera auf dem Dach. Wer auf dem Beifahrersitz Platz nimmt, kann sich visualisieren lassen, wie sich ein Grundstück nach der Bebauung verändern wird. Eine einfachere Variante sind Programme, mit deren Hilfe man auf einer Brille das Häuser-Modell eingeblendet bekommt, während man auf den gedruckten Bauplan schaut.

Bei Kautex Textron aus Holzlar, dem Hersteller von blasgeformten Kraftstofftanks für Autos, ist Fernwartung heute schon ein großes Thema. "Wir müssen überall dort produzieren, wo die Autoindustrie sitzt", sagte Direktor Matthias Franke-Maintz. Wenn in einem indischen Werk ein Schaden eintrete, könne ein Mitarbeiter gar nicht so schnell dort hinreisen. Mit Hilfe von Kameras, die ein Mitarbeiter im Werk auf dem Kopf trägt, könne der Experte aus der Zentrale Tipps zur Reparatur geben. Hier könnten auch Einsatzmöglichkeiten für Datenbrillen liegen.

Ulf Reichardt von der Kölner Industrie- und Handelskammer wies darauf hin, dass laut einer Studie 70 Prozent des deutschen Mittelstandes noch nicht die Bedeutung der Digitalisierung für ihre Unternehmen erkannt hätten. Das sei fatal, denn sie könnten es nicht in die Strategien zur Unternehmensentwicklung einbeziehen.

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