Serie Augustiner Köpfe Die gute Frau vom Sorgenbüro

Sankt Augustin · Irmgard Hölzemann koordiniert seit drei Jahren den Lotsenpunkt im Mülldorfer Gemeindehaus. Hilfesuchende bekommen Unterstützung bei Behördengängen, Arzbesuchen oder der Wohnungssuche.

 Das Lotsenpunkt-Team: (von links) Barbara Köllmann, Irmgard Hölzemann und Ali Kerdoughli.

Das Lotsenpunkt-Team: (von links) Barbara Köllmann, Irmgard Hölzemann und Ali Kerdoughli.

Foto: Martina Welt

Es ist richtig was los am Dienstagnachmittag im und am Gemeindehaus am Mülldorfer Pfarrweg. Das Tafel-Café hat geöffnet ebenso wie der Lotsenpunkt vis à vis im Erdgeschoss. Ständig geht die Tür auf. Die Menschen wissen, dass in diesem Büro Lotsenpunkt-Koordinatorin Irmgard Hölzemann sitzt. Sie hat für alle Zeit, hört ihnen zu und versucht zu helfen oder weiterzuvermitteln. Ihr zur Seite steht Barbara Köllmann und für Übersetzungen aller Art unterstützt Ali Kerdoughli die beiden Frauen. Ebenfalls zum Lotsenpunkt-Beratungsteam gehört Herbert (Tobby) Toparkus.

Die Menschen aus den unterschiedlichen Herkunftsländern nutzen ihre Wartezeit bei der Tafel-Ausgabe, um ihr Anliegen bei der 67-jährigen Mülldorferin vorzubringen. Berti (Name wurde von der Redaktion geändert) kommt unaufgefordert ins Büro und bringt Kaffee vorbei. „Der ist hier schon eine Institution und immer da, wenn das Tafel-Café geöffnet hat“, meint Hölzemann, die seit drei Jahren im Lotsenpunkt aktiv ist. „Berti ist alleine und braucht Ansprache. Wenn der mal nicht kommt, dann machen wir uns Sorgen“, so die Frauen. Das Schöne sei, dass viele der Besucher ein intensives Bedürfnis hätten, etwas zurückzugeben. Bei Berti ist es der Kaffee, mit dem er das Team versorgt, andere bringen Deckchen oder Schokolade als kleines Dankeschön vorbei.

Das Lotsenpunkt-Team unterstützt Hilfsbedürftige aller Art. Die Anliegen der Besucher reichen von der nicht bezahlten Stromrechnung über den Antrag für die weiterführende Schule der Kinder bis hin zur Begleitung der Menschen zu Behörden oder Ärzten. „Wir tun alles, was uns möglich ist“, sagt Hölzemann. Vor ihrer Aktivität beim Lotsenpunkt hat sie sich im Tafel-Café engagiert. Der Lotsenpunkt sei ein Pilotprojekt des Diözesanverbandes gewesen, das vor vier Jahren in Mülldorf vom Caritasverband gemeinsam mit dem Seelsorgebereich Sankt Augustin eingeführt worden sei.

Seit drei Jahren ist die einstige Ratsfrau als Koordinatorin dabei. „Damals hat mich Pfarrer Fred Schmitz gefragt, ob ich nicht mitmachen möchte“, erinnert sie sich. „Ich kannte viele Leute schon von der Tafel, das machte den Einstieg leichter.“ Heute ist sie für die Menschen die Frau vom Sorgenbüro. „Oftmals sei es die fehlende Struktur oder der fehlende Mut der Menschen, der sie daran hindert, zum Beispiel die Behörden um Hilfe zu bitten.“ Im Moment seien die Mitarbeiter insbesondere mit der Schul- oder Kitaanmeldung oder der Wohnungssuche beschäftigt, was an den „neuen Nachbarn“ liege. Das sind die anerkannten Flüchtlinge, die nun in der Stadt integriert werden sollen. Zwar sei die Erwartungshaltung mancher Flüchtlinge hoch, aber es komme auch viel Hilfe zurück, so wie von Ali Kerdoughli (22), der vor zwei Jahren aus Syrien geflüchtet ist. Er hat bereits einige Integrationskurse und Sprachkurse belegt und möchte gerne in Deutschland studieren. Bis dahin unterstützt er die ehrenamtlichen Helfer als Übersetzer.

Geboren ist die resolute, aber immer freundliche Irmgard Hölzeman in Essen. Sie ging dort zur Schule, und wie es im Pott üblich war, arbeitete ihr Vater im Bergbau. Erst als sie ihren Mann kennenlernte, ist sie vor 31 Jahren zunächst nach Hangelar, zwei Jahre später nach Mülldorf gezogen. Ihre Tochter kam zur Welt und sie blieb zu Hause und übernahm die Erziehung. „Ganz konservativ“, meint Hölzemann. Für die SPD saß sie zehn Jahre im Stadtrat. „Die Kontakte von damals sind auch heute noch hilfreich.“ Hölzemann ist ein wahres Energiebündel, und genau das war auch ein Grund dafür, dass sie sich mit Eintritt in den Ruhestand nach einem Ehrenamt umsah. Sie hatte ursprünglich im Stahlhandel in Düsseldorf gelernt und war, nachdem ihre Tochter alt genug war, im Caritasverband Rhein-Sieg als kaufmännische Angestellte für die Obdachlosenhilfe zuständig. „Es passte zusammen, als ich las, dass die Sankt Augustiner Tafel noch Mitstreiter für ein oder zwei Stunden pro Woche suchte“, sagt sie. Das war überschaubar, und Hölzemann machte mit. „Inzwischen haben wir richtig viel um die Ohren, und es gibt Tage, da kommen wir einfach nicht nach“, sagt Hölzemann. Vieles laufe über Internet Messenger was aber auch den Nachteil habe, dass sie ihre private Mobilnummer preisgeben müsse. „Wenn es zu viel wird, wird ausgeschaltet“, so die einfache Lösung für die Damen vom Lotsenpunkt. Wichtig bei allem Engagement sei es, auch mal konsequent Nein zu sagen.

Über neue ehrenamtliche Helfer würde sich das aktuell neunköpfige Team sehr freuen. „Man kann hier sehr niederschwellige Hilfe und vor allem Zeit anbieten“, so Hölzemann.

Geöffnet ist der Lotsenpunkt dienstags und mittwochs immer von 14 bis 16 Uhr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort