Interview Cellolehrerin Ursula Keusen-Nickel im Gespräch

Sankt Augustin · Ursula Keusen-Nickel (85) hat Hunderten Schülern das Cellospiel beigebracht und in ganz Europa ihre Zuhörer begeistert. Im Interview spricht sie über Talente und Lampenfieber, die Auswirkungen von G8 und G9 und wie sie sich fit hält.

 Ursula Keusen-Nickel

Ursula Keusen-Nickel

Foto: Paul Kieras

Sie sind hier im Kreis als Musikerin, Cellolehrerin und Komponistin bekannt. Wo legen Sie selber den Schwerpunkt?

Ursula Keusen-Nickel: Im pädagogischen Bereich. Seit meiner Schulzeit habe ich unterrichtet, habe schon als Schülerin gerne Nachhilfe gegeben. Meinen ersten Celloschüler hatte ich mit 15. Er war ein Jahr jünger.

Ab wann war für Sie klar, dass Musik in Ihrem Leben eine so starke Rolle spielen sollte?

Keusen-Nickel: Mit sechs Jahren wusste ich, dass ich mein ganzes Leben lang Musik machen wollte. Da mein Vater Kapellmeister war und Schulmusik studiert hatte, lernte ich über ihn schon früh Orchesterwerke kennen. Ich erinnere mich, dass ich schon als Schülerin mit ihm vierhändig Bruckner-Sinfonien aus der Partitur gespielt habe. Er hat mir die Faszination für die Musik vermittelt.

Wie entdeckt man dann, dass man nicht nur nach Noten spielen kann, sondern auch selbst als Komponistin gestalten möchte?

Keusen-Nickel: Kleine Stücke habe ich schon früh komponiert und Chorsätze arrangiert. Mein Tonsatzlehrer im Studium war Professor Wölper. So richtig große Werke habe ich dann allerdings erst in den 70er Jahren angefangen, als ich das Augustiner Orchester leitete. Wir machten damals eine Reise mit dem Orchester nach Katalonien. Ich beschäftigte mich vorher mit dem dortigen Volkstanz „Sardana“ und komponierte dann selber in diesem typisch spanischen Stil. Unser Gastgeschenk wurde ein Bombenerfolg und wurde von der Presse als Besonderheit gefeiert. Seitdem habe ich eine ganze Reihe von „Sardanas“ komponiert.

Haben Sie jemals gezählt, wie viele Schüler Sie bisher unterrichtet haben?

Keusen-Nickel: Das müssen Hunderte sein, die ich in gut siebzig Jahren unterrichtet habe. Einige haben Musik als ihren Beruf gewählt – das hat mich sehr gefreut. Aber auch, wenn sie die Musik immer noch als ihr Hobby hochhalten. Mit vielen habe ich noch Verbindung und bekomme Briefe und Anrufe.

Gab es Überflieger unter Ihren Schülern – erkennt man Talente gleich in der ersten Stunde?

Keusen-Nickel: Ja, da gab es einige. Sie waren dann erfolgreich bei „Jugend Musiziert“ und kamen bis auf Bundesebene. Man erkennt die Talente eigentlich sehr früh. Und dann muss man nur das fördern und begleiten, was in dem Kind steckt.

Wer hat Sie musikalisch geprägt – welche Vorbilder haben Sie?

Keusen-Nickel: Als Cellist hat mich Pierre Fournier besonders beeindruckt , der fabelhaft spielte und den ich mehrmals in Bonn gehört habe. Und als Komponist ist es natürlich Johann Sebastian Bach und sein Prinzip der Polyphonie.

Haben sich die Schüler in rund 70 Jahren Unterrichtstätigkeit grundlegend in ihrem Auftreten und Verhalten verändert?

Keusen-Nickel: Die Schüler und die Eltern. Früher gab es meist eine familiäre Vorbelastung. Wenn die Eltern Cello gespielt haben, schickten sie auch ihre Kinder in den Unterricht. Heute ist das offener. Auch die Übungsmöglichkeiten sind heute besser. Nur das Lampenfieber vor den Auftritten hat sich nicht verändert. Und der persönliche Umgang damit ist wichtig, deshalb sehe ich Auftritte auch als wichtigen Bestandteil der Pädagogik.

Als Vorsitzende der Humperdinck-Freunde Siegburg haben Sie kürzlich den Taktstock an Christian Ubber übergeben. Der Salon der Humperdinck-Freunde hat viele Komponisten nach Siegburg geholt.

Keusen-Nickel: Die Idee war, jüngeren Komponisten und Preisträgern des Siegburger Kompositionspreises die Chance zu geben, sich und ihre Werke vor Publikum persönlich zu präsentieren. Andererseits haben wir immer auch renommierte Komponisten wie Jürgen Ulrich oder Violeta Dinescu zum Gespräch nach Siegburg geholt. Diese Art der Förderung wäre auch im Sinne Humperdincks gewesen.

Haben Sie als Lehrerin eine Auswirkung gespürt, die die verkürzte Gymnasialzeit durch G8 auf das Lernverhalten von Musikschülern hatte? Und wie stehen Sie zu der für 2019/20 anstehenden Rückführung auf G9?

Keusen-Nickel: Ich bin ganz klar für G9! Nicht alleine wegen der Zeit, die Musikschüler zum Üben brauchen. Die Jugendlichen brauchen dieses Jahr, um sich entwickeln zu können. Die persönliche Entwicklung findet nicht nur in der Schule statt. Sie findet auch bei der Ausübung von Musik, Kunst und Sport statt.

Sie werden im November 86 und sind sehr aktiv – was hält Sie jung?

Keusen-Nickel: Für meinen Körper ist es der Sport. Ich gehe jeden Morgen joggen. Nicht lange, nur eine Viertelstunde, aber regelmäßig. Und zweimal die Woche gehe ich zur Gymnastik. Für den Geist ist es natürlich meine Musik. Ich übe jeden Tag gut anderthalb Stunden. Wichtig ist, dass man aktiv auch immer etwas Neues dazulernt. Das hält beweglich. Deshalb sind auch Sprachen mein Hobby. Ich interessiere mich für deutsche Literatur und liebe Fremdsprachen. Neben Englisch, Französisch, Latein, Griechisch und Italienisch spreche ich Spanisch und lerne ganz aktuell an der VHS Polnisch. Im April bin ich wieder in Siegburgs Partnerstadt Bunzlau und da ist es wichtig, dass man auch miteinander sprechen kann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort