Manchmal weinen sie einfach mit Besuch beim ambulanten Hospizdienst in Sankt Augustin

Sankt Augustin · Der ambulante Hospizdienst begleitet in Sankt Augustin, Siegburg und Troisdorf Schwerkranke, Sterbende und Trauernde. 1995 wurde er auf Initiative der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Sankt Augustin ins Leben gerufen.

An ihre erste Begleitung kann sich Uschi Fratini noch immer erinnern – obwohl sie bereits 14 Jahre zurückliegt. „Die Frau brauchte damals viel mehr Hilfe als ihr schwerkranker Ehemann“, sagt sie. „Und das hat ihm dann wiederum gut getan.“ Uschi Fratini ist eine von 35 ehrenamtlichen Sterbebegleitern des ambulanten Hospizdienstes für Sankt Augustin, Siegburg und Troisdorf. 1995 auf Initiative der evangelischen und katholischen Kirchengemeinden in Sankt Augustin ins Leben gerufen, kümmert er sich seit 23 Jahren um Schwerkranke, Sterbende und Trauernde. Sein Ziel: Sterbenden und Schwerkranken zu ermöglichen, ihr Leben bis zum Lebensende in Würde zu verbringen. Und Trauernden zu helfen, mit ihrer Trauer wieder ins Leben zu finden.

Per Zufall kam Fratini damals zu ihrem Ehrenamt. In einem Anzeigenblatt las sie über den Verein. „Ich war auf der Suche nach etwas Sinnstiftendem. Meine Kinder waren 17 und 18 Jahre alt und brauchten mich nicht mehr so“, erzählt sie. In der Sterbebegleitung habe sie diesen Sinn gefunden. „Es gibt einem sehr viel, man bekommt viel zurück“, sagt Fratini.

Seither hat sie viele verschiedene Familien betreut, meist rund zwei Stunden die Woche. „Aber je nach Gesundheitszustand kann es auch mehr werden.“ Dabei sei es üblich, sich immer nur um eine Familie zu kümmern. Die Begleitung kann unterschiedlich lang dauern – von wenigen Tagen bis zu Jahren.

Der Weg zur Begleitung ist immer der gleiche. Alles beginnt mit dem ersten Kontakt. „Meist über Telefon oder E-Mail“, erzählt Gabi Bärhausen, eine der zwei hauptamtlichen Koordinatorinnen des Hospizdienstes. „Wir versuchen dann, möglichst schnell einen Termin zu machen.“ Ihr Büro haben Bärhausen und Vanessa Randow im Dietrich-Bonhoeffer-Haus in Sankt Augustin; es ist die „Schaltzentrale“ der Netz- und Verwaltungsarbeit.

Begleitung der Ehrenamtlichen ist wichtig

Ob Beratung am Telefon, Terminorganisation, Dokumentation, der Austausch mit anderen Einrichtungen oder die Einsatzplanung – dort läuft alles zusammen. „Es ist für mich eine ganz sinnstiftende Arbeit“, sagt Bärhausen. „Die Betreuung geht weit über die Schmerzlinderung hinaus, sie beinhaltet auch emotionale Unterstützung und wirklich Zeit am Krankenbett zu haben.“

Die Koordinatorinnen sind auch beim ersten Besuch vor Ort. Denn es kann vorkommen, dass die Chemie zwischen Betroffenem und Sterbebegleiter nicht stimmt. „Mit der Auswahl und Einführung eines passenden Begleiters in die Familie übernehmen wir Koordinatoren eine doppelte Verantwortung“, sagt Bärhausen. „Einerseits für die Betroffenen selbst, andererseits aber auch für die ehrenamtlichen Begleiter.“

Deshalb sei auch die Begleitung der Ehrenamtlichen wichtig. Dafür gibt es neben dem Befähigungskursus, der sie auf die Tätigkeit vorbereitet, regelmäßige Teamtreffen, eine externe Supervision sowie Fortbildungsangebote. Die Situationen seien manchmal schon belastend, so Bärhausen. Randow ergänzt: „Es geht darum, dass wir mitbegleiten und aushalten. Schweigen, Schreie, starke Emotionen einfach stehen zu lassen und zu ertragen.“

Das, was die Begleiter erleben, lässt sich laut Uschi Fratini nicht immer direkt abschütteln. „Es ist eine Frage, ob man sympathisch oder empathisch ist. Wir wollen empathisch sein, dann nimmt man es nicht so mit nach Hause“, sagt die Sterbegleiterin. „Aber wenn es lange dauert, dann entstehen Freundschaften. Und manchmal darf man auch einfach mal mitweinen.“ Wichtig ist ihr bei der Begleitung, aktiv zuzuhören und herauszufinden, was die Bedürfnisse sind.

Einer wolle spazieren gehen, ein anderer ins Kino oder noch einmal einen Ausflug machen. „Eine Dame hatte sich zum Beispiel gewünscht, noch einmal mit dem Schiff zu fahren“, erzählt Fratini. Es sei gar nicht so, dass so oft über das Sterben gesprochen werde. „Ich habe eine Dame drei Jahre lang begleitet, die gerne übers Fensterputzen gesprochen hat, nie übers Sterben. Ich dachte, das kommt irgendwann, aber es kam nicht.“

Jede Trauerbegleitung eine neue Situation

Im Blick haben die Ehrenamtlichen auch die Angehörigen. Indem sie sich um die Schwerkranken kümmern, schaffen sie ihnen Freiräume. Freie Zeit, die sie einfach mal für sich nutzen können.

Die Arbeit des Hospizdienstes geht aber noch weiter. Mit Lidwien Weyer-van-Herten und Ingrid Habscheid gehören auch zwei ehrenamtliche Trauerbegleiterinnen zum Team. Weyer-van-Herten ist seit 1995 an Bord und hat die Trauerbegleitung mit aufgebaut. „Trauer ist die Reaktion auf einen Verlust“, sagt sie. „Nicht jeder braucht danach eine Begleitung, aber manche wollen die Familie nicht weiter belasten.

Dann haben wir ein offenes Ohr.“ Etwa bei Einzelbegleitungen, mit Gruppenangeboten, im Trauercafé oder bei Trauerwanderungen. Bei der Trauer sei es inzwischen häufig so, dass sie in der Öffentlichkeit nicht mehr stattfinden dürfe, sagt Weyer-van-Herten. „Sechs Wochen, dann soll es weitergehen.“ Dabei fange die Trauer dann oft erst an, weil es vorher so viel zu erledigen gab.

Generell sei jede Trauerbegleitung wieder eine neue Situation. „Man kann sich nicht daran gewöhnen“, so Weyer-van-Herten. Aber, ergänzt Ingrid Habscheid, „meine Erfahrung ist, dass es wichtig ist, bei der Begleitung jemandem mit offenem Herzen zu begegnen und zu versuchen, auf ihn einzugehen.“ Das ist auch die Strategie von Sterbebegleiterin Uschi Fratini: „Man muss zuhören und das Herz am rechten Fleck haben. Dann kann nicht viel schiefgehen.“

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