Beiträge zur Stadtgeschichte Aufbereitung der Nazi-Zeit in Sankt Augustin

Sankt Augustin · Mike Bargel beschäftigt sich in den neuen Beiträgen zur Sankt Augustiner Stadtgeschichte mit dem Nationalsozialismus und den Hoheitsträgern im Amt Menden. Recherchiert hat der Autor in den Archiven der Stadt sowie des Kreises und des Bundes.

Den 55. Band zur Stadtgeschichte stellen (von links) Michael Korn, Autor Mike Bargel und Bürgermeister Klaus Schumacher vor.

Den 55. Band zur Stadtgeschichte stellen (von links) Michael Korn, Autor Mike Bargel und Bürgermeister Klaus Schumacher vor.

Foto: Martina Welt

Mike Bargel nennt sie beim Namen, die Verantwortlichen in der Zeit des Nationalsozialismus im damaligen Amt Menden. Es war eine Sisyphusarbeit, die den Autor zunächst nach einem Gespräch mit Stadtarchivar Michael Korn in die Archive der Stadt, des Kreises des Landes und schließlich in das Bundesarchiv verschlug. „Es war nur sehr wenig an Quellenmaterial vorhanden, da es keine Akten der NSDAP mehr gibt“, schildert Bargel. Der Befehl, sämtliche Akten zu verbrennen, sei von den Verantwortlichen sehr akribisch durchgeführt worden.

Angesichts der daraus resultierenden, sehr lückenhaften Quellenlage, habe er sich entschieden, den Fokus nur auf einzelne Facetten der Zeit zur richten. Das sind zum einen die Anfänge und die Struktur der hiesigen NSDAP, zum anderen die Funktionsträger der Partei, und zum dritten die Gemeindeorgane wie Bürgermeister oder Beigeordnete. Das Ergebnis stellte der Autor am Mittwochabend in der Stadtbücherei vor. Dass dieses Thema vorher noch nicht bearbeitet worden sei, könne mit den Schutzfristen zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte zusammenhängen, glaubt Bargel. „Erst 30 Jahre nach dem Tod erlöschen die Persönlichkeitsrechte“, führt der Autor aus.

Die Namen der Hoheitsträger, die Bargel in seinem Band der Reihe „Sankt Augustin – Beiträge zur Stadtgeschichte“ nennt, sind alle mindestens seit 34 Jahren verstorben. Der Jüngste unter den Genannten sei der Ortsgruppenleiter Peter Josef Söntgen, der 1984 verstarb und mit großer Wahrscheinlichkeit die Ortsgruppe Menden der NSDAP gegründet habe. Diese wiederum war in Zellen und die nochmals in Blocks unterteilt.

Daten in sachlichem Band zusammengefasst

Auch heute noch rechnet Bargel durchaus mit der Möglichkeit, dass es Proteste aus den Familien der Genannten gibt. „Mir war es wichtig, mit den Daten verantwortungsvoll umzugehen und damit einen sachlichen und nicht populärwissenschaftlichen Band vorzulegen“, sagt er.

Entsprechend nüchtern klingt somit auch der Titel des Bandes: „Die NSDAP und die Gemeindeorgane des Amtes Menden (Rheinland) und seiner Gemeinden“. Bei aller Sachlichkeit räumt er mit dem Argument auf, dass man gezwungen worden sei, Parteimitglied zu werden. Bargel verweist auf mehrere Anweisungen, die belegen, dass die Parteizugehörigkeit freiwillig sein müsse und kommt zu dem Schluss, dass von einem Zwang in die NSDAP einzutreten, nur in den allerwenigsten Fällen ausgegangen werden könne.

Für Bürgermeister Klaus Schumacher ist es gerade in der heutigen Zeit wichtig, sich diesem Abschnitt der Geschichte zuzuwenden, angesichts des Wiedererstarkens von Populisten, Demokratiegegnern und Autokraten in vielen Ländern Europas. Es ist überzeugt, dass der Lückenschluss einen wichtigen Beitrag dazu leiste, die Gefahren einer solchen Entwicklung wachzuhalten. Dazu müssten Berührungsängste wegen familiärer Wurzeln in der Stadt überwunden werden. Schumacher forderte die Anwesenden auf, Dokumente aus dieser Zeit dem Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen.

Auch Bargels soziales Umfeld liegt in Sankt Augustin. Der 39-Jährige wuchs in Niederpleis auf. Nach seiner Ausbildung zum Verwaltungswirt und dem Dienst als Zeitsoldat bei der Bundeswehr studierte er Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Bonn. Bargel beschäftigte sich schon in seiner Jugend intensiv mit der Geschichte der Region.

Der Band 55 in der Reihe zur Stadtgeschichte ist im Rheinlandia-Verlag erschienen und kann im Stadtarchiv, im Rathaus sowie im Buchhandel für sechs Euro erworben werden.

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