"Zu Gast auf dem Sofa" Auf Spurensuche in der Familiengeschichte

SANKT AUGUSTIN · Wer die genauen Hintergründe zu Jennifer Teeges Buch "Amon - Mein Großvater hätte mich erschossen" nicht kennt, hätte bei ihrer Lesung zunächst den Eindruck gewinnen können, die groß gewachsene, schlanke Mittvierzigerin sei emotional nicht besonders involviert gewesen.

 Vor der Lesung von Jennifer Teege (r.) versorgte Kreisarchivarin Claudia Arndt die Zuhörer mit Hintergrundwissen.

Vor der Lesung von Jennifer Teege (r.) versorgte Kreisarchivarin Claudia Arndt die Zuhörer mit Hintergrundwissen.

Foto: Holger Arndt

Ausdruckslos, fast roboterartig las sie "Zu Gast auf dem Sofa" - so der Name der Veranstaltungsreihe - die meiste Zeit im Audimax der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg die von ihr geschriebenen Zeilen vor.

Diese berichten von ihrer Familiengeschichte, die zugleich eng verknüpft ist mit einem der finstersten Kapitel deutscher Geschichte. Denn Teeges Großvater war niemand anderes als der für seine Gräueltaten gefürchtete Kommandant des Konzentrationslagers Plaszow, Amon Göth. Erst vor ein paar Jahren hat Teege von ihrer Verwandtschaft zu dem Mann erfahren. Dieser war, wie Kreisarchivarin Claudia Arndt in ihrer Einführung schilderte, aufgrund seiner Mitverantwortung bei der Ermordung von mehr als zehntausend Juden auch unter der zweifelhaften Bezeichnung "Schlächter von Plaszow" in die Geschichte des Dritten Reiches eingegangen und wurde nach dem Krieg für seine Taten gehängt.

Wie die Zuhörer weiter erfuhren, stieß Jennifer Teege beim Stöbern in der Hamburger Zentralbibliothek auf ein Buch, in dem ihre Mutter - sie gab Teege in jungen Jahren zur Adoption frei, so dass sie bei einer Pflegefamilie aufwuchs - über ihren Vater sprach. Nach diesem Ereignis begab sich Teege unter anderem in Krakau auf Spurensuche und arbeitete dabei auch ihre eigene Biografie auf. Denn lange Zeit habe sie, Tochter eines Nigerianers und einer Deutschen, sich "anders als die anderen" gefühlt, sei auch von Depressionen geplagt worden, wie sie sagt. Die Aufarbeitung ihrer Familiengeschichte habe ihr geholfen, dies zu ändern.

Das unbetonte Vorlesen konnte deshalb wohl als Schutzmechanismus verstanden werden. Dennoch war der Autorin an einigen Stellen, vor allem aber in der sich anschließenden Fragerunde, während der Teege das Gespräch mit den rund 200 Zuhörern suchte, anzumerken, dass sie viele Aspekte immer noch bewegen: Unter anderem der Umgang von Journalisten mit ihrer Großmutter, die ihr als sehr gütig und liebevoll in Erinnerung geblieben ist. Aber auch das Verhältnis zu ihren jüdischen Freunden, die sie während eines Auslandsstudiums in Israel kennenlernte, und denen sie erst spät ihre Geschichte offenbarte.

Diese Schilderungen und auch, dass Teege erstmals ihre beiden Geschwister mit zu einer Lesung gebracht hatte, ließ auch die Zuhörer nicht kalt: "Wir sind jetzt alle sehr ergriffen", so Mitorganisatorin Susanne Kundmüller-Bianchini von der Hochschul- und Kreisbibliothek. Und die Besucher spendeten Teege viel Applaus.

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